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ОглавлениеMeine Geschichte
Ich wollte schon als Kind Koch werden. Dafür gibt es sogar schriftliche Beweise. Denn im unschuldigen Alter von acht Jahren habe ich meinen sehnlichsten Berufswunsch dem Poesiealbum meiner Schwester anvertraut : Koch. Wie ich darauf kam, kann ich aber beim besten Willen nicht sagen.
Ich habe das Glück, dass ich in Deutschlands schönstem Schlaraffenland, in Baden, geboren wurde. Meine Eltern hatten zwar mit Sterneküche absolut nichts am Hut, dennoch ist meine Mutter eine wunderbare Köchin, die uns stets mit leckerem Essen und feinem Backwerk verwöhnt hat. Zudem ist sie handwerklich sehr geschickt – sie hat beispielsweise selbst Puppen hergestellt. Mir hat diese Liebe zum sorgfältigen Arbeiten mit den Händen sehr geholfen. Denn Kochen ist bei aller Kreativität immer auch Handwerkskunst.
Ein besonders guter Schüler bin ich nie gewesen, eher einer von der Sorte, zu dem die Lehrer sagen: »Wenn du dich ein bisschen mehr auf den Hintern setzen würdest, könntest du es weit bringen im Leben.« Als Jugendlicher hatte ich eigentlich immer nur meine Kumpels und mein Moped im Kopf. Ich lief als Punk durch die Gegend, Springerstiefel, Batikhose, rosafarbene Haare, an der Seite auch noch rasiert, das volle Programm und bestimmt kein schöner Anblick. Und mit diesem Outfit wollte ich tatsächlich Koch werden.
Einer meiner besten Freunde war der Sohn einer Winzerfamilie, die alle guten Restaurants in der Umgebung belieferte. Seine Eltern sagten zu mir: Wenn du schon das Kochen lernen willst, dann wenigstens anständig. Sie vermittelten mir ein Praktikum im Hotel Talmühle in Sasbachwalden, in dem ich dann meine Ausbildung absolvierte. Dort gab es nicht nur gutbürgerliche Küche, sondern auch ein Sternerestaurant, sodass ich die ganze große, weite, wunderbare Welt der Küche kennenlernen konnte, von Spätzle und Spießbraten bis zu Wachteln und Foie gras. Vor allem aber habe ich in Sasbachwalden Demut und Bescheidenheit gelernt, weil ich immer wieder eins auf die Mütze bekommen habe. Demütig bin ich bis heute geblieben, vor allem aber auch ehrlich und geradeheraus. Ich bringe selbst den Müll raus, schrubbe eigenhändig den Fußboden in meiner Kochschule und bin froh darüber, nie die Bodenhaftung verloren zu haben.
Ich bekam ein gutes Zeugnis in Sasbachwalden, das mir alle Türen öffnete. Was dann folgte, war die übliche Knochentour durch die Spitzenküchen der Sterneköche. Ich habe dabei viel gelernt, aber auch eine Menge gelitten. Kochen auf diesem Niveau ist kein Zuckerschlecken. Morgens um sieben haben wir angefangen und sofort Vollgas gegeben, um dann um Mitternacht völlig fertig aus der Küche zu torkeln. Mehr als einmal wollte ich alles hinschmeißen. Doch ich habe mich immer wieder durchgebissen.
Nach ein paar Jahren bin ich bei Holger Stromberg in München gelandet. Das war ein Riesenglück, nicht nur, weil ich bei ihm meine Frau Franziska kennengelernt habe, eine geniale Konditorin, eine Göttin der Patisserie. Genauso wichtig war für mich, dass mir Holger die Freude am Kochen zurückgegeben hat. Endlich konnte ich bei der Arbeit wieder lachen – und da habe ich mir geschworen: Für den Rest meines Lebens soll mir das Kochen nur noch Spaß machen, ganz egal, wie anstrengend es ist.
