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Vom Wesen der Stadtplanung

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Planung ist ein schillernder Begriff: Er kann einen Vorgang bezeichnen – den des Planens – und er wird häufig auch auf dessen Ergebnis angewandt – auf die »Pläne«, die dann in die Wirklichkeit umgesetzt werden sollen. Diese Pläne können unterschiedlichen Zwecken dienen: der Darstellung eines zu schaffenden Objektes – eines Gerätes, eines Hauses, einer Siedlung – oder der Festlegung eines reibungslosen Ablaufs – eines Produktionsvorgangs, einer Reise, eines Bauvorhabens – oder auch dem vorausschauenden Umgang mit begrenzten Hilfsquellen (Ressourcen), um deren Erschöpfung oder unzweckmäßigen Nutzung vorzubeugen: Ressourcen wie Geld oder Rohstoffe oder Raum.

In der Stadtplanung begegnen und vereinen sich diese unterschiedlichen Interpretationen von Planung: Die Schaffung – wie auch die Umnutzung oder Umgestaltung – eines Baugebietes setzt zunächst seine sinnvolle Einordnung in die langfristige Entwicklungsplanung der Stadt voraus. Dazu benötigt man einen Plan des Zielzustands, an dem sich Struktur, Gestalt und Funktion nach Art eines »Modells« ablesen lassen – und auch der reibungslose Ablauf von Finanzierung, Grunderwerb, Erschließung und Baumaßnahmen bedarf der Planung. Es gehört zu den spezifischen Anforderungen an den Stadtplaner, dass er der Verknüpfung dieser Planungsansätze in Raum und Zeit Rechnung tragen kann.

Ein solches Vorhaben mag vielleicht fünf Jahre in Anspruch nehmen und kann dabei auch einige Veränderungen erfahren, aber es bleibt im Grundsatz übersehbar: Planung eines künftigen Zustands. Will man weiter vorausschauen, will man das ganze Stadtgebiet ins Auge fassen, dann versagt dies Verfahren. Eine Stadt ist nie fertig, für sie gibt es keinen »Endzustand«, solange sie lebendig bleibt. Pläne, die den Versuch machen, das Stadtgebiet nach Ablauf von fünfzehn oder zwanzig Jahren zu zeigen (Entwicklungspläne, Perspektivpläne), sind Projektionen, sind Vermutungen, deren Voraussetzungen sich schon nach einigen Jahren geändert haben können, so dass die Vorstellungen revidiert werden müssen. Ein Rückblick auf den Wechsel der in die Stadtentwicklung gesetzten Erwartungen im zwanzigsten Jahrhundert belegt das. So kann es für die Stadt insgesamt nur darum gehen, Möglichkeiten für die Zukunft offenzuhalten und mit den räumlichen Ressourcen sparsam umzugehen, während die auf Herstellung, Neubau oder Umbau gerichtete Planung zwangsläufig Ressourcen festlegt, Geld erfordert, Raum beansprucht. In der Begegnung dieser beider Arten von Planung – die eine mehr der großräumigen Landesplanung und Raumordnung verwandt, die andere der Architektur, dem Bauen – liegt ein kennzeichnender Wesenszug der Stadtplanung.

Aber auch beim objektbezogenen, auf baldige Verwirklichung gerichteten Plan trifft die Analogie zum Architekturentwurf und dessen Ausführung nur bedingt zu – nur dann nämlich, wenn das Baugebiet in der Hand eines einzigen Bauträgers ist, der auch die städtebauliche Planung übernimmt. Beispiele hierfür bieten vor allem die im dritten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts entstandenen Wohnanlagen. Indessen gibt es heute in der Regel viele Eigentümer und Investoren, deren Wünsche in die Planung einbezogen und miteinander abgeglichen werden müssen. Um solche Abstimmung zu erleichtern, haben sich Formen des Zusammenwirkens entwickelt, die als »Public-Private-Partnership« bezeichnet werden.

So lässt sich Stadtplanung auf eine sehr allgemeine Weise definieren als das Bemühen um eine den menschlichen Bedürfnissen entsprechende Ordnung des räumlichen Zusammenlebens – auf der Ebene der Stadt oder Gemeinde. Allerdings ist dieser gängige Begriff, ebenso wie der häufig im gleichen Sinne verwandte Begriff »Städtebau«, insofern unscharf, als üblicherweise auch diejenigen Siedlungen damit gemeint sind, die nicht den Status einer Stadt haben; der weniger gebräuchliche Begriff der »Ortsplanung« trifft den Sachverhalt besser. In Großbritannien wird offiziell von »town and country planning« gesprochen, also der ländliche Raum mit einbezogen, während man sich in der Umgangssprache meist auf »town planning« beschränkt. In letzter Zeit findet der Begriff des »spatial planning« in Großbritannien zunehmend Anwendung; steht dabei die Flächennutzung im Vordergrund, so kennzeichnet »urban design« die gestalterische Komponente des Städtebaus. In den Vereinigten Staaten ist »city planning« gängig, aber auch »urban planning« oder »community planning« werden verwendet. Die romanischen Sprachen leiten ihre Begriffe durchweg vom lateinischen Wort für Stadt (»urbs«) ab: »urbanisme« (frz.), »pianificazione urbanistica« (ital.), »urbanisación« (span.). Der niederländische Fachausdruck heißt »stedebouw« - der Bau von Stätten –, also »Ortsbau«.

