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Interview: Die Rettung liegt auf dem Teller

Die Gesundheit des Menschen hängt maßgeblich von seiner Ernährungsweise ab. Aber was ist die richtige Ernährung für ein langes und gesundes Leben? Wie sollen wir uns ernähren, um auch die Gesundheit unseres Planeten zu schützen? Und wie können wir es schaffen, schlechte Ernährungsgewohnheiten abzulegen? Ein Gespräch mit dem Autorenduo Dr. Fionna Zöllner, Psychologin und Gesundheitswissenschaftlerin, und Ernährungsmediziner Dr. Jörn Klasen, einem breiten Publikum als Ernährungs-Doc aus dem NDR Fernsehen bekannt.

Wann habt ihr begonnen, euch mit Ernährung zu befassen?

Jörn: Mein Interesse an Ernährung wurde geweckt, als ich als Zivildienstleistender in dem großen Garten eines Kinder- und Jugendheims arbeitete. Das war Anfang der 1970er-Jahre. Ich habe schon damals die Prinzipien der nachhaltigen Landwirtschaft kennengelernt. Seitdem sind mir vor allem drei Dinge bei Lebensmitteln wichtig: naturbelassen, regional und frisch zubereitet. Mit den eigenen Kindern wurde mir die Bedeutung der Ernährung noch bewusster. So haben wir uns dann zum Beispiel wöchentlich eine Bio-Kiste bestellt.

Fionna: Ja, daran kann ich mich noch gut erinnern. Bei uns wurde sehr gesund gekocht. Meine Mutter hat selbst Sauerteigbrot gebacken und mir als Kind Nüsse und Obst als Süßigkeiten angedreht. Nachdem ich ausgezogen bin und für meine Ernährung selbst verantwortlich war, habe ich mich überhaupt nicht für das Thema interessiert und mich ziemlich ungesund ernährt. Ich habe viel gearbeitet. Kantinenessen, Fertiggerichte und Teilchen vom Bäcker waren bei mir alltäglich. In stressigen Zeiten habe ich nur von Brühe und Brötchen gelebt. Darüber macht sich mein Mann heute noch lustig. Erst als ich mit meinem zweiten Kind in Elternzeit war, habe ich mir endlich die Zeit genommen, etwas durchzuatmen und mich ausführlicher mit Ernährung zu befassen. Ich möchte meinen Kindern einen gesunden Start ins Leben ermöglichen, aber auch etwas tun, um meine eigene Gesundheit möglichst lange zu erhalten. So habe ich also in den letzten Jahren mehr und mehr über Ernährung gelesen. Dabei haben sich mir unzählige Fragen gestellt.

Welche Fragen waren das?

Fionna: Gibt es eine optimale Ernährung für den Menschen? Welche Lebensmittel sind besonders gesund? Sollte ich auf Zucker ganz verzichten? Oder mich glutenfrei ernähren? Sollte ich nach 18 Uhr gar nichts mehr essen? Muss ich Salz sparen? Ist Kaffee nun eigentlich gesund oder ungesund? Was ist mit Milch? Und Käse? Enthält Obst zu viel Zucker? Macht Brot dick? Ist Fisch mit Schwermetallen belastet? Sind Bio-Produkte wirklich besser? Was sind eigentlich Ballaststoffe ganz genau? Wie bereitet man Gemüse schonend zu? Kann man mit Ernährung wirklich das Risiko für chronische Krankheiten wie Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken? Und noch 1000 weitere Fragen. Als Wissenschaftlerin bin ich es gewohnt, dass jedes Thema zunächst mit vielen Fragen beginnt und dass es zu jedem Thema verwirrend viele unterschiedliche Informationen gibt. Ich habe also begonnen, mir systematisch zu jeder Frage die wissenschaftliche Literatur herauszusuchen und die Fragen Stück für Stück zu bearbeiten. Außerdem habe ich auch mit meinem Vater immer mehr über Ernährung gesprochen. So ist irgendwann die Idee zu diesem Buch entstanden.

Warum ist ein wissenschaftlicher Zugang zum Thema Ernährung so wichtig?

Fionna: Gesundheit ist die Voraussetzung für ein produktives und erfülltes Leben und eines der höchsten Güter des Menschen. Deswegen sollten Informationen, die unsere Gesundheit betreffen, besonders hochwertig sein. Das heißt, auf wissenschaftlichen Studien beruhen und nicht auf Meinungen und Erfahrungen Einzelner. Wir haben für dieses Buch Tausende Studien gelesen. Uns war es auch wichtig, dass die Quellen in dem Buch angegeben sind. In vielen Ernährungsratgebern fehlt das nämlich leider. Oft wird da von Studien berichtet, die angeblich dieses oder jenes zeigen. Ohne Quelle lässt sich die Behauptung jedoch nicht nachprüfen. Oft weiß man nicht, aus welchem Jahr die Studie stammt, welche Methoden für die Datenerhebung verwendet wurden oder wer die Studie finanziert hat. Dem Leser wird so ein Gefühl von Wissenschaftlichkeit vermittelt, das sich allerdings nicht überprüfen lässt. Wir wissen natürlich, dass die meisten Leser aus nachvollziehbaren Gründen die Originalquellen nie nachlesen werden, trotzdem ist es uns sehr wichtig, dass dies zumindest theoretisch möglich ist.

Welche Rolle spielte Ernährung im Medizinstudium?

