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13. Die Blutbaronin

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Eine gute Domina sollte großes Einfühlungsvermögen mitbringen, Intuition besitzen, und auch Empathie. Sonst ist sie eine schlechte Domina, im schlimmsten Fall eine Sadistin.

Sadisten leiden unter einer Verhaltensstörung. In der psychologischen Diagnostik wird Sadomasochismus – hier fallen beide Begriffe zusammen – als abwegiges Sexualverhalten klassifiziert, was nach meiner Überzeugung auch seine Richtigkeit hat: ein grenzenloses Verhalten ohne Notbremse, das mit Selbst- und Fremdschädigung Hand in Hand geht. Was Sadisten tun, lässt sich nicht beschönigen, und ich halte sie für gefährlich. Mit dem, was eine Domina tut, hat das Verhalten einer Sadistin nichts zu tun.

Was eine Domina mit einem Sklaven macht, ist dagegen ein Spiel für beide. Es gibt einen Anfang und ein Ende, selbst wenn sich manche Männer eine 24/7-Beziehung, also eine 24 Stunden, sieben Tage die Woche dauernde Versklavung wünschen.

Nachdem Harry mir von Frank erzählt hatte, erkundigte ich mich über dessen frühere Herrin. Sie galt in der Wiener Szene als Legende, man sprach fast ausschließlich im Tuschelton von der Baronin S., einer einfachen Frau vom Land, die das Glück hatte, einen adeligen, masochistischen Ehemann zu finden, den sie grausam malträtiert haben soll. Daneben hielt sie sich – mit Einverständnis des Barons – noch weitere Sklaven. Das Stammschloss der Familie war Schauplatz großer Sado-Maso-Partys, zu denen Gäste aus ganz Europa erschienen. Noch heute erzählt man sich im Ort die Geschichte vom englischen Schlossgast, der - über die Festivität hinaus - gegen seinen Willen festgehalten wurde. Mitten in der Nacht gelang es ihm zu entkommen, splitternackt und mit Striemen übersät tauchte er in der Polizeiwache des nächsten Ortes auf und bat um Hilfe. Der Skandal erschütterte die ganze Gegend und führte dazu, dass der Baron sein Schloss verkaufen musste und mit seiner sadistischen Frau ins Ausland zog.

Baron S. starb früh und hinterließ eine steinreiche, junge Witwe, die ihr Domizil in der Karibik wählte und nur ein paar Wochen im Jahr nach Österreich kam. Mir tat es fast leid, dass ich diese Frau nie kennen gelernt hatte. Die hätte ich mir gerne angeschaut. Ich konnte nicht ahnen, dass ich der Blutbaronin, wie ich sie im Geiste getauft hatte, doch noch begegnen sollte – und welches Leid sie über mich bringen würde.

Mein Leben bewegte sich in aufregenden, wenn auch regelmäßigen Bahnen. Björn war in München, unsere Beziehung war harmonisch, weil auch ich mir meine Freiheiten herausnahm und mich so nicht vernachlässigt fühlte. Ich war erfolgreich in meinem Geschäft und in Wien zu einer festen Größe in der S/M-Szene geworden. Mein Leibsklave Frank diente mir so begeistert wie am ersten Tag.

Eines Tages rief er mich an und fragte, ob ich ihn nach Graz zu einer S/M-Hochzeit begleiten wollte. „Eine richtige Hochzeit beim Standesamt?“, fragte ich, „Oder ist es eine gespielte bei einem S/M-Fest?“ – „Eine richtige!“, rief Frank ins Telefon. „Es sind gute Freunde der Baronin S., und weil sie im Sommer nach Österreich kommt, haben die zwei ihren Hochzeitstermin entsprechend festgelegt, damit die Baronin und ich als Trauzeugen fungieren können.“ Die Baronin S.! Das allein war schon ein Grund, mitzufahren. Aber das Brautpaar kannte mich ja gar nicht. „Sind viele Gäste eingeladen, oder warum darf ich als Fremde dabei sein?“, wollte ich wissen. „Nein, sonst ist niemand dabei, aber ich habe bereits per Fax mit der Baronin korrespondiert und sie ist total neugierig, Sie kennen zu lernen. Meine Bekannten ebenfalls“, fügte er hinzu. Da schau, er hat mit seiner ehemaligen Herrin korrespondiert, notierte ich im Geiste, und zwar ohne meine Erlaubnis. Egal, dachte ich dann, auf diese Frau bin ich eh neugierig. Und auf einer S/M-Hochzeit war ich auch noch nie. Ich trug Frank auf, dem Brautpaar für die Einladung einer Fremden zu einer so intimen Hochzeit, meinen Dank auszusprechen. Frank sagte: „Wissen Sie, was die beiden gesagt haben? ,Frank, wenn sie deine Herrin ist und du so begeistert bist, dann wird sie uns bestimmt gefallen‘. Ist das nicht wunderbar?“ – „Ja, das ist es“, lächelte ich über Franks Begeisterung. „Ich bedanke mich also vielmals und sage gerne zu.“

