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a) Allgemeine Haftungsprinzipien

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Es geht hier zunächst um § 97 I UrhG. Die Rechtsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind:

- Bestehen eines Urheberrechtes,
- dessen Verletzung,
- Widerrechtlichkeit.

Beispiel:

Ein Hinführungsbeispiel: Ein Unternehmen hat ein außergewöhnliches, künstlerisch gestaltetes Signet entwickelt, das es seit einiger Zeit in weitem Umfange in seiner Werbung verwendet, vom Briefbogen über die Warenverpackung bis hin zur Beschriftung von Fahrzeugen Fassaden und Messeständen. Ein anderer Betrieb benutzt nunmehr – ohne Erlaubnis – das gleiche Zeichen.

Hier wird ein Urheberrecht, dessen Gegenstand ein Werk der angewandten Kunst ist, widerrechtlich verletzt; das ist nach § 97 I UrhG unzulässig. Darauf, ob die Unternehmen Konkurrenten sind, kommt es hier nicht an.

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Mit einer Verletzung des Urheberrechtes haben wir es dann zu tun, wenn eine Handlung vorgenommen wird, die sich gegen das absolute Urheberrecht als einheitliches, umfassendes Recht mit seinen absolut ausgestalteten einzelnen Berechtigungen richtet, insbesondere also bei Verstößen gegen das Urheberpersönlichkeitsrecht und dessen Ableitungen (§§ 12–14 UrhG) und gegen das allgemeine Verwertungsrecht und die sich daraus ergebenden einzelnen Verwertungsrechte (§§ 15–22 UrhG).

Bei der Frage, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, ist von der konkreten Gestaltungsform in ihrem geistig-ästhetischen, eigenschöpferischen Gehalt auszugehen, wobei der Gesamteindruck maßgebend ist. Werden charakteristische Eigenheiten eines Werkes übernommen, so liegt eine Verletzung vor. Eine solche wird man umso eher annehmen, je auffallender die Eigenart des als Vorlage benutzten Werkes ist, da diese Eigenart in dem danach geschaffenen Werk umso weniger verblasst (BGH, GRUR 82, 37, 39 – WK-Dokumentation). Auch bei gewissen Abweichungen kann eine Urheberrechtsverletzung vorliegen.

Beispiel:

X hat ein Urheberrecht an der vermenschlichten Igelfigur „Mecki“. Ein Verlag (V) bringt eine Postkartenserie heraus, die in Pastellmalerei ebenfalls eine vermenschlichte Igelfigur in verschiedenen Gefühls- und Lebenslagen zeigt.

Die abstrakte Idee, die Vermenschlichung eines Igels, genießt keinen Urheberrechtsschutz (Rn. 32 ff.).

Geschützt ist vielmehr das, was der vermenschlichten Igelfigur das Gepräge gibt. Das sind die Gesichtszüge des „Mecki“, vor allem die Knollennase mit der stark hervorgehobenen Kugelspitze, die wulstige Unterlippe sowie die Augenpartien mit den charakteristischen Falten und die prallen Backen. Der Gesichtsausdruck wirkt dadurch gutmütig und spitzbübisch.

Den durch seine originelle Physiognomie hervorgerufene Eindruck einer im Kern ihres Wesens spitzbübisch-gutmütigen „Igel-Persönlichkeit“ vermittelt auch der Igel auf den Postkarten. V übernimmt daher die charakteristischen Eigenheiten des „Mecki“. Darin liegt die Urheberrechtsverletzung.

Dass die Igelgestalt des V gewisse Abweichungen aufweist – sie wird in wechselnden Gefühlsregungen, etwa im Zustand der Angst oder des Schmerzes wiedergegeben – ist irrelevant (BGH, GRUR 60, 251 ff. – Mecki-Igel II).

