Читать книгу Die Linie der Ewigen - Emily Byron - Страница 39
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Irgendwann waren wir eng aneinander gekuschelt eingeschlafen. In dieser Nacht war mein Schlaf traumlos und erholsam gewesen, was, ehrlich gesagt, nach den Ereignissen der letzten Tage auch dringend notwendig gewesen war.
Mein kleines pinkfarbenes Handy hatte viel zu früh auf meinem Nachttisch geklingelt. Zumindest für mein Empfinden. Ich hätte noch ewig an Darons Seite liegen bleiben können, doch als ich mich verschlafen zu ihm umdrehte, bemerkte ich, dass er mich bereits mit wachsamem Blick musterte.
„Guten Morgen, Kleines.“
„Guten Morgen“, erwiderte ich verschlafen und wollte am liebsten an seine Brust gedrückt wieder einschlafen. Doch Darons Hände streichelten zärtlich über so manche Stelle meines Körpers, die eindeutige Signale an meine Mitte schickte. Zerknautscht öffnete ich eines meiner Augen und fragte Daron, ob er etwa nach der letzten Nacht immer noch nicht genug bekommen habe.
„Von dir? Niemals!“, lachte er mit einer solchen Entschlossenheit, dass es mir einen freudigen Stich ins Herz versetzte. Wie lange hatte ich darauf gewartet, dass das mal ein Mann zu mir sagen würde.
„Allerdings fürchte ich, wir werden das auf später verschieben müssen, denn kleine Rotschöpfe müssen sich jetzt aus dem Bett und in die Arbeit quälen.“
Ach ja, richtig, da war ja noch was.
Mein normales Leben.
Irgendwie hörte sich das komisch an.
„Na gut“, maunzte ich und pellte mich aus meinen warmen, weichen Laken. Zusammen zogen wir uns an, und während Daron in der Küche Tee kochte, unterwarf ich mich im Bad meinem morgendlichen Schönheitsritual. Als ich meine schweineteure Augenfaltencreme auftragen wollte, bemerkte ich, dass sich die eine größere Falte unter meinem rechten Auge, gegen die ich schon seit einem Jahr erfolglos kämpfte, erstaunlich gut zurückgebildet hatte. Sie war kaum mehr zu sehen. Erst dachte ich, ich hätte noch Schlaf in den Augen, und zwinkerte ein paar Mal, doch als ich mein Spiegelbild genauer inspizierte, musste ich meinem ersten Eindruck recht geben.
Die Falte war fast weg.
Wie über Nacht verschwunden.
Also, das war jetzt ein Ding.
Und noch während ich einen ungläubigen Blick auf die Creme in meiner Hand warf, kam mir der Gedanke, dass sie wohl eher nicht der Grund für meinen plötzlichen Erfolg im Kampf gegen das Alter sein konnte. Hatte die Verbindung zwischen Daron und mir etwa schon begonnen, sich auf eine mir unbekannte Weise zu festigen? Leicht verunsichert führte ich meine Fassadenrenovierung zu Ende, bändigte meine Haare und schlüpfte zum Schluss in eine schwarze Röhrenjeans. Dazu wählte ich einen engen roten Pullover mit V-Ausschnitt, der farblich wunderbar mit meiner Haarfarbe harmonierte.
Als ich die Küche betrat, erwartete mich dort bereits mein dampfender irischer Frühstückstee. Irisch.
Schon merkwürdig, wie man unterbewusst die Fäden seines Lebens spann und erst viel später die Zusammenhänge erkannte. Ich grinste in mich hinein und nahm einen großen Schluck aus meiner Lieblingstasse.
„Sehen wir uns heute Abend?“, fragte Daron und riss mich damit aus meinen Gedanken. Da musste ich lachen, ging zu ihm rüber und kniff ihn keck in seinen knackigen Hintern, wofür ich einen sanften Protest erntete.
„Was für eine Frage. Natürlich!“, grinste ich weiter und drückte mich eng an Darons Traumkörper.
