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1.5 Blickrichtung Inklusion – Aktuelle politische und rechtliche Entwicklungen

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Inklusion als Menschenrecht anzuerkennen und die vollumfängliche Partizipation und Gleichstellung von Menschen mit Behinderung in allen Lebens- und Gesellschaftsbereichen umzusetzen, ist erklärtes Ziel der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, die von Deutschland 2009 ratifiziert wurde. In diesem Zusammenhang stehen Entwicklungen und Maßnahmen, die dieses Recht politisch und rechtlich absichern sollen. Alle Unterzeichnerstaaten der UN-BRK verpflichten sich zur Einrichtung einer unabhängigen Monitoring-Stelle, die die »Einhaltung der Rechte von Menschen mit Behinderungen fördert« (Deutsches Institut für Menschenrechte, o. S.), konkrete Umsetzungsmaßnahmen mit Blick auf die Ziele der UN-BRK prüft und dazu regelmäßig Berichte verfasst. In Deutschland ist die Monitoring-Stelle am Deutschen Institut für Menschenrechte verortet und hat neben der Überwachung der Umsetzung der UN-BRK auch eine beratende Funktion für Politikerinnen* auf Bundes- und Länderebene und für Mitarbeitende in Ministerien, Behörden und Gerichten. Einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen verschaffen sich die sechs Mitarbeiterinnen* der Monitoring-Stelle durch »wissenschaftliche Studien, regelmäßige Treffen mit Behindertenverbänden und Menschen mit Behinderung, Besuchen in Betreuungseinrichtungen oder Anhörungen von Expertinnen und Experten« (Deutsches Institut für Menschenrechte, o. S.). Über ihre Erkenntnisse berichtet die Monitoring-Stelle dem UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung, der als internationaler Fachausschuss die Umsetzung der UN-BRK überprüft. Rechtliche Verbindlichkeit hat die UN-BRK nur bedingt. So drohen den Unterzeichnerstaaten keine Konsequenzen, sollten sie nicht angemessen im Sinne der UN-BRK handeln und Recht schaffen – es sei denn, es liegen Verstöße gegen andere geltende internationale und/oder nationale Rechte vor. Ein einklagbares Recht der Bürgerinnen* besteht dadurch auch in Deutschland nur da, wo die Rechtsverletzung auch ein anderes geltendes Recht, wie beispielsweise das im Grundgesetz und in der UN-BRK verankerte Diskriminierungsverbot, betrifft. Das heißt, dass die Verankerung der UN-BRK im deutschen Rechtssystem durch unbestimmte Rechtsbegriffe gekennzeichnet ist, wodurch sich große Beurteilungsspielräume auftun und Ermessensentscheidungen möglich werden, die einer konsequenten Umsetzung der UN-BRK im Weg stehen (vgl. Aichele 2010).

Ein in Deutschland sehr umkämpftes und stark polarisierendes Recht, das im Artikel 24 der UN-BRK verankert ist, betrifft die inklusive Schulbildung. Die Monitoring-Stelle spricht für Deutschland von einer nicht nachvollziehbaren Abweichung von den international anerkannten Interpretationsstandards und dem Verkennen zentraler Inhalte, was sich insbesondere auch in der deutschen Übersetzung von ›Inclusion‹ zu ›Integration‹ widerspiegelt (vgl. ebd.). Aufgrund des föderalistischen Schulsystems und der (rechtlichen) Unbestimmtheit zentraler Begriffe und ihrer Bedeutung ist der Stand der Umsetzung inklusiver Bildung bundeslandspezifisch sehr unterschiedlich und erweist sich als stark abhängig von politischen Programmen und den jeweiligen Entscheidungsträgerinnen*. So wurde in einer von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie im Jahr 2017 herausgearbeitet, dass die gesetzlichen Vorgaben und Rahmenrichtlinien zu sonderpädagogischen Diagnostiken, Zuordnungsprinzipien und Datenerfassung abhängig vom Bundesland stark variieren. Daher ist in der Beurteilung der Umsetzung schulischer Inklusion in den einzelnen Bundesländern eine rein statistische Betrachtung anhand sogenannter ›Inklusionsquoten‹ bzw. ›Exklusionsquoten‹ nicht zielführend. Zudem sagen die Statistiken nichts über die Qualität der inklusiv gestalteten Schulpraxis aus (vgl. Lange 2017, 10 f.)34. Vielmehr erweist es sich als lohnenswert, andere statistisch ablesbare Entwicklungen in den Blick zu nehmen, die Hinweise auf politische Programmatiken und Entwicklungen geben. Beispielsweise variiert der Anteil an Schülerinnen* mit zugewiesenem sonderpädagogischen Förderbedarf in den einzelnen Bundesländern stark; von nahezu 11 % (Mecklenburg-Vorpommern) bis 5,7 % (Hessen): »Diese Differenzen zeigen, dass die Klassifizierung und Exklusion eines Kindes als ›sonderpädagogisch förderbedürftig‹ – mit allen Folgen für die weitere Lebensperspektive des Kindes - wenig eindeutig ist« (vgl. Lange 2017, 15). Ebenso auffällig ist der zunehmend hohe Anteil an Schülerinnen* mit der Diagnose geistige Behinderung ( Kap. III, 2.1) sowie der quantitativ nachweisbare Zustand, dass Schülerinnen* ohne deutsche Staatsangehörigkeit, zum Beispiel Schülerinnen* mit Flucht- und/oder Migrationshintergrund, in vielen Bundesländern an Förderschulen überrepräsentiert« sind (Lange 2017, 15). Insgesamt lässt sich kritisch bilanzieren, dass Inklusion auf politischer Ebene im Allgemeinen, wie im Bereich der Bildungspolitik im Besonderen populistisch betrieben wird (Jantzen 2012c) und Ausgrenzungen im gesellschaftlichen (Schul)Alltag allgegenwärtig sind (ebd.).