Die Frage drängt sich auf, was denn nun das Wesen dieser Tätigkeit des Planens sei. Offenbar geht es um eine fachliche Leistung um den Entwurf von künftigen Veränderungen der Umwelt –, die sich auf ein umfassendes Verständnis der Zusammenhänge und der Wirkkräfte innerhalb dieser Umwelt stützen muss und die zugleich zu ihrer Verwirklichung auf politische Entscheidungen einerseits, auf Rechts- und Verwaltungsverfahren andererseits angewiesen ist. So hat man bereits um die Jahrhundertwende den Städtebau als Kunst und Wissenschaft zugleich interpretiert (Goecke 1904). In einer amerikanischen Definition aus den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts kommt dieses Verständnis deutlich zum Ausdruck: »Stadtplanung ist eine Wissenschaft, eine Kunst und eine politische Bestrebung, die sich auf die Formung und Lenkung des physischen Wachstums und der Ordnung von Städten im Einklang mit ihren sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen richtet. Wir betreiben sie als Wissenschaft, um Kenntnisse der Stadtstruktur, ihrer Dienstleistungen sowie der Beziehung ihrer Bestandteile und der Verkehrsbewegungen zu gewinnen, als Kunst mit dem Ziel der Bestimmung der Bodenordnung, der Anordnung von Flächennutzungen und Verkehrswegen und des Gebäudeentwurfs nach Grundsätzen, die Ordnung, Gesundheit und Wirtschaftlichkeit sichern, und als politische Bestrebung, um unseren Grundsätzen Wirksamkeit zu verleihen« (Adams 1935, S. 21).

Nun ließe sich vielleicht gegen den Begriff der Kunst einwenden, dass das Ergebnis der Planungstätigkeit doch allzu sehr von der Fülle höchst unterschiedlicher und zum Teil recht zufälliger Bindungen abhänge, als dass man es mit einer der freien Künste vergleichen könne; tatsächlich verfügt noch die Architektur über einen erheblich weiteren künstlerischen Spielraum als der Städtebau. Gleichwohl ist der Begriff gerechtfertigt, wenn man an ihn nicht die überhöhten Maßstäbe der vorigen Jahrhundertwende anlegt, sondern mit ihm die Qualität einer Tätigkeit verbindet – wie etwa beim Begriff der ärztlichen Kunst. »Die Kunst im Städtebau besteht darin, das, was getan werden muss, gut zu tun«. Diese Formulierung von Lethaby (zitiert nach Unwin 1922, S. 4) kann auch heute noch Gültigkeit beanspruchen. Die Wissenschaft kann zur Erarbeitung der Planungsentwürfe unmittelbar wenig beitragen, aber sie ist eine unerlässliche Kontrollinstanz für die Tragfähigkeit der Planungskonzepte. An seinen wissenschaftlichen Einsichten muss der Planer messen, ob das Ergebnis seiner schöpferischen Leistung den zu lösenden Problemen wirklich gerecht wird. Auch das ist keine neue Einsicht; auf den Städtebauer vor allem ist gemünzt, was Theodor Fischer 1917 schrieb: »Zum anderen fordere ich vom Architekten, dass er kein Ideologe sei, das will sagen, dass er nicht einer Laune, einer Mode, einer Kunstidee zuliebe dem Ganzen Gewalt antue« (Fischer 1922, S. 8).

Um dieser Forderung gerecht zu werden, muss zugleich das beherrscht werden, was man das Handwerk der Stadtplanung nennen könnte und was den Hauptgegenstand dieser Einführung ausmacht. Die Verknüpfung dieser Aspekte untereinander kann kaum besser interpretiert werden als in einer wiederum aus amerikanischer Quelle stammenden Formulierung: »Planung ist eine Kunst, die unter Anwendung wissenschaftlicher Mittel bemüht ist, das Handwerk zu verbessern« (Dyckman 1969, S. 300).

Es geht also um eine Einflussnahme auf die räumliche Entwicklung, auf die bauliche und sonstige Nutzung des Bodens im städtischen oder gemeindlichen Siedlungsbereich, auf die Art und die Gestalt der Gebäude, der Straßen, Plätze und anderen Anlagen. Das Streben nach einer solchen Einflussnahme setzt die Erkenntnis voraus, dass sich sonst – wenn also jedermann sein Grundstück nach seinem Belieben nutzen könnte – Nachteile für die Bewohner, gegenseitige Beeinträchtigungen und Fehlinvestitionen ergeben würden; diese Einsicht stützt sich auf die Erfahrung zumindest der letzten anderthalb Jahrhunderte.

Andererseits gehört es gerade in einer freiheitlichen Gesellschaft zu den Grundregeln der Politik, die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen möglichst wenig einzuschränken. Deshalb wird die Planung nach einem mittleren Weg suchen müssen, der die Berücksichtigung des Allgemeinwohls sichert und zugleich Freiraum für die Entfaltung individueller Nutzungs- und Gestaltungswünsche lässt. Damit ist ein für die Stadtplanung zentraler Begriff gefallen: das Allgemeinwohl, auf das sich das öffentliche Interesse richtet. Die inhaltliche Definition dieses Allgemeinwohls ist allerdings nicht immer leicht, zumal es je nach den politischen Prioritäten unterschiedliche Interpretationen erlaubt. Zudem lässt sich vermutlich von jedem mit dem Allgemeinwohl begründeten Planungsvorhaben nachweisen, dass sich seine Wirkungen keineswegs gleichmäßig auf alle Betroffenen verteilen. Im Gegenteil: Meist wird auch von einer unbestritten im öffentlichen Interesse liegenden Planungsmaßnahme eine Personengruppe – vielleicht die Autofahrer – begünstigt, eine andere – vielleicht die Anwohner – benachteiligt; und schließlich wird sie von einer dritten Gruppe – den Steuerzahlern – bezahlt.

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