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c) Konkretisierung über die Quellen von Criminal Compliance
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Wenn es bei Criminal Compliance in einem grundsätzlichen Sinne um Regelbefolgung geht (oben Rn. 7), so stellt sich die Frage, welche Qualität diese Regeln haben müssen (vgl. bereits oben Rn. 4, 15). In der Literatur wird zu Recht darauf hingewiesen, dass Compliance-Regeln über die allgemeine Pflicht zur Rechtsbefolgung weit hinausgehen.[102] Regelmäßig handelt es sich bei ihnen um Spezifizierungen allgemeiner Verhaltenspflichten, die damit – etwa durch die Strafrechtsordnung normierte – generelle gesetzliche Anforderungen konkretisieren und damit nicht selten verschärfen.[103] Damit können an Unternehmensmitarbeiter (Mitglieder der Organisation) gerichtete Verhaltensrichtlinien auch ohne oder gar gegen gesetzliche Vorgaben formuliert werden.[104] Eine ganz andere Frage ist es aber, welche Konsequenzen die damit implizierte Differenzierung zwischen „Hard Law“ (primären Rechtsquellen) und „Soft Law“ (sekundären Rechtsquellen) für den Begriff der Criminal Compliance hat.[105] Strafrechtlich können von den gesetzlichen Anforderungen der Primärrechtsordnung abweichende Unternehmensregeln freilich keinerlei unmittelbare Relevanz entfalten.[106] Dies gilt sowohl in dem Fall, in dem durch interne Regelungen eine Absenkung der Anforderungen bewirkt wird, wie auch in der Konstellation, in der die unternehmensinternen Regeln eine Verschärfung der gesetzlichen Vorgaben begründen. Das heißt: Dem Unternehmen ist die Dispositionsmöglichkeit über die strafrechtliche Relevanz eines Verhaltens insgesamt entzogen, weil das Strafrecht alleinige Angelegenheit des Staates ist.[107] Das bedeutet nun freilich nicht, dass unternehmensinterne Verhaltensanweisungen im Rahmen von Criminal Compliance völlig bedeutungslos und damit zu vernachlässigen wären. So wird durchaus nicht zu Unrecht auf die Gefahr hingewiesen, dass die Rechtsprechung von der Verletzung der unternehmensinternen Verhaltensnorm auf eine vorsätzliche Verwirklichung des Straftatbestandes schließen könne.[108] Auch können punitiv formulierten Verhaltensmaßstäben trotz ihrer unternehmensinternen Adressierung langfristig auch unternehmensexterne Belastungseffekte insoweit zukommen, als sie dazu geeignet sind, den Sorgfaltsmaßstab verkehrsgerechten Verhaltens – also die Anforderungen im Rahmen eines Fahrlässigkeitsdelikts – mitzubestimmen.[109] Unternehmensinternen unmittelbar strafrechtlich irrelevanten Regeln können also durchaus unliebsame Rückwirkungen auch auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmensmitarbeiter bzw. – ggf. – auch des Unternehmens zukommen. Diesen Umstand hat ein weitsichtiges normatives Risikomanagement im Rahmen von Criminal Compliance zu berücksichtigen.[110] Diskutiert wird dies in jüngster Zeit nicht zu Unrecht in Anbetracht der Neufassung des § 299 StGB und der damit verbundenen Einführung des sog. Geschäftsherrenmodells. Wird hier der Verstoß gegen gegenüber dem Unternehmen bestehende Pflichten unter Strafe gestellt, stellt sich durchaus die Frage, inwieweit interne Compliance-Regelungen nunmehr die Grundlage für eine Strafbarkeit von Unternehmensmitarbeitern bilden können.[111] Schon wird die Befürchtung geäußert, dass Unternehmen zukünftig auf die Verabschiedung unternehmensinterner Compliance-Regeln verzichten (siehe auch noch Rn. 43, 51).[112]