Читать книгу Patente wozu? und wofür sie erlangen? - Frank P. Goebel - Страница 3
ОглавлениеI. Das Patent als Eigentumsrecht - Rechte und Pflichten
Wozu eigentlich Patente?
(1) Patente sind wie eine Münze. Sie sind etwas wert (Geld und soziale Anerkennung ). Und sie haben zwei Seiten. Die eine Seite ist eine rechtliche, die andere eine informationelle. Genauer gesagt:
(2) Patente haben zwei Funktionen. Erstens begründen sie für ihren Inhaber Rechte; wer dies nicht sieht, verschenkt möglicherweise eine Menge Geld (und Ansehen). Zweitens liefern sie für jeden anderen und damit für die Allgemeinheit wichtige Informationen; das zu ignorieren kann Sie teuer, sehr teuer zu stehen kommen .
Was ist ein Patent - ganz allgemein?
(3) Das Patent ist das klassische gewerbliche Schutzrecht für neue technische Lösungen von besonderem Niveau. Das Patentamt ist die zuständige Behörde. Es wird in Russland (RU) jährlich in über 35000 Anmeldungen beim Russischen Bundesamt für geistiges Eigentum, Patente und Marken (ROSPATENT), in Deutschland (DE) in etwa 60000 Anmeldungen beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) beantragt. Es verleiht einen Sonderschutz, der über nach dem russischen Zivilgesetzbuch (ZivG Teile I-III) bzw. in DE nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) erworbene oder erwerbbare Rechte hinausgeht. Seine förmliche und sachliche Berechtigung (siehe Nr. 78) wird im Patenterteilungsverfahren bei ROSPATENT bzw. DPMA geprüft. Gesetzliche Grundlage sind in RU das ZivG Teil IV (= russisches Patentrecht), in DE das Patentgesetz (PatG), siehe Nr. 306.
RU Art. 1384, 1386 ZivG
DE §§ 42, 44 PatG
Das deutsche Patentrecht ist mit dem europäischen Patentrecht (dem Recht des Europäischen Patentübereinkommens EPÜ) harmonisiert. Dieses europäische Recht stimmt also im Prinzip mit dem deutschen überein.
(4) Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer behördlichen Überprüfung, ob das Patent formell und materiell zu Recht besteht. Diese Überprüfung erfolgt, wenn jemand nach der Patenterteilung mit dem neuen Ausschließungsrecht nicht einverstanden ist, sondern sich dagegen wehrt. Für jeden Dritten gibt es nämlich die Befugnis, bei der Patentbehörde (ROSPATENT bzw. DPMA) Einspruch gegen die Patenterteilung zu erheben: in RU richtet sich der Einspruch an die Kammer für Patentstreitigkeiten bei ROSPATENT, in DE an das DPMA mit seinen Patentabteilungen.
RU Art. 1398 (1) (2) ZivG
DE § 59 PatG
(5) Doppelte Prüfung durch eine Verwaltungsbehörde heißt aber auch hohe „Bestandskraft“ (ähnlich wie beim Gerichtsurteil „Rechtskraft“): das Patent genießt ein relativ hohes Ansehen bei den Wettbewerbern für die Frage, ob es auch durchgesetzt werden kann.
(6) Erst mit der Patenterteilung durch das Patentamt wird das Recht begründet (anders als beim Urheberrecht, wo das Recht grundsätzlich bereits mit der Schaffung des Werkes entsteht, also ohne Mitwirkung einer staatlichen Stelle).
(7) Das Patentrecht ist zeitlich begrenzt: es gilt nämlich höchstens 20 Jahre ab dem Anmeldetag
RU Art. 1363 (l)ZivG
DE § 16 PatG
(anders als beim Urheberrecht, wo das Recht im allgemeinen erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlöscht; anders auch als beim Markenrecht, wo die Marke grundsätzlich unbegrenzt verlängert werden kann).
(8) Das Patent ist in seiner Wirkung auch räumlich begrenzt: es gilt nämlich nur in dem Raum, für den es erteilt worden ist. Das heißt, russische Patente gelten nur in Russland, deutsche Patente nur in Deutschland (anders als bei meinem Sacheigentum, das grundsätzlich ohne weiteres in allen Ländern als mein ausschließliches Recht anerkannt wird).
