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1. Le Loup Serieux

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Ich war sechsundzwanzig Jahre alt und hatte gerade eine schwere Auseinandersetzung mit meiner Mutter hinter mir. Ich war emotional bereits angeschlagen – die Enttäuschung über eine viel zu früh geschlossene und nach wenigen Jahren gescheiterte Ehe saß tief, und verschiedene Sexabenteuer hatten mich unzufrieden zurück gelassen. Nach dem Krach mit meiner Mama hatte ich genug von allem. All die großen Pläne meine Zukunft betreffend – ich sollte den elterlichen Betrieb übernehmen und bis dahin in anderen Firmen Erfahrungen sammeln – schmiss ich über den Haufen und kündigte meine Stelle in einem Elektronikunternehmen. Ich wollte raus, weg aus Wien. „Das Familienunternehmen muss leider noch auf mich warten“, erklärte ich meiner Mutter vehement und reiste ab – nach Paris, um Kunstgeschichte und Französisch zu studieren.

Ich bezog ein kleines Mansardenzimmer am Boulevard des Invalides, tauchte ins Pariser Studentenleben ein und fühlte mich großartig. Zwar hatte ich in der Stadt der Liebe keine Affäre, denn von Männern hatte ich erst einmal genug. Aber ich lernte interessante Leute kennen, ging in wunderbare Restaurants, genoss das kulturelle Angebot und hatte das Gefühl, die Stadt läge mir zu Füßen. Formidable!

Wenige Monate später konnte man eine junge Frau beobachten, die völlig aufgelöst auf dem Pont Neuf hin und her rannte und eher einem verschreckten Huhn glich als einer souveränen, jungen Pariserin. Und das kam so: Ich sollte einem österreichischen Künstler behilflich sein, den ich durch Cyril, einen Ex-Liebhaber und guten Freund, kennen gelernt hatte. Le Loup Serieux war in Österreich schon sehr bekannt, seine Werke hingen sogar im Museum des 20. Jahrhunderts. Nun wolle er in den internationalen Galerien Fuß fassen, hatte er erklärt, mir ein dickes Kuvert mit Unterlagen, Fotos verschiedener Bilder und Katalogen überreicht und mich zu seiner Quasi-Kunstagentin ernannt.

Also klapperte ich die interessanten Galerien in St. Germain ab, meinen Fotoapparat immer dabei, denn als Kunstgeschichtsstudentin stieß ich überall auf interessante Motive. Vom Pont Neuf aus wollte ich einige Fotos von der Île de la Cité schießen, der Conciergerie und den mächtigen Türmen von Notre-Dame. Ich legte Le Loups Kuvert auf die Brüstung und fotografierte drauflos. Dann zog ich in Richtung St. Germain weiter. Kaum von der Brücke, fiel mir das Kuvert ein. Ich hatte es durch die Ablenkung auf die schönen Fotomotive total vergessen. Sofort rannte ich zurück – doch es war weg. Mir wurde flau im Magen. Ängstlich lugte ich in die Seine hinunter: Vielleicht trieb es ja im Wasser? Nichts. Auch gut, das ersparte mir die Antwort auf die Frage, was ich getan hätte, wenn das Kuvert tatsächlich im Fluss gelandet wäre. Hinterher springen? Verzweifelt lief ich auf der Brücke hin und her. Der Wind hatte das Kuvert wohl nicht weggeweht – eher hatte ein Passant es heimlich eingesteckt. Noch heute frage ich mich bisweilen, ob der Finder wohl ein Fan von Le Loup Serieux geworden ist.

Ich bin von Natur aus sehr korrekt und zuverlässig. Das verlorene Kuvert kam für mich einer Katastrophe gleich. Ich überlegte verschiedene Ausreden, die ich nach Wien durchgeben konnte, und verwarf alle wieder, denn keine klang originell und glaubhaft. Schließlich schien mir die Wahrheit doch die beste Variante. Ich rief den Künstler aber nicht selbst an – dazu war ich zu feige – sondern Cyril, der mich Le Loup vorgestellt hatte. „Ich habe die Unterlagen verloren“, heulte ich ins Telefon. „Ich glaube, sie wurden gestohlen, was mach ich nur? Bitte sag du ihm das, ich trau mich nicht ...“ Es folgte eine grässliche Woche des Wartens. In meinen Träumen jagte mich Le Loup über den Pont Neuf, und ich sprang vor Verzweiflung in die Seine. Jedes Mal, bevor ich unterging, wachte ich schweißgebadet auf.

