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Clemens Sedmak „Eine neue Art in der Welt zu leben.“ Zur Einleitung
ОглавлениеImmanuel Kant hat in seiner Schrift Zum ewigen Frieden daran erinnert, dass jeder wirkliche Friede den Verzicht auf alle möglichen zukünftigen Kriegsgründe voraussetzt. Das war eine Lektion, die durch die Bedingungen der Beendigung des Ersten Weltkriegs bitter gelernt werden musste. Voraussetzung für Frieden ist nach Kant die nationalstaatliche Souveränität – das ist eine These, die die Europäische Union seit der frühen Nachkriegszeit zurückzuweisen sucht; Kants Position allerdings, Frieden auf Dauer durch eine Rechtsordnung zu sichern, wird in Europa konsequent verfolgt. Die von Kant konstatierte große Herausforderung, auch für unsere Zeit, ist die grenzübergreifende Sicherung von Frieden bei Respektierung nationalstaatlicher Souveränität. Frieden braucht Ordnung und Form. In seiner Dankesrede als Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels führte David Grossman in dieser Hinsicht am Beispiel Israel aus: „Wenn es Frieden gäbe, hätte Israel endlich Grenzen. Das ist nicht trivial, schon gar nicht für ein Volk, das die meiste Zeit seines Bestehens verstreut unter anderen Völkern gelebt hat, und die meisten Katastrophen in seiner Geschichte eben aufgrund dieses Umstands erleben musste. Stellen Sie sich vor: Auch nach 62 Jahren hat Israel noch immer keine festen Grenzen. Seine Grenzen verschieben sich etwa alle zehn Jahre, weiten sich aus oder werden zurückgedrängt, mal unseretwegen, mal wegen unserer Nachbarn. Wer keine klaren Grenzen hat, gleicht einem, in dessen Haus die Wände sich fortwährend bewegen; einem, der keinen festen Boden unter den Füßen spürt. Einem, der kein wirkliches Zuhause hat.“1
Frieden braucht Ordnung und Frieden braucht Form – Ordnung und Form werden auch in Grenzen ausgedrückt, wie ja auch Verträge moralische Spielräume definieren und eingrenzen; dann erst, durch Ordnung und Form, kann ein „Zuhause“ entstehen, ein Ort, an dem man in Sicherheit bleiben und wachsen kann; die Aspekte von Ordnung und Form haben Europas Geschichte mit seinen Friedensverträgen wie auch zwischenstaatlichen Konflikten geprägt. Diese Konfliktgeschichte ist als Lerngeschichte zu ergreifen, um das Sprachspiel von Frieden als europäischem Wert glaubhaft spielen zu können.