„Ich frage mich langsam, ob der Tee in deiner Tasse der gleiche ist wie meiner, so frech wie du auf einmal bist“, schmunzelte er. „Ich komme gegen acht Uhr vorbei, geht das in Ordnung für dich?“
Ich nickte und gab ihm einen Kuss. Seine Zunge schmeckte nach Tee und Zucker, und ich genoss es, mit meiner vorsichtig über deren raue Oberfläche zu streifen. Hätte ich nicht zur Arbeit gemusst, ich hätte sofort wieder über ihn herfallen können. Hier in der Küche, drüben im Wohnzimmer, auf dem Tisch, der nur einen Meter von uns entfernt stand …
„Nein, nein, das geht jetzt nicht, ich muss weiter,“ löste ich mich scherzhaft schimpfend von seinem Mund und drohte ihm mit dem Zeigefinger. „Verdammt, Daron, könntest du bitte etwas weniger anziehend auf mich wirken? Wenn das so weitergeht, kann ich niemals wieder in die Öffentlichkeit. Allein schon deine bloße Anwesenheit lässt meine Vernunft in Lichtgeschwindigkeit in meinen String rutschen.“
Keck grinsend nahm er mir die mittlerweile leere Tasse ab.
„Und? Wäre das so schlimm?“
Nein, natürlich nicht. Aber das sagte ich ihm so jetzt nicht, sondern streichelte ihm stattdessen liebevoll über seine Wange und legte all die Liebe, die ich für ihn empfand, in meinen Blick. Daron erkannte, was ich ihm damit sagen wollte, denn er schenkte mir ein so zufriedenes Lächeln, dass meine Selbstbeherrschung fast wieder dahingeschmolzen wäre wie ein Eis an einem heißen Sommertag.
„Und jetzt los!“, befahl er mir, drehte mich um und gab mir einen Klaps auf meine vier Buchstaben. Na, ausnahmsweise wollte ich gehorchen, aber wirklich nur ausnahmsweise. Nachdem ich in meine dunklen Stiefel geschlüpft war sowie Mantel und Schal übergeworfen hatte, reichte mir Daron meine kleine Tasche und verließ mit mir zusammen die Wohnung. In seinem langen, schwarzen Ledermantel und der engen Jeans sah er einfach umwerfend aus. Kennen Sie diese Slow-Motion-Szenen aus dem Kino, wenn der Held bis an die Zähne bewaffnet in Zeitlupe auf die Kamera zu schreitet, die Haare wild im Wind wehend? Verdammt, Aline, jetzt reiß dich zusammen! Die Kunden warten auf dich.
Vor der Haustür umarmte Daron mich noch einmal, gab mir einen letzten zärtlichen Kuss und sah mir tief in die Augen.
„Bis heute Abend. Ich freue mich auf dich.“
„Und ich mich auf dich“, antwortete ich. Ich sah ihm nach, als er in seinen imposanten Geländewagen stieg und davonfuhr. Fast zwölf Stunden ohne ihn; ich wusste nicht, wie ich das durchhalten sollte. Andererseits tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass ich ihn bald für alle Ewigkeit an meiner Seite haben würde, sodass mir der Abschied ein kleines bisschen weniger schwer fiel.
Wenn auch nicht wirklich leicht.
Na ja, frisch verliebt eben, Sie kennen das ja.
Irgendwo hörte ich etwas scheppern und jemanden lautstark fluchen. Wahrscheinlich war mal wieder meinem Nachbarn im ersten Stock die Bratpfanne mit seinem Frühstücksspeck heruntergefallen. Das passierte in der Regel zweimal im Monat. Im Haus liefen bereits heimliche Wetten, wann es wieder so weit sein würde.
„Ich fasse es nicht! Was für ein Bild von einem Mann!“, kreischte plötzlich jemand hinter mir los, sodass ich fast einen Herzstillstand erlitt. Ich drehte mich um und sah eine völlig aufgeregte Betty mit weit aufgerissenen Augen und noch weiter aufgerissenem Mund vor mir stehen. Sie lachte und umarmte mich, ehe ich wusste, wie mir geschah.
