Читать книгу Die Linie der Ewigen - Emily Byron - Страница 22
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Nachdem wir zu Ende gebruncht und miteinander das Geschirr abgespült hatten, verabschiedete sich Betty, nicht mehr ganz nüchtern, um in der Stadt dieses Wahnsinnsoberteil zu kaufen, das sie letzte Woche im Schaufenster erspäht hatte. Sie konnte eben doch nicht aus ihrer Haut. Aber das war mir egal, ich wusste mittlerweile schließlich, wie es „darunter“ aussah. Und dafür liebte ich sie umso mehr. Nie hätte ich gedacht, dass meine von allen verehrte Cousine Dr. Bettina Schäfer unzufrieden mit sich und ihrem Leben war. Wie hatte mir das nur all die Jahre über nicht auffallen können? Insgeheim fühlte ich mich ein klein wenig schuldig, immer nur mich und meine angeblichen Defizite ihr gegenüber gesehen zu haben. Hätte ich nur einmal hinter die Kulissen geschaut, vielleicht hätte ich dann schon eher erkannt, dass Betty auch einfach nur das suchte, was sich jede Frau auf der Welt wünschte. Nämlich das, was ich seit zwei Tagen erlebte.
Zuneigung, Wärme und Geborgenheit.
Eine starke Schulter zum Anlehnen.
Und das alles geschnürt in einem derart attraktiven Paket, dass mir schon wieder Zweifel kamen, ob das Ganze wirklich wahr sein konnte. Ein Blick in den Spiegel hatte diese Gedanken nicht gerade verscheucht, eher das Gegenteil. Betty und ich hatten beinahe den ganzen Nachmittag verplempert, dabei wollte mich in Kürze das große, dunkle Paket abholen und irgendwohin entführen, aber ich hatte keine Ahnung, wohin. Wie sollte ich da eine angemessene Garderobe zusammenstellen? Wollte er mit mir im Park spazieren gehen, war ich mit einem Abendkleid definitiv overdressed. Im Nobelrestaurant dagegen würden Ugg Boots und Rentierpulli nicht wirklich gut ankommen. Ja, ich hatte einen Rentierpulli und stand dazu. Jede Frau hätte einen haben sollen, denn er hielt mollig warm und machte Laune auf Weihnachten, aber das nur nebenbei.
Betty hatte mir erneut dazu geraten, die goldene Mitte zu wählen. Also eine knackig sitzende Jeans, dazu einen purpurnen Pulli mit Stretch und V-Ausschnitt. Man mochte gar nicht glauben, wie gut die Kombination von Rot und verschiedenen Purpurschattierungen wirkte. Meinen Haaren verlieh diese Farbe jedes Mal einen besonderen Kick. Außerdem war Violett meine Lieblingsfarbe. Also – gleich nach Pink. Da musste man schon unterscheiden.
Nach einer Dusche sowie einer Generalüberholung erkannte ich mich endlich im Spiegel wieder und musste überrascht feststellen, dass ich mich richtig gut fand mit meinem wilden Wuschelkopf , der einen beinahe spektakulären Kontrast zur klaren Linie des Oberteils bildete. Der Push-up zauberte zudem einen netten Kinderarsch ins Dekolleté. Also, wenn Daron das nicht gefiel, dann wusste ich auch nicht weiter. Ach ja, Daron …
Seit meine Cousine weg war, war ich wieder ins Grübeln verfallen, aber wie zuvor zu keinem richtigen Ergebnis gekommen. Ich wusste, ich war definitiv verliebt in diesen dunklen Riesen mit den Smaragdaugen und der mysteriösen Ausstrahlung. Das war allerdings auch gleichzeitig der unberechenbare X-Faktor – das Mysteriöse. Wenn man alles aufaddierte, was mir durch und mit ihm bisher widerfahren war, dann kam unterm Strich nur ein großes Fragezeichen dabei heraus. Und das wohlgemerkt innerhalb von lediglich zwei Tagen! Andere erlebten so etwas nicht mal innerhalb eines ganzen Jahres. Besonders das Erlebnis mit Mael jagte mir mehr und mehr Schauer über den Rücken. Heute Abend würde ich Daron nach ihm fragen. Egal, wo er mit mir hin wollte. Ich musste einfach wissen, was es damit auf sich hatte. Und je mehr ich mich mit diesem Gedanken beschäftigte, desto stärker quoll ein neuer an die Oberfläche meiner Hirnwindungen.
Was, wenn ich die Antwort darauf lieber doch nicht wissen wollte?