Читать книгу Wenn ich das Schicksal treffe, kann es was erleben - Cornelia Eyssen - Страница 19
MEINE STIEFTOCHTER KATHARINA: »Conny klang,
als würde sie von einer Zahnwurzelbehandlung reden
anstatt von ihrer
schrecklichen Krankheit.«
ОглавлениеConnys Krankheit beherrscht die ganze Familie, den Freundeskreis, die Tage, die Telefonate, das Denken und das Handeln. Dauernd schleichen sich komische Gedanken in dein Gehirn – ist dieser Krebs sehr gefährlich? Wie fühlt sie sich wohl wirklich? Was macht sie mit ihrer Angst? Was ist, wenn die Operation nicht gut ausgeht? Wie soll es werden, wenn mein Vater ohne sie leben muss? Wer soll sich um ihn kümmern? Ist sie nach der Operation den Krebs wirklich los?
Selbst meine Freundinnen, die Conny eigentlich nur oberflächlich kennen, fragen bei jedem Treffen mit mir, wie es ihr geht, ob sie leidet, Schmerzen hat und Angst vor der Operation.
Alle finden, dass Conny bewundernswert tapfer ist. Ist sie auch, das muss ich wirklich sagen. Aber oft wünsche ich mir, dass sie sich auch mal zugesteht, schwach zu sein. Bei all den Telefonaten in den vergangenen Wochen hat sie nicht ein Mal geweint. Oder über ihre Angst vor der Operation gesprochen. Oder darüber, wie das ist, wenn man eine Krankheit hat, an der man vielleicht sterben muss. Bei all unseren Telefonaten klingt sie, als würde sie mit mir über eine Zahnwurzelbehandlung reden. »Ach, alles nicht so schlimm. Ich schaff das schon.« Das macht mich manchmal sooo wütend. Dann drängt sie das Gespräch immer möglichst schnell in eine andere Richtung. Sie fragt nach dem Baby. Wie es mir geht, ob mein Bauch schon dicker geworden sei und ob ich Spreewaldgurken mit Nutella essen würde. So was eben. Leichte Rede-Kost.
Inzwischen wissen alle in der Familie, dass ich schwanger bin. Mein Papi hat sich wahnsinnig gefreut, als ich es ihm endlich erzählt habe. »Ich werde Großvater! Wie schön! Was für eine wunderbare Nachricht«, hat er durchs Telefon gejubelt. Ich glaube, dass er wirklich glücklich ist, wenn er mal über etwas anderes als den Krebs reden kann. Was selten genug der Fall ist. Denn – wie gesagt – die Krankheit von Conny beherrscht uns alle. Auf die eine oder andere Art und Weise. Ist so. Ist ja auch nachvollziehbar, wenn jemand, der einem nahesteht, so schwer krank ist und vielleicht nicht mehr lange zu leben hat. Man bangt mit ihm, hofft mit ihm und kämpft gegen die Verzweiflung an, die sich immer mal wieder ins Herz schleicht.
Und ich denke manchmal: Was für ein merkwürdiges Zusammentreffen von schicksalhaften Umständen – Conny hat einen lebensgefährlichen Krebs und ich erwarte ein Kind. Ein Leben geht – hoffentlich noch ganz lange nicht!!!! –, ein Leben kommt. Ich erschrecke selbst vor diesem Gedanken. Plötzlich fallen mir phrasenhafte Begriffe wie »Kreislauf des Lebens« oder »Das Leben geht weiter« ein und zum ersten Mal begreife ich sie wirklich in all ihrer Tiefe.