Schließlich kam ein Brief von Le Loup: Er erteile mir die Absolution, schrieb der Künstler in schwungvollen Buchstaben, ich hätte mich jedoch bei meinem nächsten Besuch in Wien persönlich bei ihm zu melden. Der will mich wohl übers Knie legen, kicherte ich in mich hinein, nun schon etwas erleichtert. Nun, ganz so daneben sollte ich mit dieser Vermutung gar nicht liegen.

Ich hatte Le Loup nur einmal vor meiner Abreise nach Paris getroffen und wusste außer seinen künstlerischen Eckdaten nichts über ihn. Cyril musste ihm jedoch einiges über mich erzählt haben, denn bei meinem nächsten Besuch in Wien trafen wir uns gleich zu einem abendlichen Beisammensein und zogen durch die damals als Künstlertreffs bekannten Lokale der Bäckerstraße und Schönlaterngasse. Innerhalb weniger Stunden lernte ich Christian Ludwig Attersee, Oswald Oberhuber, Hubert Aratym und andere bekannte Künstler kennen. Le Loup interessierte sich sehr für mich und wollte alles über mich und meine Pläne erfahren. Ich genoss seine Aufmerksamkeit und unsere interessanten Gespräche. Je später die Stunde, desto mehr Wein floss und unsere Diskussionen wurden lebhafter. Ich bemerkte, wie Le Loup mich immer wieder amüsiert musterte. Er flirtete jedoch nicht, was mich indes nicht weiter störte. Er war ohnehin nicht mein Typ.

Als wir uns verabschiedeten, erklärte er mit seiner distinguierten, leisen Stimme, die auf wundersame Weise immer Gehör findet: „Für den Verlust meines Kuverts gehörst du aber schon noch bestraft.“ Mir verschlug es die Sprache. Seit meiner Kindheit hatte mir niemand mehr eine Strafe angedroht. „Und wie stellst du dir das vor?“ krähte ich, bereits ordentlich beschwipst. „Das erledige ich demnächst, ich werde dich anrufen!“ Nun wurde mir doch etwas mulmig zumute, zugleich bekam ich Bauchflattern. Derartige Ankündigungen hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt höchstens selbst ausgesprochen – gegenüber meinen Liebhabern.

Tage später bestellte er mich an einem sonnigen Mittag zu sich. Le Loup lebte in einem Loft im siebten Bezirk in Wien, das einmal Teil einer Maschinenfabrik gewesen war. Ein alter, riesiger Lastenaufzug zockelte im Zeitlupentempo in den zweiten Stock. Oben angekommen, stand ich direkt in Le Loups Wohnung, die sich über das gesamte Stockwerk erstreckte. Eine Seite bestand nur aus Fenstern, die Räume waren mindestens fünf Meter hoch, der Fußboden bestand aus dunklen, abgenutzten Holzdielen. Zögerlich tat ich ein paar Schritte.

Ich bin in einer Altbauwohnung, in der Beletage, mit sehr großen, hohen Räumen aufgewachsen, aber so ein Loft war doch etwas ganz anderes. Man kann all seine architektonischen Phantasien verwirklichen, gleichzeitig ist man auf so großer Fläche ziemlich verloren. Le Loup hatte Wände aus Holz und Glas eingezogen, um zwei kleinere Boxen zu erhalten, die zum großen Raum hin offen standen. In einem befanden sich ein Krankenhausbett mit weißem Gestell, ein kleiner Tisch, auf dem eine alte, mechanische Olivetti-Schreibmaschine stand, und ein Holzstuhl. Neben dem Bett stand ein kleines Nachtkästchen mit Marmorplatte, darauf eine alte, schwarze Bürolampe. In der zweiten Box sah ich ein Sofa, einen Flickenteppich, eine Stehlampe aus den Fünfziger Jahren und einen Plattenspieler.

