Читать книгу Internationales und Europäisches Steuerrecht - Florian Haase - Страница 76
b) Zum Erfordernis einer inländischen Betriebsstätte
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Fall 13:
Die T-GmbH, deren Geschäftsleitung sich in der Gemeinde L befindet, unterhält im Veranlagungszeitraum 2011 wie in den Jahren zuvor auf dem Weihnachtsmarkt der Gemeinde H einen Verkaufsstand. Der Markt findet jährlich in der Zeit von Totensonntag bis Heiligabend statt. Betriebsprüfer P, des in der Gemeinde L zuständigen Finanzamts, ist der Ansicht, dass es sich bei dem Verkaufsstand nicht um eine Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO handele. Deshalb seien die für den Gewerbebetrieb der T-GmbH festgesetzten oder noch festzusetzenden Gewerbesteuermessbeträge nicht gemäß § 28 Abs. 1 GewStG zu zerlegen. Er lehnt deshalb die Zerlegungsanträge des Finanzamts der Gemeinde H ab. Lösung Rn 222
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Fall 14:
Die inländische X-GmbH führt Tiefbauarbeiten aus, insbesondere verlegt sie durch eigene Bautrupps Gasleitungen und Leitungen für die Post oder für Kommunalverwaltungen. Zwischen ihr als Betriebsgesellschaft und dem Einzelunternehmen ihres Mehrheitsgesellschafters besteht eine Betriebsaufspaltung[168]. Der Gesellschafter hat sein gesamtes Unternehmen an die X-GmbH verpachtet. Der Pachtzins beträgt im Veranlagungszeitraum 2007 insgesamt 600 000,– Euro. Betriebsprüfer P ermittelt in seinem Dienstzimmer den Gewerbeertrag, indem er gemäß § 8 Nr 7 Satz 1 GewStG aF die Hälfte der Pachtzinsen (= 300 000,– Euro) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzurechnet und erlässt einen entsprechenden Gewerbesteuermessbescheid. Dagegen wandte sich die X-GmbH mit dem Einwand, sie unterhalte mit jedem einzelnen Bautrupp eine Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 2 Nr 8 Buchstabe c AO und keiner der auf diese einzelnen Betriebsstätten entfallenden Anteile des Pachtzinses übersteige den für die Hinzurechnung nach § 8 Nr 7 Satz 2 GewStG aF maßgeblichen Grenzbetrag von 125 000,– Euro. Da der Verpächter im Rahmen der Betriebsaufspaltung seinerseits gewerbesteuerpflichtig sei, greife insoweit die Ausnahme des § 8 Nr 7 Satz 2 GewStG aF Betriebsprüfer P hat keinen Kommentar zur Hand. Was ist zu tun? Lösung Rn 225
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Für das Ertragsteuerrecht gilt die Betriebsstättendefinition des § 12 AO. Das abweichende Betriebsstättenverständnis im Rahmen der §§ 4 Abs. 5 Nr 6[169], 41 Abs. 2 EStG ist nicht entscheidend und trägt allein der Besonderheit der dort geregelten Einzelfälle Rechnung. Die Grundregel für die Betriebsstätte (permanent establishment) findet sich in § 12 Satz 1 AO. Danach ist unter einer Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage zu verstehen, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Im Satz 2 der Norm folgen sodann Regelbeispiele, in denen das Gesetz von einer Betriebsstätte ausgeht. Aus dem Wort „insbesondere“ ist aber ersichtlich, dass dieser Betriebsstättenkanon nicht abschließend ist. Auch andere als explizit in Satz 2 genannte Geschäftseinrichtungen können Betriebsstätten sein.
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Umgekehrt stellen die Regelbeispiele zuweilen Voraussetzungen für eine Betriebsstätte auf, die in § 12 Satz 1 AO nicht genannt sind (die 6-Monats-Frist des § 12 Satz 2 Nr 8 AO etwa findet sich im Satz 1 der Norm nicht wieder). Und schließlich nehmen die Regelbeispiele die Anforderungen an eine Betriebsstätte gegenüber § 12 Satz 1 AO manchmal auch zurück (§ 12 Satz 2 Nr 8 AO verzichtet offensichtlich auf eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage: „… örtlich fortschreitende oder schwimmende …“).
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Das Zusammenspiel von Satz 1 und Satz 2 des § 12 AO[170] ist dahingehend zu verstehen, dass jede Prüfung, ob eine Betriebsstätte vorliegt, mit dem Grundsatz des § 12 Satz 1 AO zu beginnen hat. Im Rahmen der Auslegung dieser Norm gewinnen die Regelbeispiele des Satzes 2 eine indizielle Bedeutung. Es müssen daher im Einzelfall auch nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale des Satzes 1 erfüllt sein, solange ausdrücklich ein Anwendungsfall des Satzes 2 gegeben ist. Innerhalb des Satzes 2 wiederum sind die tatbestandlichen Erweiterungen etwa der Nr 8 auch auf andere Regelbeispiele übertragbar[171]. Die Beurteilung von Betriebsstätten seitens der Finanzverwaltung nebst den damit zusammenhängenden praktischen Problemen ist im sog. Betriebsstättenerlass[172] niedergelegt. Hierzu nachstehend im Einzelnen: