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1. Vom Nutzen und Nachteil der Criminal Compliance

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Berücksichtigt man zunächst die Ziele, die ein Unternehmen mit Criminal Compliance verfolgt (Rn. 35), so wird man einräumen müssen, dass kriminalitätsbezogene Compliance unter dem Gesichtspunkt der Reputationsmaximierung (Rn. 38) – und damit im ökonomischen Sinne – sich für das Unternehmen auszahlt.[148] Das Ziel der repressiven Verantwortlichkeitsvermeidung (s.o. Rn. 35), wird als Aspekt der Criminal Compliance in Zukunft sicher stark an Bedeutung gewinnen. Dann sind hiermit ganz grundlegende Fragen nach dem Verständnis des Verhältnisses von Staat und Bürger verknüpft (vgl. noch unten Rn. 49). Primär strafrechtstheoretische und kriminologische Fragen stellen sich bei der Beurteilung der Steuerungsfähigkeit[149] von Compliance und Strafrecht.[150] Insbesondere unter kriminologischem Blickwinkel existiert hier noch immenser Forschungsbedarf.[151] Berücksichtigt man die Ziele, die der Staat im Rahmen von Criminal Compliance verfolgt (s.o. Rn. 35), so scheint Criminal Compliance insoweit eher eine den Realitäten geschuldete Notwendigkeit darzustellen. Wenn der Staat originär (?) hoheitliche Aufgaben auf Private überträgt, so führt dies freilich zu Vor- und Nachteilen auf allen Seiten. Vorteile für den Staat bestehen zunächst deshalb, weil nur mit der Übertragung staatlicher Befugnisse auf die betreffenden Wirtschaftsunternehmen die Funktionsfähigkeit des Strafjustizsystems überhaupt gewährleistet werden kann. Auch im Hinblick auf die Einhaltung der Anforderungen rechtlicher Standards ist der Staat weniger eingeschränkt (vgl. bereits Rn. 35). Die Nachteile liegen auf der Hand: Zum einen gibt der Staat letztlich sein Strafverfolgungsmonopol aus der Hand. Zum anderen droht – für die beteiligten Unternehmen, aber auch für das traditionelle Strafrechtsmodell insgesamt – eine Hybridisierung des Verfahrensrechts. Auch die Befürchtung, dass ein Unternehmen etwa im Rahmen interner Untersuchungen nicht mit derselben Disposition ermittelt wie ein staatliches Ermittlungsorgan, lässt sich kaum von der Hand weisen. Davon zu unterscheiden sind die bislang schon gesehenen Gefahren der strafbarkeitskonstituierenden Wirkung der Criminal Compliance.[152] Die unterschiedlichsten Strafbarkeitsrisiken durch Criminal Compliance sind vielfältig und zeichnen sich erst langsam ab.[153] Die weitere wissenschaftliche Diskussion, insbesondere aber die in ihren Reaktionszeiten viel schnellere Praxis werden zeigen müssen, ob Criminal Compliance diesen Lackmustest besteht (siehe auch bereits Rn. 37 a.E. und noch Rn. 83 f.).

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

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