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1. Beschränkungen zu Gunsten privater Interessen

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Die bedeutsamsten Vorschriften, die eine Beschränkung des Urheberrechtes zu Gunsten privater Interessen und damit verbundene Vergütungsansprüche beinhalten, sind die §§ 53, 54 UrhG. Dabei sind die Einzelfälle, in denen Vervielfältigungen durch Dritte ausnahmsweise zulässig sind, in § 53 UrhG in breitem Umfange geregelt. § 54 UrhG hingegen begründet Vergütungsansprüche zu Gunsten der Urheber für die Fälle der nach § 53 UrhG erlaubten Vervielfältigungen.

Für Privatpersonen ist es zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes zum privaten Gebrauch herzustellen oder durch Dritte herstellen zu lassen (§ 53 I UrhG). Das bedeutet etwa, dass wir einen bestimmten Artikel, der uns privat interessiert, aus einem Buch heraus selbst kopieren oder dies durch andere – etwa eine Kopieranstalt – durchführen lassen dürfen. Dieses Recht steht uns nicht nur für ein Exemplar zu, sondern sogar erforderlichenfalls für einzelne Vervielfältigungsstücke. Einzelne bedeutet nach der Rechtsprechung bis zu sieben (BGH, GRUR 78, 474 ff. – Vervielfältigungsstücke). Die Vervielfältigung ist jedoch nur zum privaten Gebrauch zulässig. Ein solcher liegt vor bei einer Nutzung innerhalb der privaten Sphäre des Vervielfältigenden, d.h. im privaten Bereich durch ihn selbst und durch die mit ihm persönlich verbundenen Personen, also etwa durch Verwandte und Freunde. Hierbei muss es sich um die Befriedigung rein persönlicher Bedürfnisse und Interessen handeln. Die berufliche und gewerbliche Nutzung fällt nicht darunter. Die zulässigerweise hergestellten Vervielfältigungsstücke dürfen aber weder verbreitet noch zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden (§ 53 VI, 1 UrhG).

Dies alles gilt auch für eine Vervielfältigung von Werken, die in unkörperlicher Form verwertet werden. Aufzeichnungen von Rundfunk- oder Fernsehsendungen zum privaten Gebrauch sind also erlaubt (§ 53 I UrhG).

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Von der Kopierfreiheit nach § 53 I UrhG sind jedoch Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch ausgeschlossen, wenn für diese eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte (§ 19a UrhG) Vorlage verwendet wird. Offensichtlich rechtswidrig ist die Herstellung oder öffentliche Zugänglichmachung der Vorlage dann, wenn sie für jedermann geradezu auf der Hand liegt. Ein Beispiel hierfür wäre etwa, wenn bekannte Werke wie Filme oder Musikwerke, die normalerweise nur gegen Lizenzgebühr offeriert werden, durch Private unentgeltlich angeboten werden. Hierdurch soll der Piraterie Einhalt geboten werden, so etwa der durch File-Sharing-Netze, die von einer Anzahl von Filehostern betrieben werden.

Nach § 53 II UrhG ist es zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke (bis zu 7 Stück) eines Werkes herzustellen oder herstellen zu lassen:

Zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch,

zur Aufnahme in ein eigenes Archiv, jeweils soweit die Vervielfältigung zu diesen Zwecken geboten ist,

zur eigenen Unterrichtung über Tagesfragen, wenn es sich um ein durch Funk gesendetes Werk handelt,

zum sonstigen eigenen Gebrauch,

- wenn es sich um kleine Teile eines erschienenen Werkes handelt, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen sind,
- wenn es sich um ein mindestens zwei Jahre vergriffenes Werk handelt.

Problematisch ist hier allein der Begriff des sonstigen eigenen Gebrauchs. Er ist im Zusammenhang mit dem des privaten Gebrauchs nach § 53 I UrhG zu sehen. Der Begriff des eigenen Gebrauchs ist umfassender. Eigener Gebrauch ist eine außerhalb des rein privaten Gebrauchs, aber doch in der internen Eigensphäre liegende Benutzung, bei der eigennützige Interessen verfolgt werden. Berufliche, gewerbliche, wissenschaftliche Nutzung ist eigener Gebrauch (nicht aber privater Gebrauch i.S. von § 53 I UrhG) und fällt daher unter § 53 II UrhG mit dessen Beschränkungen.

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Die Vervielfältigungsbefugnis nach § 53 I bis II UrhG hat jedoch eine Grenze; diese wird durch § 53 IV UrhG gezogen. Die Vervielfältigungen

- grafischer Aufzeichnungen von Werken der Musik,
- eines Buches oder einer Zeitschrift, wenn es sich um eine im Wesentlichen vollständige Vervielfältigung handelt,

sind grundsätzlich untersagt.

Das bedeutet etwa, dass es nicht zulässig ist, dass ein Chor sich einen Satz Noten kauft – oder gar leiht – und dann für alle Mitglieder Kopien anfertigt. Derartige Vervielfältigungen sind nur dann zulässig, wenn sie handschriftlich vorgenommen werden oder wenn die Einwilligung der Berechtigten vorliegt. Für ganze Bücher und ganze Zeitschriften gilt das gleiche.

Vgl. Fall 47.

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Machen wir uns an Beispielen die Folgen klar, die § 53 UrhG für den Urheber haben kann.

Beispiele:

Ein Komponist und Textdichter hat mit seinem Schlager den „European Song Contest“ gewonnen. Dadurch, dass von vielen Leuten ein Überspielen vom Radio erfolgt, werden weniger CDs seines Erfolgsstückes verkauft.

Ein Student fotokopiert mehrere Kapitel, die für seine Studien von größter Bedeutung sind, aus einem wissenschaftlichen Fachbuch. Wäre dies nicht möglich, hätte er sich das Buch kaufen müssen.