Irgendwann war die Zeit reif für ein eigenes Restaurant. Franziska und ich wagten den Sprung ins kalte Wasser und eröffneten ein Lokal in München, das im Grunde eine Bruchbude mit Miniküche war. Wir haben alles alleine gemacht und fast rund um die Uhr geschuftet. Ich kochte Bistrostil, keine Spitzenküche, denn mit der Jagd nach den Sternen hatte ich innerlich abgeschlossen. Doch dann kam dieser Wahnsinnstag, an dem mir Franziska drei Sterne als Tattoo für den Unterarm schenkte. Am selben Tag besuchten die Tester vom Guide Michelin zum ersten Mal unser Restaurant – und zwei Jahre später hatten wir unseren Stern. Wenn das kein Schicksal ist!
Inzwischen können wir guten Gewissens sagen, dass wir uns einen festen Platz in der Münchner Sternegastronomie erobert haben. Das liegt nicht nur an der harten Arbeit, die Franzi und ich Tag für Tag leisten, sondern auch an meinem wunderbaren Team, das einen super Job macht. Ohne diese Mitarbeiter könnte ich niemals noch parallel für die TV-Kochdoku »Die Kochprofis« unterwegs sein – eine Aufgabe, die mir viel Spaß macht, mich aber auch sehr fordert.
Einen Ausgleich zur vielen Arbeit liefert mir der Gemüsegarten meiner Schwiegereltern in Rosenheim. Gerade in den Frühlings- und Sommermonaten, wenn alles in voller Blüte steht oder reif zum Ernten ist, komme ich gerne hierher. Der Garten ist ein idyllischer Ort, fast so groß wie ein Fußballfeld, ganz ruhig an einer Privatstraße gelegen, ohne Durchgangsverkehr, dafür mit einem fantastischen Blick auf die Berge – also das ideale Plätzchen für mich, um abzuschalten und zur Ruhe zu kommen. Meine Schwiegereltern sind leidenschaftliche Naturmenschen, kennen jede Blüte, jede Blume, jedes Kraut und vollbringen wahre Wunder in ihrem Garten. Meiner Frau Franziska wurde die Naturliebe also in die Wiege gelegt. Und zum Glück teilt sie diese Liebe großzügig mit mir.
Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückschaue, denke ich mir, dass alles so kommen musste und gar nicht anders kommen konnte. Denn ich bin nun mal kein Sparschäler, und ich backe nicht gerne kleine Brötchen. Ich mag keine faulen Kompromisse. Ich liebe Leidenschaft und mache alles, was ich anpacke, immer mit Haut und Haaren.
Das gilt nicht nur für das Kochen, sondern auch für meine zweite große Passion: meine Motorräder. Ich habe ein paar davon, und am meisten mag ich die schönen, alten, stinkenden Rumpelkisten, die irrsinnig laut sind und die man liebevoll tätscheln muss, wenn sie ausgehen – sonst springen sie nie wieder an. Und wenn ich in meiner knappen Freizeit nicht auf dem Sattel sitze, dann stehe ich auf dem Snowboard. Mit meinen Leuten aus dem Restaurant fahre ich zweimal im Jahr in den Schnee, das sind dann meine Familienausflüge.
Ich gebe zu: Sowohl im Schnee als auch auf dem Motorrad und erst recht in der Küche kann ich meinen Ehrgeiz kaum bremsen. Ich gebe in jeder Hinsicht gerne Vollgas, das liegt mir einfach im Blut. Ich weiß auch nicht, warum ich die Geschwindigkeit so liebe. Vielleicht habe ich Angst davor, etwas im Leben zu verpassen. Beim Kochen aber komme ich trotz meines Ehrgeizes wieder herunter. Das ist mein Ruhepol, da bin ich ganz bei mir, obwohl ich in der Küche immer laute, schnelle Musik höre, Hardrock oder Trash Metal. Doch das macht mich nicht aggressiv, im Gegenteil: Es beruhigt mich. Metal ist sozusagen mein Mozart. Dass mich manche deswegen für einen Freak halten, ist mir schnurzegal. Ich kann eben nichts dafür, dass ich so ein emotionaler Mensch bin. Und wer weiß, vielleicht muss man ja auch genau so sein, um ein guter Koch zu werden.