(9) Wer in einem anderen Land Patentschutz erlangen will, hat drei Möglichkeiten:
er erwirbt in dem anderen Land ein nationales Patent
er erwirbt (soweit regionale Patentorganisationen bestehen) ein regionales Patent mit Wirkung für das gewünschte Mitgliedsland der regionalen Patentorganisation, z.B. ein Eurasisches Patent mit Wirkung für Russland oder ein Europäisches Patent mit Wirkung für Deutschland
er erwirbt in dem anderen Land ein nationales Patent, aber unter Nutzung des Patentzusammenarbeitsvertrags PCT, der den Anmeldungsvorgang und weitere Verfahrensschritte zusammenfasst und vereinfacht.
(10) Patentschutz ist der Sonderschutz, der für technische Erfindungen erworben werden kann. Besondere wissenschaftliche Leistungen oder wirtschaftliche Erfolge können mittelbar, z.B. im Zusammenhang mit der Schutzvoraussetzung der „erfinderischen Tätigkeit“, Bedeutung erlangen. Unmittelbar ist aber zunächst ausschlaggebend, ob eine technische Erfindung vorliegt oder nicht.
(11) Technische Erfindung ist eine Lehre zum technischen Handeln. Eine „Lehre“ liegt bei Erzeugnissen (Produkten, Vorrichtungen, Stoffen) in der Anweisung, wie dieses Erzeugnis bereitgestellt werden kann. Bei Verfahren (Bearbeitung, Verarbeitung, Herstellung) ist sie in der Anweisung für die Verfahrensdurchführung zu finden.
(12) Nur Erfindungen neuer technischer Lösungen sind dem Patentschutz zugänglich. Beschränkt sich die Neuerung auf eine erstmals aufgefundene und nachgewiesene naturgesetzliche Gegebenheit oder einen in der Natur aufgefundenen Stoff (Mineral usw.), so kann dafür allein kein Patentschutz erlangt werden. Dies gilt auch für neue Rechenregeln wie etwa neu entwickelte Algorithmen. Wenn eine solche Entdeckung allerdings zur technischen Lösung eines bestehenden Problems genutzt wird, so ist für diese Lösung Patentschutz möglich.
(13) Problemlösungen sind nur dann dem Patentschutz zugänglich, wenn sie technischen Charakter haben. Als technisch wird eine Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges angesehen. Wird zur Lösung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe nicht von den Kräften der Natur (außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit) Gebrauch gemacht - wie z. B. meistens bei einem Software-Programm -, so liegt kein technischer Gegenstand vor.
(14) Zwei aktuelle Grenzfälle sind die Biotechnik und der Software-Bereich. Biotechnische Entwicklungen sind jedenfalls insoweit dem Patentschutz zugänglich, als sie Mikroorganismen oder Verfahren unter deren Verwendung betreffen. Bei der Entwicklung neuer Pflanzensorten geht der gesetzliche Sonderschutz vor.
RU Art. 1408 ff. ZivG
DE Sortenschutzgesetz
(15) Software-Entwicklungen sind grundsätzlich dem Schutz durch Urheberrecht (in DE durch das Urheberrechtgesetz) zugeordnet.
RU Art. 1261 ZivG
DE § 69 a UrhG
(16) Der Ausschluss vom Patentschutz gilt aber nur insoweit, als für Programme für Datenverarbeitungsanlagen „als solche“ Schutz begehrt wird.
RU Art. 1350 (5) ZivG
DE § 1 (3,4) PatG
Informationsfunktion des Patents - habe ich davon einen Vorteil?
(17) Ja, besonders sofern Sie gewerblich tätig sind (also eine Produktion, ein Dienstleistungsunternehmen, eine Handelsfirma betreiben). Aber auch einfach als erfinderisch Tätiger können Sie von der Informationsfunktion des Patents profitieren. Und umgekehrt gilt es genauso: wenn Sie die Informationsmöglichkeit ignorieren, kann Ihnen ein erheblicher Schaden entstehen.
