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9. Die Bedeutung von Criminal Compliance für die Auslegung einzelner Straftatbestände

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Noch ganz am Anfang steht die Diskussion um die Bedeutung von Criminal Compliance für die Auslegung einzelner Straftatbestände. Diese Frage ist zu unterscheiden von der allgemeinen und bislang beschriebenen Problematik der Auswirkungen häufig „weich“ formulierter (Wirtschafts-)Straftatbestände auf den Gegenstand der Criminal Compliance (siehe insbes. oben Rn. 36). Hier geht es demgegenüber – umgekehrt – um die Auswirkungen des Phänomens der Criminal Compliance auf das (bisherige) Verständnis einschlägiger Strafnormvoraussetzungen. Es lässt sich nämlich bereits jetzt beobachten, dass unter dem Eindruck der strafrechtlichen Compliance-Diskussion konkrete Compliance-Pflichten zu einer teilweisen Neu- bzw. Mitkonturierung von tatbestandlichen Voraussetzungen bereits existenter oder neu geschaffener Strafnormen führen. Wenig erstaunlich beschäftigen die ersten Beiträge in diesem Sinne sich mit dem Untreuetatbestand gem. § 266 StGB.[177] In ihnen wird nicht zu Unrecht zu größter Zurückhaltung bei der Begründung einer Vermögensbetreuungspflicht durch die Verletzung vermeintlicher Compliance-Pflichten gemahnt.[178] Da es nach hier vertretener Ansicht jedenfalls eine generelle Pflicht zur Durchführung von Compliance-Maßnahmen nicht gibt (Rn. 50), kann sich aus der Nichteinrichtung einer Compliance-Organisation zwar ohne Weiteres auch keine Untreuestrafbarkeit ergeben.[179] Vor dem Hintergrund des auch hier für richtig gehaltenen weiten und mittlerweile herrschenden Verständnisses von Criminal Compliance,[180] kann freilich der Verstoß gegen unternehmensinterne Compliance-Maximen durchaus etwa die Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 266 StGB begründen.[181] Noch einschneidender erscheinen die Auswirkungen der Compliance-Diskussion auf die Korruptionstatbestände. So wird in Anbetracht der Neufassung des § 299 StGB und der damit verbundenen Einführung des sog. Geschäftsherrenmodells bereits davor gewarnt, dass interne Compliance-Regelungen ihrerseits die Grundlage für eine Strafbarkeit von Unternehmensmitarbeitern bilden können (siehe bereits Rn. 37).[182] Sollte es tatsächlich – wie dies befürchtet wird[183] – in der Praxis der Unternehmenswirklichkeit dazu kommen, dass Unternehmen letztlich lieber ganz auf die Verabschiedung unternehmensinterner Compliance-Regeln verzichten, als sich diesem „selbst produzierten“ Strafbarkeitsrisiko[184] auszusetzen, hätte das Phänomen der Criminal Compliance – bzw. genauer gesagt: dessen Übersteigerung – schon den ersten Anstoß zu seiner eigenen Abschaffung gegeben (siehe noch Rn. 84). Davor kann nur gewarnt werden.[185]

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

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