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Menschenbildvorstellungen in der Wirtschaft
ОглавлениеDie Überschneidungen zwischen einem beschriebenen medizinischen Menschenbild und den Menschenbildvorstellungen der Wirtschaft scheinen auf der Hand zu liegen, denn in der medizintechnischen Optimierung des Menschen kann gleichfalls eine Ökonomisierungstendenz gesehen werden, und ebenso wie Menschenbildvorstellungen aus der Medizin haben auch jene aus der Wirtschaft eine große gesellschaftliche Deutungsmacht (vgl. Goldbach 2014). Das führt dazu, dass sich die Forderungen der Wirtschaft an den Menschen und ihre Vorstellungen davon, wie der Mensch sein soll, permanent aufdrängen. Dass die Wertigkeit eines Menschen aber mit seiner Nützlichkeit für die Gesellschaft und dem Nutzen für die Ökonomie in Verbindung gebracht wird, hat eine lange Tradition. Schon in der Antike empfanden es Philosophen als Vorteil, die Gesellschaft von kranken und gebrechlichen Menschen zu befreien (vgl. Piegsda & Link 2019). Als wegweisend für das Menschenbild in der Ökonomie können Hume und Smith genannt werden, die mit ihrer Schrift »Der Wohlstand der Nationen« von 1776 das Menschenbild des homo oeconomicus zum allgemeinen Leitbild der Wirtschaftswissenschaften machten (vgl. Wiesmeth 2012). Diesen Vorstellungen über den Menschen folgend, ist der Mensch ein ausschließlicher Nutzenmaximierer, der unabhängig von Gefühlen, allein entsprechend seines Vorteils und in objektiver Abwägung aller Angebote handelt39.
Auch wenn man sich heute in den Wirtschaftswissenschaften einig ist, dass der homo oeconomicus nicht ausreicht, um den Menschen und sein Handeln zu beschreiben, weil er die Eingebundenheit des Menschen in Kultur und Geschichte, in ein soziales Gefüge und in Emotionen nicht berücksichtigt (vgl. Suchanek & Kescher 2006; Sell 2008; Weede 2003), wird der homo oeconomicus noch immer nicht als Berechnungsgrundlage in Frage gestellt und ist noch immer Bestandteil des wirtschaftswissenschaftlichen Studiums.
Requate (2012) stellt in seinem Beitrag alternative Menschenbilder in den Wirtschaftswissenschaften vor. So beispielsweise den homo reziprokans, welcher sehr gut veranschaulicht, wie stark Emotionen das menschliche Handeln beeinflussen. Trotz dieser Weiterentwicklungen bleibt schlussendlich mit Volkmann (2003) festzuhalten, dass den ökonomischen Menschenbildvorstellungen eine Armut humanistischer Werte bescheinigt werden muss. Diese Ferne zu humanistischen Wertvorstellungen liegt jedoch zwangsläufig darin begründet, dass oberstes Primat der Ökonomie die Maximierung des (eigenen) Gewinns ist.