Jörn: Für mich war seit meiner Jugend immer die zentrale Frage: Was braucht es, damit sich Menschen gesund entwickeln können? Nach einem kurzen Ausflug in die Soziologie und Volkswirtschaftslehre entschloss ich mich, Medizin zu studieren, um der Antwort dieser Frage näherzukommen. Während meines Studiums habe ich viel über Zellen und biochemische Prozesse gelernt. Ich konnte jeden Knochen auf Griechisch und Latein benennen. Über Ernährung hingegen habe ich nichts gelernt. Überhaupt nichts. Weder im Studium noch in der Weiterbildung zum Internisten und in der Gastroenterologie gab es dazu Lehrinhalte. Und so hatte ich nach meinem Studium immer noch keine Antwort auf meine Frage. Ich habe mich auf die Suche begeben und bin dann zusätzlich Arzt für anthroposophische Medizin und Naturheilkunde geworden. Da wurden meine Anliegen behandelt. Am meisten aber habe ich über Ernährung gelernt im täglichen Umgang mit den Patienten während meiner Tätigkeit als Krankenhausarzt und in der Zusammenarbeit mit Ökotrophologen und Ernährungsberatern.

Was ist eine gesunde Ernährung und was kann mit ihr erreicht werden?

Jörn: Es sind nur wenige Elemente, wie wir in diesem Buch wissenschaftlich fundiert herausgearbeitet haben. Dazu gehört eine pflanzenbasierte, mit guten Ölen angereicherte Ernährung mit wenig Fleisch und Zucker. Die Lebensmittel sollten regional und von naturbelassener Qualität, also bio sein. Aber wir wollen nicht zu viel verraten, nur so viel vorab: Mit einer gesunden Ernährung kann viel mehr bewirkt werden, als viele Menschen ahnen. Ernährung ist neben Bewegung und dem Umgang mit Belastungen wie Stress das zentrale Mittel, damit Menschen gesunden beziehungsweise gesund bleiben. Mit der richtigen Ernährung können wir wirklich Krankheiten vorbeugen und können so auch den Menschen etwas an die Hand geben, um selbst Verantwortung zu übernehmen. Wir müssen nicht ständig warten, bis das „Kind in den Brunnen gefallen ist“, so wie wir es heute in der Medizin tun.

Warum habt ihr einen besonderen Fokus auf Klima und Umwelt gelegt?

Fionna: Die Lebensmittelproduktion hat einen hohen CO2-, Wasser- und Flächen-Fußabdruck und trägt maßgeblich zur Verschmutzung von Böden und Gewässern bei. Gesunde Menschen brauchen aber auch einen gesunden Ort, an dem sie leben können. Deswegen finden wir, dass man das Thema Gesundheit heute nicht mehr ohne die Umweltfragen behandeln kann. In den großen Ernährungsratgebern der letzten Jahre ist dies kaum geschehen und diese Lücke wollten wir gerne füllen. Gesundheit und Nachhaltigkeit sind zum Glück auch überhaupt kein Zielkonflikt, sondern folgen den gleichen Grundprinzipien. Fleisch- und Milchprodukte zu reduzieren, ist dabei der größte Hebel. Niemand muss ganz darauf verzichten, aber unser aktueller Konsum ist einfach viel zu hoch. Wenn wir außerdem saisonale und regionale Lebensmittel aus nachhaltiger Landwirtschaft essen, weniger Lebensmittel wegschmeißen und mit dem Fahrrad oder zu Fuß einkaufen, können wir die Umweltbelastungen deutlich reduzieren.

Ist eine gesunde Ernährung aufwendig?

Fionna: Nein, eine gesunde Ernährung muss nicht aufwendig sein. Aus Sorge davor habe ich jahrelang nicht selbst gekocht. Aber dann habe ich mir eine Wokpfanne zugelegt und gemerkt, dass ich in kürzester Zeit frische und leckere Gerichte für die ganze Familie zubereiten kann. Das schaffe ich inzwischen in 20 Minuten. Ich bekomme so eine sehr gesunde und dazu auch noch ziemlich preiswerte Mahlzeit. Wie das geht, haben wir ebenfalls im Buch beschrieben.

Warum fällt es dann oft so schwer, sich gesund zu ernähren?

Fionna: Unser Ernährungsverhalten besteht zu einem großen Teil aus Gewohnheiten. Die sitzen tief und lassen sich nur schwer ändern. Wir beschreiben aber, wie man Schritt für Schritt vorgehen kann und was man dabei beachten sollte. Außerdem reagieren Belohnungszentren in unserem Gehirn positiv auf ungesunde Lebensmittel mit viel Fett und Zucker. In der Steinzeit waren solche Lebensmittel selten und bedeuteten Vorteile fürs Überleben und damit für die Fortpflanzung. Heute, wo es solche Lebensmittel an jeder Ecke und zu jeder Tageszeit gibt, werden sie zum Gesundheitsrisiko. Wir zeigen psychologische Strategien auf, mit deren Hilfe wir unser Steinzeitgehirn austricksen können.

Jörn: Aus meiner Praxis weiß ich, dass Menschen viel mehr schaffen, als sie für möglich gehalten haben. Mit etwas Anleitung sind sie zu erstaunlichen Veränderungen in der Lage. Ich habe zahlreiche Patienten gesehen, denen es gelungen ist, ihr Verhalten nachhaltig zu ändern. Damit haben sie nicht nur ihr Gewicht reduziert und ihren Gesundheitszustand verbessert, sie hatten auch viel mehr Selbstvertrauen, Freude, weniger Stress und bessere Beziehungen. Eine Ernährungsumstellung ist somit oft der erste Schritt zu einer gesünderen Lebensweise.

Gesunde Ernährung heute und morgen

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