Le Loup bot mir Wein an. „Ich werde dir jetzt erklären, wie deine Strafe aussieht“, erklärte er ruhig, stieß mit seinem Weinglas an meines und musterte mich wieder mit diesem amüsierten Blick aus Augen, in denen es tief drin gefährlich glitzerte. Ich spürte meinen Herzschlag plötzlich im Magen. Le Loup war absolut nicht nach meinem Männergeschmack, trotzdem faszinierte er mich. Er war mindestens fünfzehn Jahre älter als ich, sehr schlank und schlaksig. Sein Haar war so kurz, dass man die Kopfhaut hindurch sah und aus der Ferne meinen konnte, er habe eine Glatze. Zarte Finger und seine harmonische Gestik beim Sprechen ließen den Feingeist vermuten, der er war. Le Loup Serieux war nicht nur Maler, Grafiker und Aktionskünstler, er schrieb auch Texte und Gedichte. Schrift und Worte waren ein wesentlicher Teil seiner Kunst.

„Ich werde dich fesseln“, erklärte er mit einer Stimme, mit der er sonst wohl im Kaffeehaus seine Bestellung aufgab, „und dann werde ich dich betrachten.“ Mein Exliebhaber musste ihm von meiner Vorliebe für Fesselspiele erzählt haben. „Ich weiß, der Verlust der Fotos und Kataloge ist schlimm“, sagte ich, „aber wenn ich nach Paris fahre, nehme ich wieder welche mit, und diesmal passe ich besser auf.“ – „Ja sicher“, entgegnete Le Loup, „aber die Bestrafung muss sein. Und vielleicht gefällt es dir ja sogar?“ Er fuhr mit seinen Fingern unter meine Nackenhaare. Es war eine liebevolle und zugleich bestimmende Geste. Jetzt klopfte mein Herz bis zum Hals. Dass Le Loup mir bis zu diesem Moment in keiner Weise nahegetreten war, hatte mich bereit für ihn gemacht – viel mehr, als es ein Draufgänger mit stürmischer Umwerbung erreicht hätte.

„Geh ins Bad“, wies er mich an, „zieh dich aus und komm wieder hier herein.“ Ich gehorchte. Ich fürchtete mich nicht, was sollte ein bekannter Künstler mir schon tun? Eher war ich von einer Art ängstlicher Neugier erfüllt, die mich jedoch auf eine gewisse Weise erregte. Das Bad war weiß verfliest, mit einer freistehenden Badewanne. Ich legte meine Kleider auf einen alten, weiß lackierten Küchenhocker. Die Schuhe zog ich wieder an und ging zögernd zurück. Le Loup saß an seinem kleinen Schreibmaschinentischchen im „Schlafzimmer“ und betrachtete mich. „Bleib stehen. Gib die Hände auf den Rücken!“ Ich gehorchte, vor Scham rot bis zu den Ohren. Das Sonnenlicht fiel durch die riesigen Fenster. Das machte es zwar etwas wärmer, andererseits … „Kann man denn von außen in die Wohnung hereinsehen?“, fragte ich. „Nein, sonst hätte ich schon Jalousien“, meinte Le Loup. „Aber selbst wenn – es würde mir gefallen, dich so zu präsentieren.“

Ich stand da, nackt, in der Kühle des Lofts leicht zitternd, meine Scham dunkel behaart, doch der Kenner konnte meinen Paris-Aufenthalt daran erkennen, dass die Haare an den Seiten gezupft waren. Aufrechtstehende, feste Brüste mit großem Warzenhof. Ein brauner Pagenkopf, ein hübsches Gesicht, braune Augen mit langen, schwarzen Wimpern. Ein schöner Mund, sinnliche, volle Lippen und ebenmäßige Zähne. Ich war in dieser Zeit eher pummelig – heute würde man fraulich sagen –, worüber ich sehr unglücklich war. Ich hatte mein keusches Leben in Paris mit dem Genuss unzähliger französischer gastronomischer Kunstwerke kompensiert.

Le Loup schien jedoch zu gefallen, was er sah. Das Weinglas in der Hand, betrachtete er mich genießerisch, als wäre ich selbst ein französisches Gericht. Er ging zum Nachttisch und kam mit mehreren schwarzen und weißen Seilen zurück. „Komm näher“, befahl er. Mit geübten Griffen entknotete er ein Seil und begann, es um meinen Körper zu schlingen. Erst um den Hals, dann knüpfte er mehrere Knoten über meiner Brust, dem Bauch, der Scham und zog die beiden Seile genau zwischen meinen äußeren und inneren Schamlippen durch. Vom Rücken aus schlang er die Seile wieder nach vorne und fixierte sie. „Leg dich hin und spreize Arme und Beine.“ Ich hatte keinen Mucks gemacht und befolgte ohne zu zögern alle Anweisungen. Das alte Krankenhausbett war für solche Spiele bestens geeignet. Le Loup fesselte meine Hand- und Fußgelenke mit Seilen ans Bett, und schließlich verband er mir mit einem seiner Seidenschals die Augen.

