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2.1 Ethisch-normative Reflexionsnotwendigkeit

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Die Notwendigkeit, die Pädagogik von Menschen mit zugeschriebener geistiger Behinderung in einen ethisch-normativen Diskurs einzubetten, kann sowohl historisch als auch zukunftsgewandt begründet werden.

In der Geschichte und Gegenwart einer Pädagogik bei zugeschriebener geistiger Behinderung sind immer wieder vielfältige Exklusionstendenzen zu erkennen ( Kap. I, 1). Damit wird gleichzeitig deutlich, dass auch die Pädagogik für Menschen mit Behinderung immer selbst in den gesellschaftlich normativen Horizont ihrer Zeit eingebettet bleibt (vgl. Dederich & Schnell 2009). Dieses gesellschaftliche Zusammenspiel zwischen der Entwicklung von gesellschaftlichen Behinderungs- und Normalitätsvorstellungen auf der einen Seite und einer durch eugenische Ideale geprägte humangenetische Beratungspraxis auf der anderen Seite wird von Schenk (2016) sehr gut konturiert. Sie zeigt dezidiert auf, wie eine stark normative Beratungspraxis die Exklusion von Menschen noch weit nach dem Zweiten Weltkrieg beförderte, indem Eltern dringend eine Heimunterbringung für ihre Kinder empfohlen wurde (vgl. Schenk 2016). Auch Dederich und Jantzen verweisen darauf, dass Heilpädagogik selbst auch nach dem Zweiten Weltkrieg einen entscheidenden Beitrag zur Exklusion von Menschen mit Behinderung leistet, indem neue Sonderinstitutionen geschaffen werden. »Die Heilpädagogik gibt sich demzufolge eine ethische Grundlage, indem sie sich einer sonst vernachlässigten gesellschaftlichen Gruppe zuwendet« (Dederich & Jantzen 2009, 65). Gerade deshalb ist es unbedingt notwendig, pädagogisches Handeln und die Entwicklungen der Pädagogik für Menschen mit zugeschriebener Behinderung nicht losgelöst von gesellschaftlichen Entwicklungslinien vor einem allgemein ethischen Hintergrund zu reflektieren.

Dass diese ethisch-kritische Reflexion gesellschaftlicher Entwicklungen sich nicht auf historische Ereignisse begrenzt, wird angesichts des technischen Fortschritts und neuer ›Machbarkeitseuphorien‹ vor allem im Kontext der Bioethik deutlich. Die mit dieser Entwicklung verbundenen neuen Exklusionstendenzen machen eine ethisch-normative Reflexion besonders dringend notwendig. (vgl. Dederich 2000). Vor allem in diesem Bereich ist eine ethische Auseinandersetzung aus Sicht der Pädagogik für Menschen mit zugeschriebener Behinderung besonders wichtig, weil diese Diskussion andernfalls jenen Disziplinen überlassen wird, die auf andere Wertvorstellungen zurückgreifen (vgl. ebd.).

Auch im Kontext von (schulischer) Bildung und gleichberechtigter Teilhabe für Menschen, die wir geistig behindert nennen, können und müssen ethische Argumentationslinien in Entscheidungsfindungen und Handlungsweisen einfließen. Denn auch in diesem Bereich geht es immer wieder darum, Exklusionstendenzen zu begegnen, sie zu begründen oder abzulehnen, über Fragen der Gerechtigkeit, Macht, Abhängigkeit, Fremdheit, Achtsamkeit, Fürsorge (vgl. Conradi 2001) und Würde nachzudenken, eigene Standpunkte und Haltungen zu entwickeln, um so das eigene pädagogische Handeln ethisch verantwortungsvoll zu begründen, weil unterrichtliches, erzieherisches Handeln stets reflektierte Handlung heißt (vgl. Standop 2017). Demzufolge wirft das Recht auf erzieherisches Handeln nicht nur pädagogische, sondern an erster Stelle auch ethische Fragen auf (vgl. ebd.).

Ethik muss pädagogisches Handeln legitimieren, weil dieses stets in asymmetrischen Kontexten stattfindet, mit denen in verantwortungsvoller Art und Weise umgegangen werden muss.

Dies bedeutet in einem ersten Schritt, diese asymmetrischen Verhältnisse wahrzunehmen, um anschließend möglichen ungewollten Machtprozessen entgegenzuwirken (vgl. Dederich & Jantzen 2009). Pädagogik muss sich deshalb gegenüber den Menschen, die als behindert bezeichnet werden, im Hinblick auf die advokatorische Ethik, Selbstbestimmung und Empowerment legitimieren – gleichzeitig aber auch gegenüber sich selbst, um das eigene Handeln zu legitimieren und ebenso gegenüber der Gesellschaft im Hinblick auf die Sicherung von Ressourcen und Rechten (vgl. Dederich & Schnell 2009). Pädagogik ist immer ein zwischenmenschlicher Prozess, der aufgrund dieser Bezogenheit Vertrauen, Verantwortung, Anerkennung und Reflexion erfordert. Um in diesen Beziehungen verantwortungsvoll zu agieren, ist es für Pädagoginnen* von großer Bedeutung, reflexiv zu handeln (vgl. Trescher 2018a) und beispielsweise verschiedene Menschenbildannahmen zu durchdringen. In einer solchen Auseinandersetzung kann ein eigener Standpunkt entwickelt werden, der dann als als Grundlage dient, um reflektiert und ethisch verantwortungsvoll pädagogisch zu handeln (vgl. Standop 2017).

Pädagogik bei zugeschriebener geistiger Behinderung

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