Auch wenn, wie in den Veröffentlichungen zur jährlich stattfindenden Integrations- und Inklusionsforscherinnen*tagung (1996 bis heute) deutlich wird, schulische Inklusion eines der zentralen Themenfelder ist, reichen die Forderungen der UN-BRK jedoch weit darüber hinaus. »Full and effective Participation« (UN-BRK, Artikel 1) wird für alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche gefordert, und in Deutschland soll das seit 2018 schrittweise eingeführte Bundesteilhabegesetz (BTHG) dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Mit Maßnahmen zur Verbesserung der Einkommens- und Vermögensheranziehung oder durch die Herauslösung der Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe und die Stärkung der Personenzentrierung soll die »volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft« (§ 1 BTHG) gefördert werden. Doch viele Selbstvertretungsorganisationen und Einzelpersonen üben Kritik an den Neuregelungen durch das BTHG und stellen in Frage, dass das Gesetz tatsächlich dazu beiträgt, Selbstbestimmung und Teilhabe zu stärken (vgl. Deubner 2017). Viele der Änderungen und Verbesserungen, die die finanzielle Situation der betroffenen Personen stärken sollen, seien vor allem für die Menschen mit Behinderung vorteilig, die Erwerbseinkommen haben und unabhängig von Sozialleistungen sind. Im Falle einer Hilfe zur Pflege und/oder eines Bedarfs an anderen Sozialleistungen, die weiterhin durch das sogenannte Sozialhilfegesetz geregelt werden und damit den entsprechenden Regularien unterliegen, profitieren die Betroffenen kaum. Zudem gibt es in entscheidenden Punkten, wie der freien Wahl des Wohnortes, wenig rechtliche Verbindlichkeit, und es liegt im Ermessen der jeweiligen Bearbeiterin*, ob beispielsweise der Wunsch nach einer eigenen Wohnung und einer dafür notwendigen Assistenz realisiert werden kann. Diese Entscheidung wird mitbestimmt durch die Möglichkeit des ›Poolens‹ von Leistungen, das durch das BTHG rechtlich ermöglicht wird. Poolen bedeutet, dass sich mehrere Leistungsberechtigte eine Leistung teilen. So ist bspw. das Poolen von Leistungen in stationären und teilstationären Einrichtungen besser möglich als in ambulanten Wohnformen. Das Poolen von Leistungen ist zwar nur bei Zumutbarkeit gestattet, aber »durch die Zumutbarkeitsprüfung entsteht […] für die leistungsberechtigte Person ein Rechtfertigungsdruck, weswegen wir auch von Zwangspoolen sprechen« (Umsetzungsbegleitung Bundesteilhabegesetz, o. S.). Mit Blick auf die umfänglichen Kritikpunkte am BTHG stellt sich die Frage, in welchem Rahmen Menschen mit Behinderungserfahrungen bzw. entsprechende Selbstvertretungsorganisationen in die Erarbeitung der gesetzlichen Grundlagen einbezogen wurden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales drückt sich hier eher vage aus und schreibt dazu: Der Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen »wird [als; d. A.] Gremium regelmäßig genutzt, um aus Sicht des Bundes und der Länder über den aktuellen Stand der Umsetzung des BTHG zu informieren. Anschließend ist eine Gelegenheit zu einer Aussprache vorgesehen. […] Dazu werden jeweils vor und nach den LBAG35-Sitzungen Gespräche mit dem DBR36 und dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen mit dem Ziel geführt, die Anliegen der Menschen mit Behinderungen angemessen zu berücksichtigen« (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, o. S.).

Pädagogik bei zugeschriebener geistiger Behinderung

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