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12. Lady Ursula

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Du, gestern Abend habe ich an der Bar im Hilton am Tucherpark eine interessante Dame kennen gelernt“, begann Björn. Ist er also doch weiter auf Aufriss, dachte ich sofort. Es war schon einige Zeit seit unserem ersten gemeinsamen Besuch im Bizarradies vergangen. Wir hatten eine gewisse Vertrautheit aufgebaut, und Björn konnte bereits durchs Telefon spüren, wie es mir ging. „Nicht, was du denkst“, sagte er auch sofort, als ich vielsagend in den Hörer schwieg. „Ich war mit einem Kollegen aus und er zeigte mir die Bar vom Hilton, weil dort abends ein sehr guter Pianist spielt. Du magst doch Piano Bars, und das wollte ich eben überprüfen ...“ Gute Masche, dachte ich. „Wie nett von dir“, bemerkte ich schnippisch, „und was war nun mit der Dame?“ – „Sie kommt aus Düsseldorf, war mit einem Kavalier in der Bar und als der Mann betrunken aufs Zimmer ging, blieb sie und plauderte mit mir“.

„Und?“

„Sie ist Domina in Düsseldorf“

„Na toll, und?“

„Ich habe ihr von uns und vor allem von dir erzählt. Sie möchte dich unbedingt kennen lernen. Du sollst sie doch besuchen, wann immer du willst.“

Dieses nette Angebot nahm ich ein paar Wochen später auch an. Ich hatte im Szenemagazin Fullsize ein Inserat des Domizils der Gräfin gesehen, eines bekannten S/M-Studios, das auch Gast-Dominas aufnahm. Hier wollte ich gerne ausprobieren, ob ich als Domina schon so weit war.

Ich rief im „Domizil“ an, bekam die Inhaberin selbst an den Apparat und stellte mich vor: „Ich bin Geschäftsfrau, lebe in Wien und könnte maximal einmal monatlich für zwei bis drei Tage nach Düsseldorf kommen“, sagte ich und fügte ehrlicherweise hinzu: „Ich habe wenig bis keine Profi-Erfahrung, aber großes Interesse.“ Die „Gräfin“, von der ich eigentlich nichts Näheres wusste, fand darin kein Problem: „Geben Sie mir Bescheid, wann Sie kommen wollen“, sagte sie, „Sie könnten auch im Studio übernachten, wenn Sie möchten.“ – „Nein, danke“, schwindelte ich, „Ich habe eine Bekannte in Düsseldorf, bei der ich schlafen kann“, sprach‘s und meldete mich bei der besagten Ursula, mit der ich inzwischen bereits ein paar Mal telefoniert und die ich sehr sympathisch gefunden hatte.

An einem Freitagnachmittag Anfang April flog ich also nach Düsseldorf, um mich als Domina zu versuchen. Für mich war die Reise mehr ein Vergnügungstrip als ein Arbeitsweekend und das war auch gut so, sonst wäre ich total deprimiert zurückgekehrt. Eine üppige Blondine mit überschulterlangem Haar und riesigem Busen erwartete mich in der Ankunftshalle. Das war Ursula, Björns Bar-Bekanntschaft. Ein enger kurzer Rock zeigte tolle Beine, die in Schuhen mit Pfennigabsätzen steckten. Ursula war ganz in Schwarz gekleidet, ein bunter Schal von Dior, der zu ihren leuchtend blauen Augen passte, gab ihrem Outfit den gewissen Kick. Über der Schulter trug sie eine große Designertasche. Edel, edel, dachte ich mir. Muss gut verdienen, die Dame. Sie erkannte mich ebenfalls sofort: Küsschen, Küsschen.

„Willkommen in Düsseldorf! Na, dann fahren wir mal in das Hotel, das ich für dich reserviert habe“, meinte Ursula. Sie war so nett gewesen, ein Hotel der Mittelklasse zu wählen, das sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln, als auch per Taxi nicht allzu weit vom Domizil der Gräfin entfernt war. Wir zogen los und verbrachten auch gleich den Abend gemeinsam. Mein Vorsprechen bei der „Gräfin“ sollte erst am nächsten Tag stattfinden.