Sowohl die Aufnahmen des Erfolgsschlagers als auch die Fotokopien aus dem Fachbuch sind nach § 53 UrhG erlaubt. Bei dem Überspielen des Schlagers handelt es sich um einzelne Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch (§ 53 I UrhG), bei dem Kopieren um einzelne Vervielfältigungsstücke zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch (§ 53 II Nr. 1 UrhG), wobei § 53 IV UrhG nicht entgegensteht, da nicht das ganze Fachbuch kopiert wird.

Auf Grund des § 53 UrhG erleidet der Urheber in beiden Fällen finanzielle Einbußen. Diese müssen durch den Gesetzgeber in angemessener Weise ausgeglichen werden. Hier steht der Gesetzgeber vor der schwierigen Aufgabe, die Interessen der Urheber an der Wahrung und Verwertung ihres geistigen Eigentums einerseits und die Belange der Geräteindustrie, die der Verbraucher und die der Wissenschaft an der Nutzung der Werke andererseits abzuwägen. Dabei müssen diese divergierenden Interessen im digitalen Zeitalter bei stets neuen technischen Möglichkeiten dem technischen Wandel angepasst und neu austariert werden. Das geschieht in §§ 54 ff. UrhG.

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§ 54 I UrhG normiert Ansprüche auf Zahlung einer angemessenen Vergütung zugunsten von Urhebern, von deren Werke eine Vervielfältigung nach § 53 I bis III UrhG zu erwarten ist. Diese Ansprüche richten sich gegen Hersteller von Geräten und Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme solcher Vervielfältigungen benutzt wird.

Neben dem Hersteller haftet als Gesamtschuldner der Importeur (§ 54b I, II UrhG) und unter engen Voraussetzungen auch der Händler (§ 54b I, III UrhG).

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Das größte Problem bereitet – schon angesichts der widerstreitenden Interessen (Rn. 118) – die Höhe der Vergütung. Daher nennt § 54a UrhG bezüglich deren Angemessenheit einige wichtige Hinweise, deren Beachtung es bei der Bestimmung der Vergütungshöhe zu berücksichtigen gilt. Besonders bedeutsam: Die Vergütung darf den Hersteller nicht unzumutbar beeinträchtigen; sie muss in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts/Speichermediums stehen (§ 54a IV UrhG).

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Einige Beispiele für derartige vergütungspflichtige

- Geräte: PC, DVD-Player, MP3-Player, Videorekorder, Scanner, Kopiergeräte, DVD-Brenner;
- Speichermedien: Festplatten, CD, DVD, Speicherkarten, USB-Sticks, Videokassetten.

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Neben den soeben dargestellten Herstellerabgaben gibt es die Betreibervergütungen (§ 54c UrhG), die dann zu entrichten sind, wenn die oben genannten Geräte, die im Wege der Ablichtung (Kopiergeräte) oder einem Verfahren vergleichbarer Wirkung vervielfältigen, von folgenden Institutionen betrieben werden:

- Schulen, Hochschulen, Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung (Bildungseinrichtungen),
- Forschungseinrichtungen,
- öffentlichen Bibliotheken,
- Einrichtungen, die Geräte für die entgeltliche Herstellung von Kopien bereithalten.

Einige Beispiele für die letztgenannten Vergütungspflichtigen: Kopierecken in Einzelhandelsgeschäften und Kaufhäusern, Kopierläden, Copyshops, Münzkopierer in Postämtern etc.

Die Höhe der vom Betreiber zu entrichtenden Vergütung bemisst sich nach Art und Umfang der Nutzung des Geräts (§ 54c II UrhG). Es leuchtet wohl ein, dass die Vergütung, die ein Copyshop in der Nähe einer Hochschule zu entrichten hat, höher sein wird als die eines kleinen Tante-Emma-Ladens auf dem Dorf, wo ein Kopiergerät für 20 Cent pro Kopie zur Verfügung steht.

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Zur Geltendmachung der Hersteller- sowie der Betreibervergütungen sind allein die Verwertungsgesellschaften zuständig (§ 54h UrhG), speziell die ZPÜ.

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Was die Vergütung bezüglich der Hersteller von Geräten und Speichermedien (§ 54 I UrhG) angeht, so schreibt § 13a WahrnG vor, dass vor Aufstellung der Tarife durch die ZPÜ/Verwertungsgesellschaft (§ 13 WahrnG) mit den Verbänden der betreffenden Hersteller über die angemessene Vergütungshöhe (§ 54a UrhG) und den Abschluss eines Gesamtvertrages nach § 12 WahrnG zu verhandeln ist. Scheitern diese Gesamtvertragshandlungen zwischen ZPÜ und dem entsprechenden Verband, so kann die ZPÜ die Tarife über eine angemessene Vergütung erst nach Vorliegen von empirischen Untersuchungen nach § 14a Va WahrnG aufstellen (§ 13a I, S. 3 WahrnG), die sich darauf beziehen, in welchem Maß die Geräte und Speichermedien tatsächlich für Vervielfältigungen nach § 54 I bis III UrhG genutzt werden.

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Für Streitigkeiten zwischen Verwertungsgesellschaften und Hersteller/Verbänden gibt es beschleunigte Schlichtungsmechanismen (§ 14 ff. WahrnG). Schlichtungsstelle ist das DPMA.

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Mit diesen Regelungen wird die Lösung der schwierigen Frage der Vergütungshöhe (§ 54a UrhG) in die Hände der Vertreter der Interessen der Urheber, der Verwertungsgesellschaften/ZPÜ, einerseits und die der Interessenvertreter der Verbände der Hersteller (etwa BITKOM = Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien) andererseits gelegt – beides private Institutionen.

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