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Die letzte Rechtsvoraussetzung von § 97 I UrhG ist die Widerrechtlichkeit der Verletzung. Dabei kommen die uns bekannten, allgemeinen Rechtfertigungsgründe in Betracht, also Einwilligung, Genehmigung (§§ 182 ff BGB), Notwehr (§ 227 BGB), Notstand und erlaubte Selbsthilfe (§ 228 ff. BGB). Im Vordergrund steht dabei die Zustimmung durch den Inhaber des Urheberrechts. Diese kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Zur Erläuterung einer stillschweigenden Einwilligung folgender, vom BGH (BGH v. 29.4.2010, Az. I ZR 69/08) entschiedene Fall, der Google (G) betraf:

Beispiel:

Die bildende Künstlerin (K) unterhielt eine Internetseite, auf der Abbildungen ihrer Kunstwerke eingestellt waren. Die Suchmaschine von G ermittelte die Abbildungen der K. Diese wurden dann in einer Trefferliste als verkleinerte Vorschaubilder (sog. Thumbnails) gezeigt und standen zur Nutzung durch Dritte zur Verfügung. K sah hierdurch ihr Urheberrecht verletzt und verlangte von G Schadensersatz.

Die Einbindung von Vorschaubildern urheberrechtlich geschützter Werke im Rahmen der G-Bildersuche im Internet ist sowohl als Vervielfältigung i.S. von § 16 II UrhG als auch als öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG zu qualifizieren. Da diese nur dem Urheber, also der K, zustehen, begeht G eine Urheberrechtsverletzung.

Diese, so der BGH, ist aber nicht rechtswidrig, da eine urheberrechtliche Einwilligung der K vorliegt. Es ist der K zuzumuten, bei ihren Abbildungen im Internet hinreichende Sicherungsmaßnahmen gegen das Auffinden ihrer Werke durch Bildersuchmaschinen vorzunehmen; ein Copyright-Vermerk ist nicht ausreichend. Wer im Internet Bilder oder Texte frei zugänglich macht, muss mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen und willigt in solche stillschweigend ein.

So wurde der Rechtfertigungsgrund Einwilligung hier bejaht, so dass die Urheberrechtsverletzung von G nicht rechtswidrig war, und die Schadensersatzklage der K abgewiesen wurde.

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Liegen die Rechtsvoraussetzungen des § 97 I UrhG vor, so kommen zugunsten des Verletzten eine ganze Reihe von Ansprüchen in Betracht:

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Zunächst kann Beseitigung der Beeinträchtigung verlangt werden (§ 97 I UrhG).

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Bei Wiederholungsgefahr kann der Urheberrechtsverletzer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht (§ 97 I UrhG). Vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung soll der Verletzte den Verletzer abmahnen und ihm die Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Bei berechtigter Abmahnung kann Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden (§ 97a I UrhG).

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Wer die Urheberrechtsverletzung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet (§ 97 II, S. 1 UrhG). Da die Höhe des Schadensersatzes oft recht schwer zu bestimmten ist, gibt das Gesetz zwei für die Praxis bedeutsame Hinweise. Erstens: Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Urheberrechtsverletzung erzielt hat, berücksichtigt werden (§ 97 II S. 2 UrhG). Zweitens: Der Schadensersatzanspruch kann auch auf Grund des Betrages errechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechtes eingeholt hätte (§ 98 II S. 3 UrhG), kurz: eine angemessene Lizenzgebühr. Schließlich kann der in seinen Urheberrechten Verletzte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen. Dieser immaterielle Schaden (§ 253 BGB) ist nur zu ersetzen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht (§ 97 II S. 4 UrhG).

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Weiterhin kommen für den in seinem Urheberrecht Verletzten bezüglich der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke die drei folgenden Rechte in Betracht:

- Er kann vom Verletzer deren Vernichtung verlangen (§ 98 I S. 1 UrhG).

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- Anstelle der Vernichtung kann der Verletzer auf Überlassung der Vervielfältigungsstücke gegen eine angemessene Vergütung, welche die Herstellungskosten nicht übersteigen darf, in Anspruch genommen werden (§ 98 III UrhG).
- Schließlich kann vom Verletzer Rückruf der Vervielfältigungsstücke oder deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen gefordert werden (§ 98 II UrhG).

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Diese Ansprüche sind aber ausgeschlossen, wenn die Maßnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind auch die Interessen Dritter zu berücksichtigen (§ 98 IV UrhG). Hierzu ein

Beispiel:

Keine Vernichtung einer gesamten Auflage eines Buches, sondern lediglich Schwärzen einer kleinen urheberrechtlich unzulässigen Stelle.

