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Das „Wie“ ist egal

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Zu einem der bedeutendsten Theologen im großsyrischen Raum wurde in diesem Zusammenhang Theodor von Mopsuestia (350–428)56. Er verglich die Einheit der beiden Naturen mit der Einheit von Mann und Frau in einem Fleisch: „Wie es nämlich im ersteren Fall (der Einheit von Mann und Frau) der Zahl zwei nicht schadet, von einem Fleisch zu reden … so schadet auch hier (in der Einheit göttlicher und menschlicher Natur) nicht die Einheit im ‚Prosopon‘ (d.h. in der Außenansicht) dem Unterschied der Naturen“57. Theodor hat fast alle Bücher der Heiligen Schrift kommentiert und gilt bis heute in der „Kirche des Ostens“ als bedeutendster Kirchenvater und als der authentische und profunde Interpret der Bibel. Auch er betonte gegenüber Arius die Einheit Jesu mit Gott und gegenüber Apollinarius die Bedeutung der vollständigen menschlichen Seele (Natur) Christi.

Theodor arbeitete allerdings nicht heraus, wie (!) die Einheit in Christus zu verstehen sei. Er definierte sie nicht. Parallelen zu späteren innerislamischen theologischen Diskussionen der verschiedenen Gelehrtenrichtungen zum Verhältnis des „einen Gottes“ („tawḥîd“) zu den Attributen und Namen Gottes sowie zum „ewigen Wort Gottes, dem Ur-Qur’ân im Himmel58, drängen sich unmittelbar auf. Auch die islamische Theologie fragt nicht danach, „wie“ der ewige Gott zum ewigen Ur-Qur’ân stehe bzw. „wie“ die anthropomorphen Texte des Qur’âns zu verstehen seien. Es gilt, das Geheimnis zu wahren und diesem „Mysterium“ zu glauben.

Die „antiochenische Theologie“ betonte stets das „Mysterium der Einheit“, von der sie ebenso überzeugt war wie die Byzantiner (hier: die Chalcedonsener). Diese Einheit der zwei zu unterscheidenden Naturen hätte die hier angedeutete relationale Christologie mit dem Bezug auf den Heiligen Geist noch klarer herausarbeiten können. Doch zu jener Zeit war das Verständnis des Heiligen Geistes in der ostsyrischen Kirche noch nicht so aussagekräftig formuliert wie es im Westen bereits durch die „drei großen Kappadozier“ geschehen war59. Wäre die Lehre vom Heiligen Geist zu diesem Zeitpunkt noch tiefgreifender entwickelt worden, hätte man dem falschen Verdacht des Adoptianismus theologisch noch stärker begegnen können. Ohne entwickelte Lehre vom Heiligen Geist war die Unterscheidung der Naturen für Nestorius das Leichtere, das Schwierigere bestand für ihn darin, an der Einheit festzuhalten: „ein Christus, ein Sohn, ein Herr“60.

Es dürfte letztlich an dieser unterentwickelten Pneumatologie (der „Lehre vom Heiligen Geist“), d.h. an einer nicht ausformulierten, tiefergehenden Berücksichtigung des Heiligen Geistes als „3. Person“ der Trinität gelegen haben, dass Theodor – und in seinem Gefolge Nestorius – in die Nähe des „moralisch-ethischen“ Verständnisses in der Christologie gerückt wurden61. Für die ostsyrische Kirche war das Konzil von Chalcedon der misslungene Versuch, den Glauben zu erneuern, „denn sie (die Chalcedonenser, Anm. d. Verf.) sind aufgrund ihrer unsinnigen Terminologie vom wahren Glauben abgekommen“62.

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