Читать книгу Wenn ich das Schicksal treffe, kann es was erleben - Cornelia Eyssen - Страница 21
MEIN MANN REMY: »Allein die Vorstellung, ich würde meine Frau
nie wieder in den
Armen halten können ...«
ОглавлениеIch kann mich kaum erinnern, wann mir etwas je so schwer gefallen ist wie der Abschied von meiner Frau am Tag vor der Operation. Natürlich war der Eingriff notwendig. Lebensnotwendig. Aber kein Arzt, einfach niemand, konnte mir versprechen, dass alles gut gehen würde, dass sie nicht sterben würde. Allein die Vorstellung, ich würde meine Frau nie mehr im Arm halten und nie wieder ihre Hand halten können ... Auch nach all den Jahren gehen wir auf der Straße immer noch Hand in Hand. Automatisch sucht meine linke Hand ihre rechte. Dann ist die Welt für mich in Ordnung.
Als ich nach dem Abschied im Krankenhaus nach Hause kam, musste ich weinen. Ich konnte gar nichts dagegen tun. Ich fühlte mich gefangen in einem riesigen nachtdunklen Loch, einem Nichts, das Angst heißt.
Ich habe eine Kerze für meine Frau angezündet.
Immer wieder klingelte das Telefon. Meine Tochter, meine Mutter, meine Schwester, die ganze Familie und die Freunde wollten wissen, wie es Conny geht. Wie sie mit der Situation fertig wurde. Wie lange die Operation am nächsten Tag dauern würde. Ob sie ein halbwegs schönes Zimmer in der Klinik hätte. Ob ich noch mal mit dem Arzt gesprochen hätte.
Nach dem achten Anruf habe ich den Anrufbeantworter eingeschaltet. Ich konnte einfach nicht mehr reden. Mir fehlten die Worte. Und mir fehlte die Kraft, wie eine Tonbandschleife immer dieselben Sätze zu wiederholen. Ja, Conny ist tapfer. Ja, das Zimmer ist schön. Nein, mit Professor Hatz habe ich nicht noch mal gesprochen. Ja, ich gehe morgen nach der Operation gleich in die Klinik, um Conny zu sehen. Und so weiter.
Mir war ja klar, dass sich alle um meine Frau sorgten. Aber meine Kraft brauchte ich jetzt für mich.
Am nächsten Tag – dem Tag der Operation – rief Professor Hatz am späten Mittag an. Alles sei gut verlaufen. Keine Komplikationen. Er hatte die Hauptarbeit gehabt, den Lungenlappen entfernt und einige Lymphknoten. Seine Ärzte und Assistenzärzte erledigten jetzt den Rest. Ich war so erleichtert, so froh und dankbar, das kann sich niemand vorstellen. Sofort habe ich eine SMS an alle geschickt, die sich mit mir um meine Frau gesorgt hatten:
Freue mich so: OP gut gelaufen!
Conny geht es gut! Melde mich.
Ich habe mich gleich auf den Weg nach Gauting gemacht. Die Fahrt kam mir entsetzlich lang vor.
Und da lag sie dann auf der Intensivstation. Mit einer Atemmaske über dem Gesicht. Meine Frau hing an mindestens sechs Schläuchen. Um sie herum lauter Maschinen. Dauernd piepte es, als morse jemand unverständliche Nachrichten aus dem Weltraum. Rote Punkte leuchteten erschreckt auf und verblassten wieder. Und dünne blaue Linien malten Wellen auf dunkle Bildschirme. Sie hatte die Augen geschlossen. Mein Gott, so klein und blass sah sie aus. Sie erschien mir so schmal und zerbrechlich, als könne der nächste Windstoß sie davonwehen. Und ein schrecklicher Gedanke setzte sich in meinem Kopf fest: So sieht es also aus, wenn diese Krankheit richtig zuschlägt.
Ich kam mir furchtbar hilflos vor. Ein Gefühl, das körperlich wehtat. Wie Zahnschmerzen, die sich bis ins Gehirn bohren.
Ich war froh, dass ich da war, als meine Frau nicht sprechen und ich den Anästhesisten holen lassen konnte. Dass ich aktiv werden konnte, anstatt nur am Bett zu sitzen. Ich war froh, dass ich ihr helfen konnte, sich im Bett aufzusetzen. Und ich war froh, dem Anästhesisten zuschauen zu können, als er den Katheter etwas weiter aus dem Rücken meiner Frau zog. Solche Sachen finde ich unglaublich spannend. Ich will wissen, wie alles funktioniert. Was sie da mit meiner Frau machen. Es geht schließlich um MEINE Frau. Da lasse ich die Leute nicht einfach machen, was sie wollen.
Und ich war froh, als Conny dann wieder in den Kissen lag und leise sagte: »Ich glaube, ich muss jetzt ein bisschen schlafen.«
Ich hielt ihre Hand und wollte sie am liebsten nie wieder loslassen.