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Kurt Haagen arbeitete in einem Reisebüro. Soeben hatte er einen langjährigen Kunden in der Leitung, der von einer Reise in die Dominikanische Republik zurückgekommen war, die ihm sehr missfallen hatte. Das Hotel, in dem man ihn untergebracht hatte, war keine Vier Sterne, sondern lediglich eine Drei SterneUnterkunft und zudem noch nicht einmal ganz fertiggestellt gewesen. Der Mann beschwerte sich zu Recht, dass man ihm zugemutet hatte, seinen Urlaub, die wertvollsten drei Wochen seines arbeitsreichen Jahres, auf einer Baustelle zu verbringen, und er meldete entsprechende Entschädigungsansprüche an. Kurt versprach dem Kunden, sich dafür zu verwenden, dass man ihn vollstens zufriedenstellte, und er verlieh der Hoffnung Ausdruck, dass der Mann trotz der erlittenen Unannehmlichkeiten, für die Kurt nichts konnte, seine nächste Reise wieder bei ihm buchte. Nach diesem Telefonat lehnte Kurt Haagen sich zurück und zündete sich eine Zigarette an. Ein Zug in Ruhe war ihm gegönnt. Dann läutete das Telefon wieder. Kurt meldete sich mit professioneller Höflichkeit.

Am anderen Ende war Katja Stemmle. Kurt wusste, was in Hamburg vorgefallen war, und dass Katja und Jakob nicht mehr zusammen waren. Er verstand seinen Freund nicht. Wie hatte er nur von Katja zu der flatterhaften Birgit Mendl wechseln können? Er hatte Jakob das auch gesagt, und dieser hatte ihm ziemlich unwirsch empfohlen, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Seither hingen ein paar Eiszapfen über ihrer Freundschaft, und es freute Kurt Haagen deshalb umso mehr, dass Katja Stemmle sich bei ihm meldete.

„Hallo, Schwester Katja“, sagte er in scherzhaft freundlichem Ton. „Wie geht’s?“

„Gut“, antwortete Katja. „Und selbst?“

„Ich kann nicht klagen.“

„Was hört man von Barbara Rahn?“, wollte Katja wissen.

„Nichts mehr.“ Kurt zog an seiner Zigarette.

„Vermisst du sie?“

„Nein. Ich hab’ ja jetzt Lotte.“

„Ach ja, Lotte“, sagte Katja. „Geht es ihr auch gut?“

Kurt Haagen lachte. „Ich denke, ich sorge auf entsprechende Weise dafür.“

„Siehst du sie täglich?“, erkundigte sich Katja.

„Nur dreimal in der Woche - Mittwoch, Samstag und Sonntag, damit es in unserer Beziehung zu keinen vorzeitigen Verschleißerscheinungen kommt.“ Er wurde ernst. „Jakob hat ganz schön Mist gebaut. Das tut mir echt leid. Wir sind uns deswegen nicht mehr ganz grün.“

,,Ihr habt euch meinetwegen gestritten?“, fragte Katja überrascht.

„Nun ja, nicht richtig gestritten“, schwächte Kurt ab. „Ich habe Jakob bloß meine Meinung gesagt. Da ich sein bester Freund bin, finde ich, dass mir das zusteht.“ Er lachte ein wenig gekünstelt. „Nun, und er hat mir daraufhin halt zu verstehen gegeben, dass mich das nichts angeht.“ Er zog noch einmal an der Zigarette und drückte sie dann im Aschenbecher, in dem bereits zehn Kippen lagen, aus. „Was verschafft mir das Vergnügen deines Anrufs?“, erkundigte er sich. „Möchtest du verreisen? Tapetenwechsel? Neue Eindrücke sammeln? Jemand anders kennenlernen? Das wäre wirklich keine schlechte Idee.“

„Nein“, sagte Katja lustlos, „ich möchte nicht verreisen.“

„Ich hätte ein paar sensationelle Sonderangebote. Teneriffa. Mallorca. Türkische Riviera.“

„Daran bin ich nicht interessiert“, sagte Katja. „Ich möchte, dass du mir ein wenig Zeit schenkst.“

Er war überrascht. „Zeit? Ich?“

„Ist das ein Problem für dich?“, wollte die junge Frau ein wenig irritiert wissen. „Wegen Lotte vielleicht?“

„Nein, gar nicht. Es wundert mich nur, dass du ...“

„Du bist Jakobs bester Freund.“

„Möchtest du ihn mit meiner Hilfe eifersüchtig machen?“, fragte Kurt Haagen.

„Wäre das möglich?“ Katjas Stimme klang flehend. „Würdest du mitspielen?“

Draußen blieben ein Mann und eine Frau um die Fünfzig stehen und studierten die Sonderangebote, von denen Kurt vorhin gesprochen hatte.

„Möchtest du Jakob denn wiederhaben?“, fragte er unsicher.

„Ich möchte vor allem erreichen, dass Birgit Mendl ihn genauso verliert, wie ich ihn verloren habe“, antwortete Katja hart. „Alles Weitere wird sich finden.“

Kurt Haagen lachte. „Ich hätte dich nicht für so rachsüchtig gehalten.“

„Ich bin zur Zeit zu allem fähig“, gestand Katja ihm aufrichtig. „Diese Geschichte hat mich völlig aus der Bahn geworfen.“

„Das kann ich sehr gut nachvollziehen“, sagte Kurt Haagen verständnisvoll, „obwohl ich mit Barbara nie so gut gelebt habe wie du mit Jakob. Wir hatten die Endzeitkatastrophe so oft durchgespielt, dass man hätte meinen können, der richtige Schlussstrich würde mich nicht mehr berühren. Beim unwiderruflich letzten Mal hat es mich aber dann doch ziemlich schwer getroffen.“

„Ich hab’s noch nicht vergessen“, sagte Katja, die sich gut an den Tag erinnerte, an dem Kurt volltrunken vor ihrer Wohnungstür auf der Fußmatte gesessen hatte.

Der Mann und die Frau wechselten draußen ein paar Worte, dann gingen sie weiter.

„Du kannst auf mich zählen“, sagte Kurt und so verblieben sie fürs Erste.

Eifersucht, Tränen und letzter Wunsch: 5 Arztromane

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