Читать книгу Handbuch Wirtschaftsstrafrecht - Udo Wackernagel, Axel Nordemann, Jurgen Brauer - Страница 165

b) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Compliance-Beauftragten aa) Unterlassungsstrafbarkeit (1) Der Compliance-Beauftragte als „sekundärer Garant“

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Compliance-Beauftragte[329] geraten am ehesten dadurch in den Fokus der Strafverfolgungsorgane, dass sie ihnen obliegenden Pflichten zur Verhinderung von Straftaten Unternehmensangehöriger nicht nachkommen. Dieses Nichtstun ist im hier interessierenden Kontext strafrechtlich in erster Linie im Rahmen der sog. unechten Unterlassungsdelikte relevant,[330] setzt also voraus, dass der Beteiligte eine Garantenpflicht inne hat. Die Frage, ob der Compliance-Beauftragte Garant ist, war bis zu dem aufsehenerregenden Urteil des 5. Strafsenats des BGH (s. bereits Rn. 75) in der strafrechtswissenschaftlichen Literatur nur vereinzelt behandelt und nur zurückhaltend bejaht worden.[331] Mit seiner Entscheidung vom 17.7.2009 hat der BGH in einem vom konkret zu entscheidenden Fall nicht indizierten obiter dictum[332] festgestellt, den Compliance Officer treffe „regelmäßig strafrechtlich eine Garantenpflicht im Sinne des § 13 StGB […], […] im Zusammenhang mit der Tätigkeit [eines] Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern.“ Dies sei „die notwendige Kehrseite [seiner] gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden.“[333] Dementsprechend nimmt auch die mittlerweile herrschende Literatur eine Garantenpflicht des Compliance-Beauftragten an.[334] Überzeugend ist das freilich nicht. Mit der Bejahung der grundsätzlichen Möglichkeit, eine bestehende primäre Garantenpflicht der Mitglieder der Geschäftsleitung (Rn. 74 f.) durch Delegation auf den Compliance-Beauftragten zu übertragen,[335] ist nämlich noch nichts darüber gesagt, ob und inwieweit aus dieser grundsätzlichen Delegationsmöglichkeit im Einzelfall tatsächlich eine die Unterlassungsstrafbarkeit begründende sekundäre Garantenpflicht des Compliance-Beauftragten folgt.[336] Zwar lässt eine etwaige Garantenpflicht des Compliance-Beauftragten sich nicht über das Ausmaß seiner Erfolgsabwendungsmöglichkeiten herleiten,[337] sondern nur über eine – eigenständig zu begründende – besonders herausgehobene Stellung zum betreffenden Rechtsgut begründen.[338] Daran fehlt es aber regelmäßig: So ist heute weithin anerkannt, dass eine strafrechtliche Garantenpflicht zweierlei voraussetzt:[339] Zum einen muss der Betreffende in einer rechtlich fundierten faktischen Nähe zum bedrohten Rechtsgut stehen, zum andern muss der sich daraus ergebenden außerstrafrechtlichen Einstandspflicht strafrechtliche Relevanz zukommen.[340] Für die Mitglieder der Unternehmensführung lässt sich so deren Garantenpflicht zwar durchaus überzeugend begründen.[341] Für den Compliance-Beauftragten gilt das aber in der Regel nicht. Zwar mag er – je nach arbeitsvertraglicher Regelung – in rechtlicher Hinsicht in eine besondere Nähe zu typischerweise bedrohten Rechtsgütern gerückt sein. Je nach Größe des Unternehmens wird aber der Pflichtenkreis des Compliance-Beauftragten häufig auf bestimmte Bereiche begrenzt sein. Ist ein Compliance-Beauftragter etwa für den Bereich Produktion zuständig, kann ihm die Begehung von Straftaten im Vertrieb regelmäßig nicht angelastet werden.[342] Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn ein einziger Compliance-Beauftragter für die Einhaltung strafrechtlich relevanter Pflichten im gesamten Unternehmen zuständig ist, wie dies etwa in kleineren mittelständischen Betrieben häufig der Fall sein wird.

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

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