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Simeon auf der Säule: Nachahmer Christi

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Anziehungskraft ging daher auch von der Begegnung mit christlichen „Heiligen Männern“ wie z.B. dem Säulenheiligen Simeon oder dem Soldatenheiligen Sergius aus, die wie andere durch ihre Wunderheilungen Eindruck auf die Menschen machten102. Simeon, zunächst ein sehr asketisch lebender Mönch in einem Kloster in den Bergen Westsyriens, lebte nach christlicher Überlieferung viele Jahre auf einer Säule. Zu ihm pilgerten Tausende von Menschen, um von ihm berührt, geheilt zu werden, um seine Predigten zu hören. Zahlreiche junge Männer ahmten sein asketisches Leben nach und suchten sich ebenfalls eine Säule, um darauf auszuharren. Im Angesicht der bevorstehenden Endzeit und der Wiederkunft Jesu verstärkten sich diese asketischen Lebensvollzüge. Die Breitenwirkung und das Ansehen dieser „Heiligen Männer“ zu jener Zeit darf im Rahmen des allgemeinen religiös-kulturellen Erbes in dieser Region nicht unterschätzt werden.

In vorchristlicher Zeit war dieser „Heilige-Mann-Kult“ ein Grund dafür, dass ein Stamm, wenn er eine Gottheit ablegte, nicht das Gefühl hatte, etwas Lebensnotwendiges zu verlieren103. Der „Heilige Mann“ war das Ideal eines Heiligen im Großraum Syrien und der arabischen Halbinsel, insbesondere wenn die Herrschaftsverhältnisse (und mit ihnen oft auch die Hauptgottheit) wechselten und die Stämme oder Landstriche einen „guten Patron“ brauchten. Was auch geschah, der „Heilige Mann“ war ja noch da! So war es durchaus möglich, auch seine Gottheit oder seine Gottheiten zu wechseln, so wie wir heutzutage etwa unsere Versicherung wechseln. Insbesondere in einem entbehrungsreichen Nomadenleben auf der arabischen Halbinsel war Religion nicht so sehr an den Glauben an einen Gott (überweltlich) gebunden, sondern bedeutete ethnisch Zugehörigkeit, Kultur und soziale Identität. Religion bestimmte Politik, Wirtschaft und Ethik und war eher gleichbedeutend mit der Zugehörigkeit zu einem Gemeinwesen104.

So konnte es geschehen, dass arabische Stämme das Christentum genau auf diese Weise für sich gebrauchten und unter stärkeren Einfluss christlichen Denkens kamen: Der christliche Glaube wurde angenommen in dem Sinne, dass man Teil des neuen Gemeinwesens wurde, sozusagen eine Zugehörigkeit zu einem neuen Stamm gewann (was später auch für den Islam gelten sollte). Ansprechend dürften dabei gerade die christlichen „Heiligen Männer“ gewirkt haben: Die Macht des christlichen Gottes, wie sie von den zahlreichen „Heiligen Männern“ mit ihren Großtaten demonstriert wurde (wie z.B. durch Simeon, den Säulenheiligen), war überwältigend105.

Im christlichen Kontext hat dieser im Großraum Syrien schon vor dem Christentum verbreitete Kult um die „Heiligen Männer“ einen Wandel durchgemacht und die „Heiligen Männer“ wurden als „imitatio Dei“, als „Nachahmer Gottes“ bzw. „Nachahmer Christi“ verstanden106. Sie verkörperten auf diese Weise die intellektuellen und spirituellen Kräfte des christlichen Glaubens und hatten eine bleibende paradigmatische Funktion. Als „Nachahmer Christi“ fragten sie nach neuen Nachahmern, die wie sie Christi Leben symbolisch repräsentieren sollten mit dem Ziel, sich selbst durch ein asketisches Leben zurückzuführen zu ihrem originalen paradiesischen Status, mit dem sie einst geschaffen worden waren107. Nicht zufällig war für sie die Wüste der Ort, sich auf das Paradies vorzubereiten. Sie fragten dabei nicht: „Was wird geschehen?“ im Sinne eines „Orakels“, sondern vielmehr „Was soll getan werden?“108. Diese Heiligen und die Mönche waren für die Weitergabe und Verbreitung des Christentums im syrischen Raum und auf der arabischen Halbinsel von daher sehr bedeutsam. Ihr asketischer Lebensstil und ihre anschauliche Nachfolge in der Abgrenzung „zur Welt und Ihren Versuchungen“ genossen großes Ansehen. Diese ethisch-individuelle Seite, das Heil zu suchen und zu erreichen, sollte in späterer Zeit unter einer apokalyptischen Deutung der Ereignisse noch eine wichtige Bedeutung erlangen.

Religion fällt nicht vom Himmel

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