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2. EMRK als „lebendiges Instrument“

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Bereits sehr früh in der Rechtsprechung hat der EGMR anerkannt, dass – den allgemeinen Interpretationsregeln im Völkerrecht entsprechend (vgl. Art. 31, 32 WVRK) – bei der Auslegung der Konvention das historisch Gewollte nicht im Vordergrund stehen kann, sondern vielmehr eine Auslegung mit Blick auf die sich wandelnden gesellschaftlichen Anschauungen erforderlich ist, da die Konvention andernfalls nicht Schrittmacher im Bereich der Menschenrechte wäre, sondern Gefahr liefe, tradierte Restriktionen zu konservieren. Die Auslegung der EMRK als lebendiges Instrument („living instrument“) ist in allen Bereichen der Konvention prägend. Besonders deutlich ist dies etwa bei der Auslegung des Diskriminierungsverbots, das offen interpretiert und über den Wortlaut hinaus auch auf Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung oder des familienrechtlichen Status angewandt wird. In ähnlicher Weise hat sich auch das, was als „unmenschliche Behandlung“ im Sinne von Art. 3 EMRK angesehen wird, verändert; beispielsweise wird die noch in den 1950er Jahren allgemein akzeptierte Prügelstrafe als Teil der Erziehung mittlerweile als „unmenschliche Behandlung“ und damit als Konventionsverstoß erachtet.

Um zu ermitteln, in welche Richtung die Konvention als „lebendiges Instrument“ fortzuentwickeln ist, greift der Gerichtshof häufig auf rechtsvergleichende Gutachten zurück, um das Bestehen oder Nicht-Bestehen eines „europäischen Konsenses“ festzustellen. Je nachdem wird der den Mitgliedstaaten zu gewährende Ermessensspielraum als weiter oder enger angesehen.

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