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ZUM BEGRIFF UND ZUR ETHIK DES FRIEDENS Ines-Jacqueline Werkner Der gerechte Frieden als neues friedensethisches Leitbild Einleitung

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Frieden gilt als hohes – wenn nicht sogar höchstes – Gut; es gehört zu den tiefsten Wünschen unseres Menschseins. Dennoch ist die Welt von Gewalt und Kriegen durchzogen. Bestanden mit dem Ende des Kalten Krieges zunächst Hoffnungen auf eine Friedensdividende, wurden diese durch die Anschläge vom 11. September 2001, den transnationalen Terrorismus und die Situation in Afghanistan schnell wieder zunichtegemacht. Auch die aktuellen Krisen und Konflikte wie in der Ukraine, der Bürgerkrieg in Syrien oder der Vormarsch des Islamischen Staates fordern die internationale Gemeinschaft heraus: Wie kann man dem Krieg entgegentreten und für Gerechtigkeit sorgen? Ist Frieden überhaupt möglich oder bleibt er eine Utopie?

Mit dem Konzept des gerechten Friedens versuchen christliche Kirchen verschiedener Konfessionen – auf internationaler Ebene insbesondere der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), gleichfalls aber auch andere religiös basierte NGOs sowie der Vatikan –, darauf eine Antwort zu geben. Dabei stehe der gerechte Frieden „für einen fundamentalen Wandel in der ethischen Praxis“ und setze „andere Bewertungsgrundlagen und Handlungskriterien voraus“.1 Ausgehend von Ps 85,11 – „dass Gerechtigkeit und Frieden sich küssen“ – sowie Jes 32, 17 – „der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Ertrag der Gerechtigkeit ewige Stille und Sicherheit“ (vgl. auch Jak 3, 18) werden Frieden und Gerechtigkeit wechselseitig aufeinander bezogen.2 In prägnanter Weise formuliert der katholische Theologe Thomas Hoppe das diesem Terminus zugrunde liegende Verhältnis beider Begriffe: „Wo die Gerechtigkeit verletzt wird, steht auch der Friede auf dem Spiel – wo umgekehrt der Friede verloren wird, herrschen rasch auch Verhältnisse tiefer Ungerechtigkeit.“3

Damit verbunden ist ein Perspektivwechsel: Es gilt nicht mehr das Prinzip des „si vis pacem para bellum“ (wenn du den Frieden willst, rüste dich zum Krieg). An seine Stelle tritt nun die Maxime „si vis pacem para pacem“ (wenn du den Frieden willst, bereite den Frieden vor). So unterscheidet sich der gerechte Frieden auch grundlegend von der Lehre des gerechten Krieges. Das neue Konzept umfasst weitaus mehr als den Schutz vor ungerechtem Einsatz von Gewalt; es schließt soziale Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und Sicherheit für alle Menschen mit ein.4 Im ökumenischen Aufruf zum gerechten Frieden sind vier Bereiche benannt, die die Breite des Konzeptes verdeutlichen: Frieden in der Gemeinschaft, Frieden mit der Erde, Frieden in der Wirtschaft sowie Frieden zwischen den Völkern.5 Dennoch bleibt die Frage nach der Anwendung von Waffengewalt auch für den gerechten Frieden von zentraler Bedeutung. So erweist sich militärisches Handeln als per se problematisch, „ist [es] durch das, was unter Menschen nicht sein soll, bestimmt: Gewalt“.6 Verlangt ist eine ethische Erwägungskompetenz, die angesichts der humanitär begründeten militärischen Interventionen und der Forderung nach einer Responsibility to Protect (R2P) eine ganz neue Brisanz gewinnt und die Friedensethik mehr denn je herausfordert.

An diese Problematik anknüpfend widmet sich der Beitrag den aktuellen friedensethischen Kontroversen um die internationale Schutzverantwortung im Lichte des gerechten Friedens: Wie wird die Responsibility to Protect im Rahmen des neuen friedensethischen Leitbildes reflektiert? Kann sie als Anhaltspunkt für eine Ethik des gerechten Friedens dienen oder ist eher zu konstatieren: „Menschen geschützt – gerechten Frieden verloren“7? Einleitend skizziert der Beitrag – auf den Ökumenischen Rat der Kirchen8 fokussierend – die Stationen auf dem Weg zum gerechten Frieden. In einem zweiten Schritt reflektiert er das für das Konzept zentrale Verhältnis von Frieden und Gerechtigkeit, um vor diesem Hintergrund die ökumenische Debatte um den gerechten Frieden in seiner Spannung zwischen Gewaltverbot und Anwendung militärischer Gewalt zum Schutz bedrohter Menschen in den Blick zu nehmen. In diesem Kontext kommt dann auch dem ökumenischen Vorschlag eines Just Policing eine besondere Bedeutung zu.

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