Читать книгу Wenn ich das Schicksal treffe, kann es was erleben - Cornelia Eyssen - Страница 13
MEINE FREUNDIN CLAUDIA: »Conny wollte stark sein
und haderte mit ihrer Angst
vor dem Tod.«
ОглавлениеEhrlich, das Erste, was ich gesagt habe, als ich erfuhr, dass Conny Krebs hat, war: »Scheiße! Scheiße! Scheiße!« Ich weiß, wie man sich fühlt, wenn man diese Krankheit hat. Welche Ängste man durchleidet. Wie oft die Panik einen überfällt. Wie man sich nachts im Bett hin und her wälzt und sich fragt, wie lange man wohl noch leben wird. Und wie sauschwer es ist, tapfer zu bleiben und die Hoffnung nicht aufzugeben. Ich hatte selbst Krebs. Brustkrebs. Bin aber seit fünf Jahren ohne neuen Befund. Toi, toi, toi. Die Ärzte hatten mir damals noch sieben Monate gegeben, höchstens neun. Tja, ich lebe noch.
Mensch, die arme Conny. Die ist extrem zierlich, aber stark, das weiß ich. Ich kenn diesen Typ Frau, sensibel, zart, rebellisch, dickköpfig und stark. Und letztendlich nicht unterzukriegen. Ich bin auch so.
Mir war egal, was die Ärzte Conny gesagt hatten und noch sagen würden, mir war klar, dass sie alles schaffen würde. Und ich meine: wirklich alles. Operationen, Chemotherapie, Bestrahlungen und was sonst noch alles. Das habe ich ihr auch bei jedem Telefonat gesagt. Chemo und Bestrahlungen lagen zwar noch in weiter Ferne, aber ich wusste, dass das alles auf sie zukommen würde. Meine Ehrlichkeit war bestimmt wichtig für Conny. Und ich habe echt nichts beschönt. Die Gesunden glauben ja immer, dass man Kranken jede Nachricht, jede blöde, schreckliche, entmutigende Wahrheit wie in Watte verpackt servieren muss, himmelblau angemalt und möglichst noch mit einer rosa Schleife. Okay, bei manchen Patienten ist das sicher richtig. Aber Conny ist nicht so ein Typ. Ich könnte schwören, dass sie MIR die Fragen gestellt hat, die sie anderen nie gestellt hätte. Wie: »Claudia, hattest du auch Angst vorm Sterben?«
»Ja, natürlich. Oft.«
Und ich weiß, dass es einem verdammt noch mal nicht hilft, wenn Gesunde in so einer Situation dann sagen: Jeder hat doch Angst vorm Sterben. Das geht mir genauso. Mir kann ja auch jeden Moment ein Ziegelstein auf den Kopf fallen. Du bist dem Tod nicht näher als ich, glaub das bloß nicht. Quatsch. Totaler Quatsch. Du lebst mit dem Wissen, dass du Krebs hast. Und dass du sehr bald daran sterben kannst. Ziegelstein auf den Kopf fallen – pah!
Klar, ihr Mann, die Familie, Freunde, alle haben Conny Mut zugesprochen. »Du schaffst das schon!« – »Du bist stark, lass dich nicht unterkriegen!« – »Wenn es jemand schafft, dann du!« Aber es ist doch so: Als Kranker hört man all diese Sätze gern und möchte sie auch glauben, aber in dunklen Momenten denkt man sich dann doch: Die haben alle gut reden, die wissen ja nicht, wie es ist, Krebs zu haben ... Nur jemand, der diese Krankheit auch hatte oder hat, kann letztendlich nachempfinden, wie es einem wirklich geht. Ist doch so?!
Ich glaube, ich war deshalb so ziemlich die Einzige, der Conny offen ihre Zweifel und ihre Angst vor dem Tod anvertraut hat. Weil sie wusste, dass ich genau das auch durchlebt habe. Sie haderte mit ihrer Furcht, mit ihrer Angst vor dem Sterben. Sie wollte stark sein und konnte es doch manchmal nicht. Ich hab ihr gesagt, es ist ganz normal, dass man auch mal schwach ist. Und dass sie ruhig mal heulen darf – total okay. Aber das wollte sie nicht. »Ich will nicht, dass Remy mich weinen sieht. Dann fließen auch bei ihm die Tränen und dann heulen wir beide. Das bringt doch nichts«, hat sie gesagt. So ist sie.