(18) Der Vorteil für Sie liegt im Folgenden: Jede technische Erfindung, die zur Patentierung angemeldet wird (außer militärische Geheimnisse, für die der Schutz durch „Geheimpatente“ möglich ist), wird nach einer bestimmten Frist veröffentlicht. Jeder hat also Zugang zur Anmeldung samt der Beschreibung, der Zeichnung, den Patentansprüchen. Das nützt der Allgemeinheit, jedem Wettbewerber, aber letztlich auch dem Anmelder.
RU Art 1385 ZivG
DE §§31,32 PatG
(19) Es gibt also auch kein Patent (außer für Staatsgeheimnisse), das nicht für jedermann einsehbar wäre. Hierin liegt der Unterschied zum Schutz von Erfindungen und sonstigen Neuerungen durch Geheimhaltung (besonders üblich bei „know-how“, für das der Patentschutz nicht möglich ist): Sie vereinbaren in diesem Fall mit Ihrem Geschäftspartner Vertraulichkeit und schützen so Ihre Erfindung vor dem Zugriff durch unbefugte Dritte. Allerdings nur, solange die Sache tatsächlich vertraulich bleibt; wird sie trotzdem bekannt, ist sie dann im Prinzip schutzlos.
(20) Der Nutzen für die Allgemeinheit liegt darin: die vom Anmelder gefundenen technischen Erkenntnisse und ihre Anwendung für die Praxis (ihre Umsetzung in Lösungen für bisher ungelöste technische Probleme) werden jedem, der sich dafür interessiert, zugänglich. Der technische Wissensstand der Gesellschaft wird damit bereichert. Jeder, der in diesem Bereich forscht (oder jedenfalls Verbesserungen entwickelt), kann sofort auf diesen Ergebnissen aufbauen und braucht sie sich nicht erst selbst zu erarbeiten. Aufwendige Doppelentwicklungen (dieselbe Lösung für dasselbe Problem) können so vermieden werden: Wenn das Rad erst einmal erfunden ist, brauchen sich die technisch Interessierten nicht endlos weiter zu bemühen, selber noch einmal diese Erfindung zu machen. Das spart gesellschaftliche Ressourcen, setzt sie vielmehr für neue Weiterentwicklungen frei. Das Patentsystem ist damit ein Treibriemen für den wissenschaftlichen Fortschritt der Gesellschaft.
(21) Der Vorteil speziell für den gewerblichen Konkurrenten des Anmelders (und damit gegebenenfalls für Sie) ist folgender: Er erfährt dadurch, auf welchem Gebiet der Anmelder technische Entwicklungen betreibt und welche Erfolge er jetzt erzielt hat. Damit kann der Konkurrent Einblick in den forscherischen Entwicklungsstand, vielleicht auch in die unternehmerische Strategie des Anmelders gewinnen. Wenn der Konkurrent selber an einer Lösung des zugrunde liegenden technischen Problems gearbeitet hat, kann er jetzt - besser früher als später - die unnütze weitere Arbeit einstellen oder nach Lösungen suchen, die die angemeldete Erfindung umgehen (sie also nicht verletzen) oder sie verbessern. Der Konkurrent kann also unnötige Kosten vermeiden. Er kann eventuell zugleich auf dem neuen Kenntnisstand nach weiteren Lösungen suchen.
(22) Die Informationsfunktion des Patents hat für den gewerblichen Konkurrenten des Anmelders im Übrigen noch folgende Konsequenz (Wichtig! Er kann sich vor großem Schaden bewahren!): jedem ist es möglich, sich anhand dieser Informationen über die geltende Schutzrechtslage zu unterrichten. Der Konkurrent kann also, wenn er nur will, erfahren, für welche technischen Lösungen bereits zugunsten eines anderen eine Schutzrechtsanmeldung oder sogar ein erteiltes Schutzrecht besteht. Wenn er trotzdem diesen Gegenstand auf den Markt bringt oder anderweitig gewerblich nutzt, macht er sich ersatzpflichtig. Die Informationsfunktion bringt dem Konkurrenten also mittelbar einen weiteren Vorteil: wenn er sie nutzt und sich also über die bestehenden Anmeldungen und Schutzrechte unterrichtet, ist es ihm möglich, rechtlich kollidierende Handlungen zu unterlassen und so Zahlungsansprüche des Anmelders/Patentinhabers zu vermeiden.