Читать книгу Pädagogik bei zugeschriebener geistiger Behinderung - Anne Goldbach - Страница 34
Weiterentwicklungen im Bereich der Reproduktionsmedizin
ОглавлениеEin heute schon sehr etabliertes und weniger kritisch hinterfragtes Verfahren der Reproduktionsmedizin ist die In-vitro-Fertilisation (IVF) als eine Form der künstlichen Befruchtung, die erstmals 1978 erfolgreich durchgeführt wurde. Bei allen möglichen Schwierigkeiten der IVF (vgl. Dellbrügger & Denger 2005) hat sie zum Ziel, es Paaren zu ermöglichen, ein leibliches Kind zu bekommen, oder Frauen die Möglichkeit zu eröffnen, ein eigenes Kind auch selbst auszutragen. Die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik (PND) also zur vorgeburtlichen Diagnostik haben sich seit den 1930er Jahren stetig weiterentwickelt. Heute gängige Verfahren können in invasive und nicht-invasive Verfahren unterschieden werden. Zu den nicht-invasiven Möglichkeiten der PND zählen u. a. die unterschiedlichen Ultraschallvarianten, die Nackentransparenzmessung, die Fetometrie, aber auch Messungen von Hormonkonzentrationen im mütterlichen Blut (z. B. Triple-Test) oder der Präna-Test, der fetale Zellen aus dem Blut der Mutter extrahiert und analysiert. All diese Verfahren greifen nicht in den Körper ein und haben das Ziel, Abweichungen von der normalen Entwicklung des Fetus/Embryos aufzuspüren.
Für die werdende Mutter bestehe so die Möglichkeit, Ängste in der Schwangerschaft abzubauen und so dem werdenden Leben eine bessere erste Entwicklungsphase zu gewährleisten. Zum Anderen sei es der werdenden Mutter dadurch möglich, sich gedanklich auf eine eventuelle Beeinträchtigung ihres Kindes einzustellen (vgl. Goldbach 2014).
Dass jedoch der zweite Fall relativ selten eintritt, weil Eltern sich nach festgestellter Beeinträchtigung zumeist gegen das werdende Kind entscheiden (vgl. Graumann 2010), macht ein Problem der PND deutlich: Für eine Vielzahl an pränatal gestellten Diagnosen steht bisher keine Therapie in Aussicht, sodass werdenden Eltern allein die Abtreibung als mögliche ›Therapie‹ zur Verfügung steht (vgl. Krones 2014). Berücksichtigt man dabei außerdem die trotz allem bestehen bleibenden Fehlerraten, die je nach genutztem Verfahren unterschiedlich hoch ausfallen (vgl. Krampl-Bettelheim 2014), muss die Praxis der PND auch aufgrund dessen kritisch hinterfragt bleiben. Spätestens zur Überprüfung eines möglichen Fehlers im nicht-invasiven Verfahren bedarf es dann des Einsatzes einer invasiven Diagnosemethode. Diese können bspw. Chorionzottenbiopsie oder Amniozentese sein, welche jedoch mit einer Fehlgeburtsrate von bis zu 1 % ein deutliches Risiko darstellen (vgl. Krones 2014). Ein weiteres Verfahren in der vorgeburtlichen Diagnostik ist die Präimplantationsdiagnostik, welche die in-vitro befruchtete Eizelle nach ihrer Verschmelzung noch vor der Einpflanzung in die Gebärmutter auf genetische Besonderheiten hin untersucht. Damit wird es möglich, nur jene befruchteten Eizellen in den Körper der Frau zu injizieren, welche keine genetischen Auffälligkeiten zeigen. Nachdem die PID in Deutschland lange Zeit aufgrund des Embryonenschutzgesetz (EschGe) verboten war, wurde 2011 nach immer stärker werdendem Druck aus der Humangenetik und Bundesärztekammer das Präimplantationsdiagnostikgesetz (PräimpG) vom Deutschen Bundestag beschlossen (vgl. Kress 2012). Demnach ist die PID für zukünftige Eltern vorgesehen, die selbst erblich vorbelastet sind und bei denen zu erwarten ist, dass aus diesen genetischen Abweichungen Fehlgeburten oder schwere Erbkrankheiten und Tod für das Kind resultieren können44. Somit kann für Paare, die ohnehin das Risiko auf einen vererbbaren Gendefekt in sich tragen, eine ›Schwangerschaft auf Probe‹ verhindert werden (vgl. Klinkhammer & Richter-Kuhlmann 2011). Die Praxis der PID ist jedoch auf einzelne PID-Zentren in Deutschland beschränkt und wird als Einzelfallentscheidung durchgeführt. Dies bedeutet, dass für jede PID eine ethische Begutachtung erforderlich ist45.