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(1) „Personengefahren“

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Unter dem Stichwort der Geschäftsherrenhaftung wird die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn bzw. der Leitungspersonen eines Unternehmens für durch aktives Tun oder Unterlassen begangene betriebsbezogene Straftaten ihrer Arbeitnehmer diskutiert.[301] Während ein Teil der Literatur eine Garantenpflicht des Vorgesetzten unter Hinweis auf das Prinzip der Personenautonomie ablehnt,[302] und eine vermittelnde Ansicht eine Garantenpflicht nur dann bejaht, wenn die in Frage stehenden besonderen Gefahren sich gerade aus der Eigenart des Betriebes ergeben,[303] wurde von der h.M. in der Literatur eine Garantenpflicht des Geschäftsherrn schon bislang grundsätzlich anerkannt.[304] Dem ist zuzustimmen. Der auf die Personenautonomie abhebende Einwand vermag schon grundsätzlich nicht zu überzeugen.[305] So ist bislang noch von niemandem eine tragfähige Begründung des Gedankens der Selbstverantwortung als allgemeines Rechtsprinzip geleistet worden.[306] Dass die Idee der Eigenverantwortlichkeit gleichzeitig bestehende Verantwortlichkeit eines Dritten nicht ausschließt, zeigt schon die Existenz des § 25 Abs. 2 StGB, wo auch das Gesetz von der Möglichkeit nebeneinander bestehender strafrechtlicher Verantwortlichkeit ausgeht. Auf dem Boden der herrschenden Tatherrschaftslehre wird dies ganz besonders deutlich, wenn das täterkonstituierende Element der Tatherrschaft bei der Mittäterschaft im Sinne einer „funktionellen Tatherrschaft“[307] ohne Weiteres auf mehrere Beteiligte verteilt wird, also jedem der Mittäter die Tatherrschaft im Sinne einer Handlungsherrschaft zukommt, ohne dass sich an der jeweiligen Verantwortlichkeit auch nur das Geringste ändert. Und wenn die herrschende Meinung in Deutschland und in weiten Teilen des Auslands eine mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft – also einen vollverantwortlichen Täter hinter einem seinerseits vollverantwortlichen Täter (Rn. 71) – anerkennt, zeigt dies, dass dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit von der überwiegenden Ansicht eine die Verantwortung Dritter beschränkende Wirkung auch dort nicht zugebilligt wird, wo es nicht um eine Verantwortlichkeit neben einem Dritten, sondern für einen Dritten geht.[308]

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Dieser schon bislang herrschenden Ansicht ist nunmehr auch der BGH in zwei aktuellen Entscheidungen beigetreten. Während der 5. Strafsenat des BGH[309] im Fall der „Berliner Stadtreinigungsbetriebe“ eine Geschäftsherrenhaftung zumindest implizit anerkannte,[310] hat der 4. Strafsenat[311] nunmehr in der sog. „Mobbing“-Entscheidung die strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung ausdrücklich anerkannt. In Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung (Rn. 74) bejaht der BGH eine grundsätzliche Garantenpflicht des Betriebsinhabers bzw. der betreffenden Leitungsperson zur Verhinderung von Straftaten nachgeordneter Mitarbeiter[312]. Als strafbarkeitsbegründende Voraussetzung der Garantenpflicht verlangt der Senat dabei – wie die schon bislang herrschende Literatur[313] –, dass diese sich auf „betriebsbezogene“ Straftaten bezieht.[314] Lediglich „bei Gelegenheit“ der Tätigkeit im Betrieb begangene Straftaten sind daher von der Garantenpflicht des Geschäftsherrn nicht erfasst.[315] Die bisherige Diskussion zeigt, dass insoweit schwerlich allgemeingültige Grundsätze aufgestellt werden können.[316] Ähnlich wie in anderen Bereichen erschöpfen die Lösungsansätze sich dementsprechend in der Bildung von Fallgruppen.[317]

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

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