Ursula war Mitte dreißig, ledig und einige Jahre zuvor durch einen engen Freund auf die S/M-Schiene geraten. Dessen Wünsche waren immer ausgefallener geworden, und eines Tages gestand er ihr, dass er auf Kaviar abfuhr. „Kaviar“ ist der Szene-Begriff für Kot. Es gibt Menschen, die stehen darauf, wenn man im wahrsten Sinn des Wortes auf sie sch... Manchmal sagt man auch „Schokolade“ dazu. Ursula hatte keine Probleme, diese extreme Spielart zu praktizieren. Ihr Freund gab ihr den Rat, diesen Service auch anderen Sklaven anzubieten. Eine Kaviar-Lady wäre schwer zu finden. Über kurz oder lang arbeitete Ursula in einem Edelstudio in Düsseldorf, fuhr als Gastdomina in andere deutsche Städte und begleitete betuchte Herren auf Reisen. So war sie in der Bar des Hilton in München gelandet und hatte Björn kennengelernt: „Wir hatten unheimlich viel Spaß miteinander, weil mein Begleiter, ein Stammgast, sturzbetrunken war und zu Bett ging. Der Björn ist ein netter Junge und sehr stolz auf dich“, erzählte sie. Also stimmte Björns Story. Na bitte, vielleicht würde ja in dieser Beziehung doch noch alles gut gehen.

Am nächsten Vormittag stellte ich mich der „Gräfin“ vor. Eine gepflegte, große Dame im Businesslook empfing mich in ihrem Domizil, das als Fotostudio getarnt war, obwohl es Insidern in ganz Europa durch Werbung und Empfehlung bekannt war. Sie führte mich in alle Räume, manche wurden gerade umgebaut. Ich war beeindruckt, erzählte von meinen bisherigen Erfahrungen und dass ich hoffte, als Assistentin einer erfahrenen Domina zur Seite stehen zu können, bis ich genügend Erfahrung für ihre anspruchsvollen Kunden besäße.

„Das ist dieses Wochenende leider nicht möglich“ erwiderte die Gräfin. „Zwei Dominas sind bei Filmaufnahmen, die anderen haben am Wochenende frei. Es sind nur ein bis zwei Bizarr-Ladys hier.“

„Und was machen die?“

„Rollenspiele“ war die knappe Antwort. „Ich muss jetzt weg, ich habe dringende Fototermine.“ Sie erklärte mir im Eiltempo, was bestimmte Services kosteten und wie Gäste zu begrüßen seien. Dann ging sie und ließ mich, den Neuling, im Studio zurück. Da saß ich nun in meinem gesmokten Lederminirock, einer Korsage und in High Heels gemeinsam mit einer Bizarr-Lady im Aufenthaltsraum und wartete.

Und wartete.

Und wartete.

Die Lady hatte endlich einen Gast. Ich hockte alleine herum und wurde immer unsicherer. Ich wusste nicht, wo die Utensilien für verschiedene S/M-Spiele waren. Dann schalt ich mich selbst: Das ist eben ein Sprung ins kalte Wasser. Wir werden schon sehen, ob ich schwimmen kann.

Es läutete: ein Gast! Ich stellte mich vor: „Madame Juliette aus Wien.“ Er zögerte. Dann sah er mich prüfend an: „Ich liebe Gummi. Haben Sie einen Klepper?“

„Einen was?“

„Na, einen Kleppermantel!“

Ich hatte keine Ahnung, wovon der Mann sprach. „Leider nein“, sagte ich zur Sicherheit. „Ich habe aber sehr schöne Latexkleidung“, fügte ich hoffnungsvoll hinzu.

„Nicht für Sie!“, blaffte mich der Mann an, „Für mich!“

Das ging ja nicht besonders gut. „Es tut mir leid“, sagte ich, „Ich bin heute zum ersten Mal hier und es ist leider niemand da, den ich fragen kann.“

„Ich bin auch zum ersten Mal hier“, sagte der Typ und bedachte mich mit einem vernichtenden Blick. „Na gut, ich komme ein anderes Mal“, sagte er und zog ab. Als die Gräfin am Nachmittag anrief und ich ihr erzählte, was der Gast gewünscht hatte, bekam sie fast einen Tobsuchtsanfall „Natürlich haben wir einen Klepper!“, schrie sie ins Telefon. „Wir haben alles, alles, alles, was ein Gummiliebhaber will!“

„Aha, und was ist ein Klepper?“, fragte ich eingeschüchtert. „Na, ein normaler Regenmantel aus Gummi, der wurde früher von der Firma Klepper hergestellt und seither ist das der Begriff für Gummifetischisten.“ Sie war ziemlich böse. Ich allerdings auch, denn ich hätte einen Neuling wie mich nie alleine in einem Studio mit Laufkundschaft gelassen.