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Weit über das Bisherige hinausgehend, steht dem in seinem Urheberrecht widerrechtlich Verletzten ein Vernichtungsanspruch zu in Bezug auf die im Eigentum des Verletzers stehenden Vorrichtungen (§ 98 I, S. 2 UrhG), die vorwiegend zur Herstellung der Plagiat-Vervielfältigungsstücke gedient haben, wie etwa Produktionsanlagen, Formen, Matrizen, Negative oder Disketten. Dieser Anspruch steht aber auch unter dem Verhältnismäßigkeitsvorbehalt des § 98 III UrhG.

Dabei sollten wir klar erkennen, dass sich diese Ansprüche auch gegen Ahnungslose richten können, z.B. gegen Buchhändler, CD-Läden, Bibliotheken. In derartigen Fällen schafft § 100 UrhG eine gewisse Erleichterung durch ein Ablösungsrecht. Richten sich nämlich die Ansprüche nach §§ 97, 98 UrhG gegen eine Person, der weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zur Last fällt, so kann diese zur Abwendung der Ansprüche den Verletzten in Geld entschädigen, wenn ihr durch die Erfüllung der Ansprüche ein unverhältnismäßig großer Schaden entstehen würde und dem Verletzten die Abfindung in Geld zuzumuten ist. Als Entschädigung ist der Betrag zu zahlen, der im Falle einer vertraglichen Einräumung des Rechts als Vergütung angemessen gewesen wäre, also eine angemessene Lizenzgebühr.

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Sehr detailliert werden die Ansprüche auf Auskunft geregelt (§ 101 ff. UrhG); sie sollen lediglich skizziert werden:

Bei widerrechtlicher Urheberrechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß kann vom Verletzer unverzügliche Auskunft über Herkunft und Vertriebswege der rechtsverletzenden Vervielfältigungsstücke oder sonstiger Erzeugnisse verlangt werden. Das gewerbliche Ausmaß kann sich sowohl aus der Anzahl als auch der Schwere der Rechtsverletzungen ergeben (§ 101 I UrhG). Unter den Voraussetzungen von § 101 II UrhG können sogar gegenüber Dritten Auskunftsansprüche geltend gemacht werden.

Die Auskunftspflicht bezieht sich auf: Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse, der Dienstleistungen und der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen sowie die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellen Vervielfältigungsstücke oder sonstigen Erzeugnisse sowie über Preise (§ 101 III UrhG).

In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann der Auskunftsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden (§ 101 VII UrhG).

Wird die Auskunft vorsätzlich, grob fahrlässig oder unvollständig erteilt, so ist dem Auskunftsberechtigten Schadensersatz zu leisten (§ 101 V UrhG).

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Ist die widerrechtliche Urheberrechtsverletzung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit begangen worden, so kann unter bestimmten Voraussetzungen vom Verletzer Vorlage von Urkunden oder Besichtigung einer Sache verlangt werden. Bei einer in gewerblichem Ausmaß begangenen Urheberrechtsverletzung erstreckt sich der Anspruch auf die Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen (§ 101a I UrhG).

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Bei einer in gewerblichem Ausmaß begangenen Urheberrechtsverletzung kann zur Sicherung von Schadensersatzansprüchen unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen des Verletzers zurückgegriffen werden, auch im Wege der einstweiligen Verfügung (§ 101b UrhG).

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Sollte eine Urheberrechtsverletzung noch andere gesetzliche Vorschriften betreffen, etwa das BGB, so bleiben diese unberührt (§ 102a UrhG).

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Ansprüche wegen Urheberrechtsverletzung verjähren – entsprechend den allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff. BGB – in drei Jahren (§ 102 UrhG).

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Hat ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner betrieblichen Arbeit eine Urheberrechtsverletzung begangen, so stehen dem Urheber die oben dargestellten Ansprüche der §§ 97, 98 UrhG auch gegen den Arbeitgeber zu (§ 99 UrhG).

Grundriss Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

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