An einem wunderschönen, sonnigen Dienstag fuhr ich frühmorgens nach Graz, denn dort fand die Hochzeit statt. Frank war schon da, er hatte beruflich in der Stadt zu tun. Wir sollten uns alle zuerst in einem Innenstadthotel treffen und von dort aus zu Fuß zum Standesamt gehen. Ich trug ein dunkelblaues Leinenkostüm, am Revers leuchtete eine weiße Seidenblume. Zu meinen fersenfreien, hohen Sommerschuhen hatte ich hauchdünne, kaum sichtbare, halterlose Strümpfe angelegt. Ich trage auch im Hochsommer Strümpfe, das ist angenehmer und eleganter, egal, was in manchen Modeheftchen heutzutage steht. Was Eleganz angeht, vertraue ich den Weisheiten meiner Großmutter immer noch mehr, als den Launen selbsternannter Trendsetter. Ich trug nur wenig Schmuck, doch wie immer glänzte an meinem kleinen Finger ein goldener Ring – der Ring der O. Er ist einer Halsfessel nachempfunden – am Fingerring ist eine kleine, bewegliche Öse befestigt. In der S/M-Szene dient dieser Ring, der nach der berühmten Figur aus dem Sadomaso-Roman Geschichte der O benannt ist, als äußeres Erkennungszeichen dafür, ob der Träger devot oder dominant ist. Devote tragen den Ring an der rechten Hand, Dominante an der linken – egal an welchem Finger. Üblicherweise wird dieser Ring im Handel in Silber oder Metall angeboten. Mein Ring war speziell für mich in Gold angefertigt worden.

Dank Franks genauer Wegbeschreibung fand ich glücklich in die Innenstadt und kam pünktlich in die Hotelhalle, wo die kleine Gruppe mich schon erwartete. Der Bräutigam Niki war dominant, wie mir Frank erzählt hatte, und Ende dreißig. Seine Braut, Valerie, war Anfang zwanzig und eine leidenschaftliche, hingebungsvolle Sub, die total in Niki verliebt war. Ideale Voraussetzungen für eine glückliche Ehe, fand ich, denn hier gab es keine Geheimnisse im Bett. Beide waren sehr gut aussehend. Er: schlank, die dunklen, langen Haare, in denen die ersten grauen Strähnen sichtbar waren, zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Eigentlich mag ich diese Frisur bei Männern nicht, aber Niki stand es ausgezeichnet. Er trug einen leichten, dunklen Sommeranzug und ein offenes weißes Hemd. Valerie, ein zartes Wesen mit unschuldig wirkendem Gesicht, makellosem Teint und taillenlangem, brünettem Haar, sah zauberhaft aus in einem kurzen, weißen Kleidchen aus gehäkelter Baumwollspitze. Sie trug hohe Riemchenschuhe mit Plateausohle, auf denen sie eher unsicher stand. „Das Kleid hab ich selbst gehäkelt“, sagte sie, als ich ihr ein Kompliment machte. Sie himmelte ihren Liebsten an. Er war eindeutig der Führende in dieser Beziehung.

Neben dem Paar stand eine unscheinbar wirkende Frau. „Gräfin, ich darf Sie mit Baronin S. bekannt machen“, sagte Frank in ehrfurchtsvollem Ton. Sie war viel kleiner, als ich sie mir vorgestellt hatte, wir waren ungefähr gleich groß. Sie trug ein ausgeschnittenes, gelbes Sommerkleid, mittellanges rotbraunes Haar, das weder stylisch noch sehr gepflegt aussah und hatte ihre nackten Beine in spitze, hochhackige Schuhe gesteckt. Das war also die berühmte Blutbaronin. Naja. Immerhin begrüßte sie mich sehr herzlich und schien ehrlich erfreut, mich kennen zu lernen. Ihre Aussprache war nicht besonders vornehm, eher österreichischer Durchschnitt. Im Stillen dachte ich mir: „Die eine hat den Titel halt im Blut, die andere nur am Papier.“