Bis zum Abend tat sich gar nichts mehr. Ich sagte der Bizarr-Lady Bescheid und ging. Ursula war ebenso enttäuscht wie ich. „Allerdings ist Samstag immer ein schwacher Tag“, tröstete sie mich. „Die verheirateten Männer bleiben dann meist bei ihren Ehefrauen.“

Wir gingen in die Altstadt, bummelten über die berühmte Königsallee, die als Kö bezeichnet wird und spazierten bis zum Rhein. Ursula hatte in einem schicken Restaurant mit Blick auf den Fluss einen Tisch reserviert. Meine Stimmung hellte sich auf, besonders, als wir feststellten, dass die zwei feschen Herren am Nebentisch Italiener waren. Ich besaß seit ein paar Jahren ein Ferienhaus am Gardasee und freute mich, endlich wieder mal italienisch sprechen zu können. Ursula steuerte Deutsch und Englisch bei, und bald entspann sich eine vergnügte, dreisprachige Unterhaltung. Maurizio und Ernesto waren 45 und 35 Jahre alt, lebten in Mailand und waren nur übers Wochenende nach Köln und Düsseldorf gekommen. Sie hatten den typisch-italienischen Look: schlank, dunkelhaarig, Dreitagesbart und edle, lässig gestylte Kleidung. Beide arbeiteten in der Reisebürobranche. Wir unterhielten uns blendend und spazierten nach dem Essen noch durch die Altstadt auf der Suche nach einer netten Bar.

Maurizio schien an mir interessiert. Ich ließ ihn balzen, war aber meinerseits nicht so recht in Flirtlaune. Ursula und Ernesto unterhielten sich inzwischen in gebrochenem Englisch und unter pantomimischen Verrenkungen und lachten viel. Nach ein paar Cocktails in der berühmten Bar bei Tino fragte er mich: „Weshalb bist du denn in Düsseldorf? Nur deine Freundin besuchen?“ Ich war inzwischen etwas angeheitert und wollte ihn mir gleichzeitig vom Leib halten. Deshalb entschloss ich mich spontan, die Wahrheit zu sagen: „Ich bin nach Düsseldorf gekommen, um in einem Studio probeweise als Domina zu arbeiten.“ Ha, damit hatte er wohl nicht gerechnet, freute ich mich und sah ihn gespannt an. Maurizios Augen weiteten sich etwas. Ich war enttäuscht. Ich hatte ihn schockieren wollen, er jedoch lehnte sich tiefer in die Ledergarnitur und fragte ruhig: „Kennst du auch die italienische S/M-Szene, wenn du so oft in Italien bist?“ – „Nein, gar nicht“, gestand ich, „Ich taste mich gerade in diese Welt vor.“ – „Wenn du ein Haus am Gardasee hast, dann komm doch mal nach Milano, das ist nicht weit“, sagte Maurizio. „So?“ fragte ich langgezogen „und wozu?“ – „Weil ich dich in die Mailänder S/M-Szene einführen kann“, grinste Maurizio. Na, das war eine Überraschung! „Bist du eine Professionelle?“, hakte er nach. „Nein, absolut nicht“, sagte ich bestimmt, „Ich bin Geschäftsfrau, habe diese Neigung und wollte nur einmal Profistudioluft schnuppern. Es war aber eher eine Enttäuschung“, fügte ich ehrlich hinzu. „Ich hatte heute keinen einzigen Gast.“

„Das wäre in Italien ganz anders“, schnurrte Maurizio, „Dort hättest du volles Haus – und mich auch“ fügte er nach einer Atempause hinzu. Jetzt weiteten sich zur Abwechslung meine Augen. Waren denn alle Männer devot? So ein fescher Mann, welche Neigung der wohl hatte? Nun, das ließ sich rausfinden: „Hast du eine Beziehung zu Ernesto?“ fragte ich neugierig. „Nein, ich mag nur Frauen“, lachte er. Trotzdem wich das erotische Prickeln einem Gefühl von gemeinsamem Interesse. Maurizio erzählte von der italienischen Szene: „In Brescia war eine Party, da war ein Mann aus Wien, der ein Bondage-Künstler ist. Kennst du ihn?“ Ich hatte inzwischen tatsächlich ein paar Wiener S/M-Partys besucht und wusste, wen er meinte. „In Italien muss alles sehr diskret sein“, erklärte Maurizio. „S/M ist eigentlich verboten, aber ich kann dich in die Kreise einführen. Das Journal S/M-Stories gehört einem guten Freund von mir, ich werde euch bekannt machen.“

Wir nahmen noch einige Drinks, tauschten unsere Adressen aus und nahmen dann ein paar Taxis in unsere jeweiligen Quartiere.

Na bitte, dann war der Tag doch erfolgreich gewesen. Ich war immerhin in einem der berühmtesten Studios von Europa gesessen, hatte erfahren was ein Klepper ist und hatte eine Eintrittskarte in die streng geheime, italienische S/M-Szene erhalten. Ich umarmte Ursula zum Abschied überschwänglich: „Danke, dass du mich animiert hast, herzukommen“, rief ich. Wir beide waren uns einig: „Wir werden noch viel gemeinsam erleben.“


Der Engel mit der Peitsche

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