„Aline, sag mir bitte nicht, dass das der Kerl ist, über den wir neulich gesprochen haben! Der ist ja ein Gott!“
„Ähm … ja. Hallo, Betty“, war das einzige, was ich in diesem Moment herausbekam. Ich musste gerade mühsam die gerissenen Fäden meines Lebensstrangs wieder kitten. Irritiert fragte ich sie, was sie an einem Montag in aller Herrgottsfrühe hier bei mir vor der Haustür zu suchen hatte. Daraufhin hielt sie mir eine Tüte vom Bäcker ums Eck unter die Nase, die verdächtig nach Kürbiskernbrötchen duftete.
„Ich muss auf eine Tagung hier in der Nähe und dachte mir, ich nutze die Gelegenheit, meinem Cousinchen schnell ein Frühstück vorbeizubringen.“ Dass sie bei dieser Lüge nicht einmal rot wurde, erstaunte mich nicht im Geringsten. Wenn Betty etwas wissen wollte, dann erfuhr sie das auch, egal wie. Mit ihrer Schnüffelnase hätte sie Sherlock Holmes alle Ehre gemacht.
„Ja, klar, Betty, rein zufällig“, schmunzelte ich und freute mich insgeheim darüber, dass ich mich heute nicht mit einem labberigen Brötchen aus der Kantine begnügen musste.
„Ach, jetzt sei mal nicht so pingelig“, schmollte sie gespielt. „Sag mir lieber, wer das war. Wie heißt er, wo hast du ihn kennengelernt, und hat er vielleicht einen Bruder, der noch Single ist? Gott, Aline, wo kommt er her, von der Insel der Supermodels?“
„Betty“, seufzte ich, „es ist ja sehr lieb, dass du dich um mein leibliches Wohlergehen sorgst und mir extra Frühstück bringst. Ich würde dir auch gerne all deine Fragen beantworten, aber leider warten im Büro mindestens zehn wichtige Telefonate auf mich, die keinen Aufschub dulden.“ Gut, dass mit dem „gerne Fragen beantworten“ war dann schon ein bisschen geflunkert, aber ich musste ja auch nicht grundlos unhöflich sein.
„Ach, komm schon, Aline“, maulte sie und hüpfte wie ein kleines Kind von einem Bein auf das andere, sodass ihre blonden Haare, die an den Enden zu Locken geringelt waren, auf und absprangen. „Lass mich jetzt nicht einfach so hängen. Nicht, nachdem ich ihn gesehen habe. Bitte!“ Dabei formte sie einen so perfekten Schmollmund, dass ich in schallendes Gelächter ausbrach. Die Situation war einfach zu absurd, und irgendwie freute ich mich auch, dass Betty so Anteil an meinem Liebesglück nahm. Es gibt kaum etwas Schöneres als jemanden, der sich ehrlich mit einem freut.
„Also gut, wir machen einen Deal“, schlug ich vor. „Du fährst mich schnell mit deinem schicken Sportwagen in die Firma, und ich gebe dir auf der Fahrt dorthin einen kleinen Steckbrief des großen Unbekannten.“
„Abgemacht!“, lachte sie mit strahlenden Augen und dirigierte mich zielstrebig zu ihrem roten Porsche, den sie mal eben schnell in zweiter Reihe geparkt hatte. Nein, nicht nur rot, streichen Sie das. Das Auto war orientrotperlmetallic, wie Betty immer betonte. Ich persönlich fand die Lackierung zwar eine Nummer zu heftig, doch Betty sagte immer, das Leben sei zu kurz für Langeweile.
Bei diesem Gedanken kam ich ins Grübeln.
Wenn Betty nur gewusst hätte, wie recht sie damit hatte.
In diesem Augenblick mehr als jemals zuvor.