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c) Whistleblowing[250]

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Auch die Probleme, die aus dem der amerikanischen Unternehmenspraxis entstammenden Whistleblowing[251] resultieren, sind dem Strafrecht schon im Rahmen der allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung durchaus nicht unbekannt. So wird bereits im Bereich der allgemeinen Kriminalität das Eingreifen der Strafverfolgungsorgane in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle[252] durch private Anzeigen angestoßen.[253] Aber auch im Unternehmenskontext erhält die Thematik eines unternehmensgebundenen Hinweisgebersystems als von vielen für unverzichtbar gehaltenes[254] Wesensmerkmal der Criminal Compliance – ähnlich wie bei den unternehmensinternen Ermittlungen (vgl. dazu oben Rn. 57 ff.) – eine eigenständige Qualität (Rn. 64). Denn der Unternehmensmitarbeiter hat, anders als der private Hinweisgeber, als dem Unternehmen angehörender Informant ihn unmittelbar treffende Konsequenzen arbeitsrechtlicher oder gar strafrechtlicher Art zu fürchten (Rn. 65).

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Bei Whistleblowing geht es um die durch Unternehmensangehörige erfolgende unternehmensinterne oder -externe Weitergabe von Informationen über unternehmensbezogene Regelverstöße.[255] Dementsprechend lassen sich internes und externes Whistleblowing unterscheiden.[256] Beim internen Whistleblowing wird die betreffende Information vom Unternehmensmitarbeiter z.B. an seinen Vorgesetzten, die Unternehmensleitung oder eben den Compliance Officer weitergegeben. Beim externen Whistleblowing[257] erfolgt die Weitergabe der Information vom Unternehmensmitarbeiter unmittelbar – also ohne vorherige unternehmensinterne Abklärung – an die Strafverfolgungs- oder die betreffenden Aufsichtsbehörden.[258] Grundsätzlich beklagt wird allenthalben der mangelhafte Schutz von Whistleblowern, der ihrer von den Unternehmen anerkannten Notwendigkeit nicht entspreche.[259] Tatsächlich lässt sich nicht bestreiten, dass zwischen der zumindest theoretischen Bedeutung von Whistleblowern bei der Korruptionsbekämpfung – an privaten Anzeigen fehlt es im Bereich der „opferlosen Heimlichkeitsdelikte“[260] fast völlig[261] – und ihrer rechtlichen Absicherung – noch[262] – eine tiefe Kluft herrscht. Während in den USA[263] und Großbritannien[264], aber auch seitens der EU-Kommission[265], zumindest Versuche zur Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen unternommen worden sind, herrscht in Deutschland im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Sanktionen nach einer erstatteten Strafanzeige gegen andere Unternehmensangehörige[266] aufgrund einer mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts[267] jedenfalls nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts[268] größte Unsicherheit (s. noch Rn. 65). Auch die jüngste Rechtsprechung des EGMR[269] reicht nicht aus, um insoweit eine stabile Rechtslage herbeizuführen.

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Auch wenn internes Whistleblowing arbeits- oder gar strafrechtliche Sanktionen nicht zu rechtfertigen vermag,[270] sind die praktischen Probleme eines häufig als Denunziantentum aufgefassten Hinweisgebersystems[271] offensichtlich. Bei externem Whistleblowing gerät der Hinweisgeber schnell in den Dunstkreis arbeitsrechtlicher oder gar nebenstrafrechtlicher Sanktionsrisiken. So bleibt nach der Rechtsprechung des BAG (s. bereits Rn. 64) eine Kündigung auch bei wahrheitsgemäßen Anzeigen möglich.[272] In Betracht kommt sogar eine Strafbarkeit des Whistleblowers.[273] Inwieweit hier eine mögliche Rechtfertigung gem. § 34 StGB eingreift, ist noch nicht abschließend geklärt.[274] Derzeit befindet sich in Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/943[275] ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung[276] im Gesetzgebungsverfahren. Mit ihm sollen insbesondere mit dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGesG)[277] auch Whistleblower besser geschützt werden. Nach dem Gesetzesentwurf kann die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses durch Whistleblowing gerechtfertigt sein, wenn dies zum Schutz eines berechtigten Interesses erfolgt. Ein solches berechtigtes Interesse soll insbesondere u.a. dann vorliegen, wenn der Betreffende zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens handelt. Dabei muss die das Geschäftsgeheimnis erlangende, nutzende oder offenlegende Person in der Absicht handeln, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen.[278]

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Die Diskussion um Whistleblowing als Mittel der Criminal Compliance wird naturgemäß nicht immer rational geführt. Auch wenn in diesem Querschnittsbereich von Kriminalpolitik, Dogmatik und Lobbyismus moralische und rechtliche Fragen aufscheinen, die von einer Klärung weit entfernt sind, lässt Whistleblowing sich als letztlich konsequente Ausprägung des im Bereich der allgemeinen Kriminalität allenthalben für notwendig und selbstverständlich gehaltenen privaten Anzeigeverhaltens nicht ohne Weiteres und in Bausch und Bogen verdammen.[279]

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