Читать книгу Wenn ich das Schicksal treffe, kann es was erleben - Cornelia Eyssen - Страница 14

MITTE MAI 2012 Shoppen statt jammern,
das ist doch
eine gute Alternative?!

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So langsam hat sich auch in der Redaktion, in der ich bis vor Kurzem noch gearbeitet habe, herumgesprochen, dass ich krank bin. Und welche Krankheit ich habe. Einige der Kollegen rufen mich an. Ihre Stimmen klingen leiser als üblich. Längst nicht so unbeschwert wie sonst, sondern unsicher, ängstlich und sie reden nur in Flüsterlautstärke. Sie wollen wissen, ob die Gerüchte stimmen: »Äh, du, Conny, ich habe gehört ... Es heißt, dass du ...«

»Ja, der Flurfunk hat recht. Ich habe Krebs. Mach dir keine Sorgen. Ich mach mir auch keine. Wird schon werden. Und wie läuft es so in der Redaktion? Ich meine: so ohne mich. Werde ich vermisst?«

»Ja, sehr. Alle fragen nach dir.«

Es tut mir gut, das zu hören. Ich fühle mich geschmeichelt. Wer würde nicht gern hören, dass er vermisst wird?! Ich bin auch neugierig auf den Klatsch. Wer hat sich neu verliebt? Wer hat sich in der Konferenz mal wieder wichtig gemacht? Wer biedert sich bei wem an? Wer hat gekündigt? Und wem wurde gekündigt? Was macht die Auflage? Es heißt, dass es ein neues Entwicklungsprojekt gibt, aber keiner weiß etwas Genaues. Und wer jetzt meinen Job übernommen hat, will ich wissen und erfahre, dass meine Nachfolgerin eigentlich ganz nett sei. Letzteres höre ich nicht so gerne. :-(

Ich sitze am Computer und checke meine Mails. Im Posteingang finde ich mehrere Anfragen von PR-Agenturen, die ich in Sachen Job angeschrieben hatte. Man möchte mich sehen. Sie hätten da einige Aufträge, die gut zu mir passen würden. Und eine Mail von einer Chefredakteurin, die ich lange kenne und die eine Stellvertreterin sucht – ob ich nicht Lust hätte ... Die Gerüchte, dass ich Krebs habe, sind offenbar noch nicht bis zu ihr durchgedrungen.

Eigentlich sollte ich mich jetzt freuen. Hey, das berufliche Leben geht weiter. Tja, da gibt es nur ein kleines Problem: den Krebs ... Ich antworte allen wachsweich, ich sei im Moment leider heftig ausgebucht, würde mich aber ganz bestimmt sehr bald melden.

Ja, hätte ich vielleicht schreiben sollen:

»Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Mail. Leider habe ich unerwartet Krebs bekommen und weiß nicht, wie lange ich noch leben werde. Sollte der Krebs ebenso unerwartet wieder verschwinden und ich nicht so schnell sterben, melde ich mich gern bei Ihnen. Mit freundlichen Grüßen, Conny Eyssen.«

So vielleicht? Na bitte!

In der Post von heute finde ich den Bericht von der Biopsie. Ich lese: »... keinerlei Anzeichen für Krebs. Die Stanzproben sind ohne Befund.« Wie bitte? Was? Ich muss es zweimal lesen. Halte den Brief dann meinem Mann hin. Er liest – und schaut mich an. »Das ist doch eine super Nachricht! Du hast keinen Krebs«, jubelt er.

»Schatz, denk bitte an die Ultraschalluntersuchung und das CT. Die Ergebnisse waren ein-deu-tig«, halte ich ihm vor und höre mich an, als wolle ich diese Krankheit mindestens so dringend haben wie eine voluminöse Blondhaarmähne mit üppigen Locken. Und von der träume ich schon seit meinem vierzehnten Lebensjahr. Erfolglos. »Wenn die Symptome und Ultraschall und CT nicht dafür sprechen, dass ich Krebs habe, weiß ich auch nicht. Und ich will, dass endlich was getan wird.« Ich will mir keine falschen Hoffnungen machen. Ich will mich NICHT freuen, dass ich NICHT sterben muss – um in ein paar Tagen zu erfahren, dass diese Krankheit mich langsam (oder schnell?) auffrisst. Ich will diesen Krebs loswerden!!!!!!!!!

Auch die Familie und die Verwandten, die natürlich anrufen, um den neuesten Krankheitsstand zu erfragen, reagieren wie mein Mann. »Freu dich doch!« – »Das ist doch eine tolle Nachricht!« Und jedes Mal muss ich erklären, dass sie bitte die Ergebnisse von Ultraschall und CT nicht vergessen sollen, die ganz klar Krebs als Diagnose ergeben haben. Und wie sie sich denn bitte meine Atemnot und die Müdigkeit und den Gewichtsverlust erklären würden? Eben!

Ich komme mir schon vor, als müsse ich meine Krankheit verteidigen. Oder als wolle ich mich wichtig machen. So nach dem Motto: Sie haben gesagt, ich habe Krebs, und jetzt will ich ihn auch haben. Bescheuert, oder?

Nachts im Bett flüstert es in meinem Kopf: Und wenn die Biopsie doch stimmt? Wenn Ultraschall und CT etwas anderes als Krebs zeigen? Kann doch sein? Es kann doch sein, dass ich keinen Krebs habe und noch länger leben kann? Aber ich rufe mich schnell zur Ordnung. Mach dir gefälligst nichts vor, ermahne ich mich. Du lässt dich operieren und alles wird gut. Basta!

Wenn ich das Schicksal treffe, kann es was erleben

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