Frank war sichtlich sehr aufgeregt. Ständig zupfte er an seiner Krawatte herum und sprang herbei, um uns zu Diensten zu sein. Nach einem Glas Sekt machte sich unsere kleine Gruppe auf den Weg zum Standesamt. Graz hat einen wunderschönen, alten Stadtkern und das Rathaus ist ein Renaissancebau in der Fußgängerzone. Die Passanten drehten sich nach uns um, was mich wunderte, denn wenn Valeries Kleid auch sehr kurz war, fand ich nichts Arges dabei. Was mich jedoch irritierte, war ein Klingeln, das uns auf Schritt und Tritt begleitete, und dessen Ursprung ich nicht ausmachen konnte. „Hörst du das auch?“, fragte ich Frank. Niki hatte meine Frage gehört und drehte sich im Gehen zu uns um. „Das sind die Glöckchen, die Valerie an ihren Schamlippen trägt“, erklärte er. „Ich habe sie neben den Gewichten angebracht, die sie in den Piercing-Ringen ihrer äußeren Schamlippen trägt.“

Verdutzt schaute ich auf Valeries Po, und jetzt sah ich, dass das Häkelkleid ungeahnte Einblicke gewährte – zum Beispiel auf den Umstand, dass sie keine Unterwäsche trug. „Na, ich bin neugierig, wie der Standesbeamte reagiert“, grinste ich.

Die Baronin S. und ich hatten uns links und rechts bei Frank eingehakt und stolzierten so durch die Stadt. Er fühlte sich sichtlich geschmeichelt, vielleicht auch erleichtert, weil wir uns gut verstanden. Aber ich war ganz entspannt: S. lebte in Übersee, da war es nur selbstverständlich, dass Frank sich nach einer Weile nach jemand anders umsah.

Am Standesamt betraten wir andächtig einen wunderschönen Trauungssaal. Ich setzte mich als einziger Hochzeitsgast in die erste Reihe. Die Baronin S. und Frank nahmen als Trauzeugen neben dem Brautpaar Platz. Jetzt konnte ich sehen, dass den Rücken der Baronin ein tätowierter Drache zierte, der sich bis zu ihrem Oberarm schlängelte.

Der Standesbeamte trat ein. Er lächelte das Brautpaar an und begann die Zeremonie. „Sitz gerade“, zischte Niki seiner Valerie zu, „und spreiz die Oberschenkel.“ Er wollte sie herzeigen, seine Sklavin, und Valerie folgte ihm aufs Wort. Ihr Minirock verdeckte sicher nicht ihre nackte Scham, an der die Gewichte und Glöckchen hingen. Der Gedanke daran, ließ mich auf meinem Stuhl ganz feucht werden. Was die beiden wohl heute Nacht noch anstellen würden?

Der Standesbeamte hielt tapfer durch. Sollte er den halben Baumarkt zwischen den Beinen der Braut gesehen haben, so ließ er es sich nicht anmerken. Erst als das Paar aufstand, um die Heiratsurkunde zu unterschreiben, und es schon wieder leise klingelte, schaute er für eine Sekunde etwas verzweifelt drein. Jetzt sah ich, dass sich eines der Metallstäbchen, die offensichtlich Valeries Brustwarzen durchbohrten, durch eine Lücke der Spitze gedrängt hatte. Als sie ihren Namen auf die Heiratsurkunde setzte, fiel ihr das lange Haar ins vor Aufregung gerötete Gesicht. Niki stand beschützend und gebieterisch zugleich neben ihr. Die Hochzeitsglöckchen klingelten leise dazu.

Unsere kleine Hochzeitsgesellschaft begab sich anschließend zu einem köstlichen Mittagessen, das sich bis in den späten Nachmittag zog. Wir unterhielten uns über S/M-Praktiken, was sonst, und Niki und Valerie versprachen, bald einmal nach Wien zu einem S/M-Fest zu kommen. Ihr ganzes Privatleben war auf S/M ausgerichtet: Niki entwarf und baute offenbar die unglaublichsten Geräte und Möbel für ihre Spiele. Auf seinen Befehl wurde Valerie bei Partys auch von anderen Männern gezüchtigt und benutzt. „Sie macht das gerne“, flüsterte mir Frank zu, und ich glaubte ihm. Dieses Paar war offensichtlich glücklich, und wie ein Mensch zu seinem sexuellen Glück kommt, geht mich ja nichts an.

Die Baronin S. drehte sich zu mir: „Ich komme dich im kommenden Jahr in Wien besuchen“, kündigte sie lächelnd an, und zum ersten Mal bemerkte ich den grausamen Zug um ihren schmalen Mund. „Ich bin sicher, wir haben einiges gemeinsam“, fügte sie hinzu. Für eine Sekunde regte sich in mir eine dunkle Vorahnung. Ich achtete aber nicht weiter darauf. Die Baronin schien eigentlich ganz nett und ehrlich an mir interessiert. Und mir konnte sie ja nichts tun. Dachte ich.


Der Engel mit der Peitsche

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