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2 Die Theologie der „Kirche des Ostens“ und ihre Mission unter den Arabern

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Die „Heilige Apostolische und Katholische Assyrische Kirche des Ostens“ ist heute vor allem in Persien, im Iran und Irak, beheimatet. Schon in der vorislamischen Zeit ab dem 3. Jahrhundert lassen sich in Mesopotamien Kirchen mit bischöflichen Strukturen nachweisen. Bereits früh erreichte die christlich-syrische Mission arabische Stämme im Norden der arabischen Halbinsel, in Palästina und in Mesopotamien1. Aufgrund der Missionsgeschichte lässt sich sagen: Die Iraner und die arabisch-christlichen Gemeinden haben sich nicht „widerwillig“ dem (ostsyrischen) Christentum gefügt2. Dank ihrer aktiven Missionstätigkeit reichte ihr Einflussbereich mit Bischofssitzen später bis nach Indien und China3.

Die Missionstätigkeit der „Kirche des Ostens“, die im 6. Jahrhundert begann, erfolgte bis nach Zentralasien und China4. Auf ihrem Höhepunkt erstreckte sich das Gebiet dieser Kirche über 8000 Kilometer von Tarsus, Damaskus und Alexandrien bis hin nach Peking und zur chinesischen Küste und über etwa 5500 Kilometer vom Baikalsee (Sibirien) bis zur Südspitze Indiens. In einzelnen Zentren innerhalb dieses riesigen Gebietes residierten mindestens 25 Erzbischöfe und 200 Bischöfe, Klöster und Gemeinden, die die Autorität des Patriarchen von Bagdad anerkannten. Kein anderer Patriarch in der christlichen Welt verfügte über ein so weit reichendes Machtgebiet, das erst im 13. und 14. Jahrhundert endgültig durch den Niedergang des Fernhandels sowie durch die Pest und den Mongolensturm unterging. Noch heute sind vereinzelte Gemeinden in dieser weiten Region östlich des Euphrat anzutreffen5.

Entgegen anderer Kirchen, die ihre Liturgie nach byzantinischem Ritus auf Griechisch beteten, blieb seit der Zeit der Apostel6 die liturgische Sprache der „Kirche des Ostens“ Aramäisch7. Die Peschitta sowie die syrische Fassung des Diatessaron waren wesentliche Schriften der „Kirche des Ostens“. Dennoch gab es auch auf Griechisch verbreitete christliche Schriften, wobei vielfach ungeklärt ist, ob sie ursprünglich auf Griechisch oder auf Aramäisch geschrieben worden waren. Grundsätzlich war die Sprache der ostsyrischen Kirchen Syro-Aramäisch trotz des nicht zu unterschätzenden Einflusses des Hellenismus.

Prägend für das syrische Christentum insgesamt war zunächst die Stadt Edessa im Norden des Zweistromlandes. In dieser multiethnischen und multireligiösen Stadt trafen arabische, persische, armenische, griechische und jüdische Einflüsse aufeinander8. Neben der einheimischen aramäischen Bevölkerung lebten dort hauptsächlich Menschen arabischer Herkunft. Ebenso war eine bedeutende jüdische Gemeinschaft in der Stadt, die eine Synagoge im Zentrum der Stadt hatte. Edessa wurde nach der Konsolidierung des syrischen Christentums in Antiochien zum ersten großen Zentrum eines Glaubens mit der oben beschriebenen „judenchristlichen“ Grundhaltung, dessen Dialekt die biblische sowie liturgische Sprache des syrischen Christentums wurde: Aramäisch9. Die Kirche von Edessa nahm seit dem 3. Jahrhundert für sich in Anspruch, von Addai, einem der wichtigsten Heiligen der syrischen Kirche bis heute, gegründet worden zu sein10. Der arabisch-christliche Stamm der Taġlib, der später in der Region um al-Ḥîra, dem arabisch-christlichen Zentrum im südlichen Mesopotamien, siedeln sollte, kam ursprünglich aus dem Raum Edessa11. Selbst das mehr hellenisierte westsyrische Christentum mit byzantinischem Ritus blieb aramäisch sprechend.

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