Ich war wehrlos. Hörte ihn auf dem alten Boden hin- und hergehen. Schritte hinaus, eine Langspielplatte wurde aufgelegt. Schritte zurück, ans Fußende des Betts. „Kennst du Erik Satie?“ – „Nein ... “ – „Ich spiele dir jetzt ein paar wunderbare Orchesterwerke von ihm vor“, sagte er. Und ließ mich einfach liegen. Ich wusste nicht, wo er war – neben mir? Am anderen Ende des Lofts? Anfangs fand ich es sehr erregend, so still dazuliegen. Dann wurde mir kalt, und schließlich wurde ich ungeduldig. Was will der eigentlich von mir, dachte ich. Okay, Strafe genug, jetzt kann ich ja wieder aufstehen.

In diesem Augenblick spürte ich seine Hand auf meinem Busen. Ich hatte ihn gar nicht kommen gehört. Er setzte sich an den Bettrand, mit befeuchtetem Finger umkreiste er meine Brustwarze, die unter der Berührung steif und hart wurde. Pack doch richtig zu, dachte ich. Aber Le Loup ließ sich Zeit. Das war meine Strafe: die Langsamkeit, diese grausam-genüssliche Art, meine Geduld auf die Probe zu stellen! Er fuhr mit dem Finger über meinen Hals, das Brustbein entlang, zum Bauchnabel. Bitte weiter, weiter!, dachte ich. Er legte die flache Hand auf meine Scham. „Du bist hübsch – und ziemlich geil, nicht wahr?“ – „Ja“, hauchte ich. Er kontrollierte die Seile, die zwischen meinen Schamlippen hindurchliefen, prüfte, ob sie gut saßen und nichts einschnürten. Diese Berührungen machten mich fast verrückt, ich spürte, wie ich ganz nass wurde. Bitte, mach was!, dachte, nein, flehte ich in Gedanken. Über meine Lippen kam jedoch kein Wort, ich wagte meine Gedanken nicht auszusprechen. Die Kühle von vorhin war vergangen, mir war jetzt sehr heiß. Ich hörte, wie Le Loup einen Schluck aus seinem Weinglas nahm.

Die Hilflosigkeit, die Unmöglichkeit mich zu befreien, hatten in mir nur einen Wunsch erzeugt: ich wollte gefickt werden, jetzt sofort. Endlich verstand ich, warum meine Liebhaber mir immer verfielen, wenn ich sie fesselte. Was hatte schon alles als Strick herhalten müssen: Krawatten, Bademantelgürtel, Vorhang-Raffer. Und jeder wollte mich weiterhin sehen, auch wenn die Verliebtheit längst verflogen war. So war das also. Ich wimmerte und stöhnte unter den Händen von Le Loup, wand mich in meinen Fesseln hin und her - und endlich brach es aus mir heraus: „Berühr mich, fick mich, mach mit mir, was du willst!“ Le Loup legte seine feingliedrigen Finger auf meine geteilten Schamlippen, fand in der Feuchte meinen Kitzler und streichelte ihn, bis ich zum Höhepunkt kam und am ganzen Körper erzitterte.

Danach ließ er mich ausruhen, streichelte meinen Körper ganz sanft, und erst, als er mir die Augenbinde abnahm, küsste er mich. „Genug gestraft“, sagte er, band mich los und schickte mich ins Badezimmer. Ich schwieg. Ich fühlte mich großartig, wenn auch peinlich berührt: Ich hatte gewinselt wie eine läufige Hündin. Ich, die selbstbeherrschte, dominante junge Frau!

Im Autobus auf dem Weg zurück nach Hause dachte ich mit Blick auf die anderen Fahrgäste: Wenn Ihr wüsstet, was ich gerade Tolles erlebt habe! Und bei dem Gedanken daran wurde ich gleich wieder feucht.


Der Engel mit der Peitsche

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