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a) Konkretisierung über die Ziele von Criminal Compliance

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Konkretisiert man den Begriff der Criminal Compliance über ihr Ziel, so lässt sich zwischen den Zielen des betreffenden Unternehmens einerseits und denjenigen des Staates andererseits unterscheiden. Ziel des Unternehmens ist dabei zunächst, präventiv eine Strafbarkeit von Unternehmensmitarbeitern – oder ggfs. des Unternehmens selbst – zu vermeiden.[71] Dieses Ziel kann auch über die Formulierung rechtlich unmittelbar unverbindlicher ethischer Verhaltensanweisungen verfolgt werden.[72] Die Reichweite des Begriffs der Criminal Compliance erstreckt sich jedoch auch auf die Phase nach der Straftatbegehung.[73] Von manchen wird dieser repressive Aspekt im Rahmen von Criminal Compliance gar für entscheidend gehalten.[74] Auch in Deutschland finden die Compliance-Bestrebungen der Unternehmen – auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten – zunehmend auch erst nach der Begehung einer Straftat im sich anschließenden Verfahren Berücksichtigung. Dies kann bei der Bemessung der Sanktion selbst (wie im Siemens- und Ferrostaal-Verfahren, s. Rn. 31), im Rückschlussverfahren bei der Beurteilung der Strafbemessungsfaktoren nach § 46 Abs. 2 StGB[75] oder auch im Rahmen der Berücksichtigung des Nachtatverhaltens „des Unternehmens“[76] erfolgen[77] (vgl. Rn. 43). Um Reputationsverluste zu verhindern, kann es für das Unternehmen freilich ebenso existenziell wichtig sein, bereits vor – auch ungerechtfertigten – Strafverfahren geschützt zu werden.[78] Ziel von Criminal Compliance ist dann aber auch bereits die Verhinderung des Anscheins strafrechtswidrigen Verhaltens.[79] Criminal Compliance muss aus der Perspektive des Unternehmens also darauf gerichtet sein, schon den Verdacht der Straftatbegehung nicht entstehen zu lassen.[80] Das ist freilich alles andere als unproblematisch, weil das Verhalten des Unternehmens bzw. seiner Mitarbeiter sich dann nicht mehr an der tatsächlichen (antizipierten) Rechtmäßigkeit, sondern vielmehr an dem (befürchteten) Rechtsschein auszurichten hat. Das birgt die nicht zu unterschätzende Gefahr, dass letztlich dem bloßen Anschein der Strafbarkeit auch lediglich mit dem Anschein von Compliance begegnet wird.[81] Auch auf Seiten des Staates besteht freilich ein originäres Interesse an Criminal Compliance. Ziel des monetär, personell und zeitlich defizitär ausgestatteten Staates ist insbesondere die Delegation originär hoheitlicher Aufgaben an finanzkräftige und besser qualifizierte Private. Die Abgabe wesentlicher Teile des staatlichen Ermittlungsverfahrens an Private birgt freilich die Gefahr der Aushöhlung bzw. Nichtanerkennung strafprozessual verbriefter Beschuldigtenrechte.[82] Insoweit spiegelt Criminal Compliance auch eine zunehmende Verschmelzung der unterschiedlichen Teilrechtsgebiete, nämlich gleichermaßen die Durchwucherung des Strafrechts mit zivilrechtlichen Konsensualprinzipien wie die im Öffentlichen Recht schon länger diskutierte und nun auch in das Strafrecht einsickernde allgemeine Entwicklung von der Etatisierung zur Privatisierung wider (s. noch unten Rn. 49).

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

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