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(1) Generalverantwortung und Allzuständigkeit – BGHSt 37, 106 („Lederspray“)

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Das erste Modell zeichnet sich dadurch aus, dass insbesondere im Unternehmenskontext die gesellschaftsrechtliche Pflichtenstellung des präsumtiven Täters in das Strafrecht übertragen wird. Danach ist dann nicht mehr die traditionell für erforderlich gehaltene faktische Beherrschung eines Geschehensablaufs, sondern nur noch und bereits die (außerstraf-)rechtliche Zuständigkeit ausschlaggebend. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit wird dabei über einen normativen Abgleich mit der zivilrechtlichen Haftung zugeschrieben. Auf diese Weise ist der BGH insbesondere in der bekannten „Lederspray“-Entscheidung (BGHSt 37, 106) vorgegangen, wo er den Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit jedenfalls für Krisensituationen, in denen „das Unternehmen als Ganzes betroffen“ ist,[281] in das Strafrecht überträgt.[282] Nicht zuletzt aufgrund dieser recht unbekümmerten Gleichschaltung von zivil- und strafrechtlicher Verantwortlichkeit hat der BGH vielfältige Kritik erfahren.[283] Nicht zu Unrecht hat man in der Perspektivenänderung von der traditionellen bottom up- zur modernen top down-Zurechnung einen Paradigmenwechsel erblickt, der überkommene strafrechtliche Zurechnungskategorien ohne grundlegende dogmatische Fundierung auf den Kopf stellt.[284] Obwohl insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht in einigen Bereichen eine deutliche Abkehr von einer zivilistischen und eine Hinwendung zu einer eher faktischen („wirtschaftlichen“) Auslegung zu beobachten ist,[285] stellt die Entscheidung des BGH insoweit auch einen Beleg für eine prägnante und weiter zunehmende Normativierung der Beteiligungsdogmatik – auch und gerade im Wirtschaftsstrafrecht – dar (vgl. auch insoweit noch Rn. 71).

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

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