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Zum Verständnis und zur Methodik der Planung

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Die soeben dargestellte Auffassung von Planung als Koordinationsaufgabe bestimmte auch noch die erste Nachkriegszeit. Zwar erforderten die umfassenden Probleme des Neuaufbaus vielfach auch kommunalpolitische Grundsatzentscheidungen, aber diese erwuchsen weitgehend aus dem Grad des Vertrauens in die Konzeption des Fachmanns; für die Schlüsselrolle einzelner Persönlichkeiten lassen sich in vielen Städten Beispiele finden.

Indessen gewann um 1960 die Vorstellung an Boden, die Entscheidungen über die räumliche Entwicklung seien im Wesen politischer Natur; das Motto einer viel beachteten Tagung aus dem Jahre 1955 – »Der Stadtplan geht uns alle an« (Dortmunder Gespräch 1955) – fand zunehmend Gehör. Hinzu kam die Einsicht, dass die »natürliche Entwicklung« (im Sinne des oben genannten Zitats von Abercrombie) in Wahrheit längst durch zahlreiche Einflüsse überlagert wird, die menschlicher Entscheidung unterworfen sind. Ein Beispiel dafür liefert die zunehmende Bedeutung, die in der Volkswirtschaftslehre der Erarbeitung eines wirtschaftspolitischen Instrumentariums beigemessen wird. Daraus ergibt sich die Folgerung, dass nicht nur die räumlichen Probleme, sondern auch die ihnen zugrunde liegenden Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft planerischer Einflussnahme zugänglich – und bedürftig – sind. Nicht zufällig tauchte zu Beginn der sechziger Jahre der Begriff der Planung auf vielen Gebieten mehr oder minder unvermittelt auf – so etwa in der »mittelfristigen Finanzplanung« oder in der »Bildungsplanung«.

Damit wurde Stadtplanung, bisher einsamer Vorreiter planerischer Ordnungsvorstellungen, jedenfalls in der Theorie zum Bestandteil einer »integrierten« Planungspolitik mit dem Ziel, die Gesamtentwicklung der Gesellschaft auf der Grundlage politischer Entscheidungen zu steuern; Wirtschafts- und Sozialpolitik sollten dem gleichen Ziel dienen. Angesichts der erstaunlichen Entwicklungen der letzten Zeit, meist auf den Computer gestützt, hielt man eine solche Integration nicht nur für organisatorisch erreichbar, sondern auch in der Durchsetzung der sachlichen Ziele für Erfolg versprechend. Sichtbare Zeichen dieser neuen Tendenz waren Umorganisationen in Kommunal- und Staatsverwaltungen, mit denen spezifische Entwicklungsdezernate, - ämter oder doch-arbeitsgruppen geschaffen wurden.

Zugleich gewann die räumliche Planung mehr politisches Gewicht – zunächst auf örtlicher Ebene, aber in zunehmendem Maße auch auf der Länder- und Bundesebene. Parallel dazu wuchs das Interesse an der Bürgerbeteiligung bei Planungsfragen, die seit den späten fünfziger Jahren in der Diskussion war, aber erst 1971 eine Rechtsgrundlage erhielt – bezeichnenderweise in dem auf Stadterneuerung ausgerichteten Städtebauförderungsgesetz. Denn die Stadterneuerung, also der Eingriff in bewohnte Bausubstanz, musste die Lebensverhältnisse der Bewohner in ganz anderer Weise berühren als die bis dahin im Vordergrund stehende Stadterweiterung oder die Neubebauung von Trümmerflächen. Damit ergaben sich kommunalpolitische Probleme, die teilweise zu heftigen Konfrontationen zwischen der Verwaltung und den von Planungsmaßnahmen »Betroffenen« führten und manche bisher unangefochtenen Beurteilungsmaßstäbe der Planung in Frage stellten. So wurde Bürgerbeteiligung zu einem zentralen Thema in den frühen siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts und fand auch in der Novelle zum Bundesbaugesetz von 1976 ihren Niederschlag. Für viele Planer wurde »Partizipation« zu einer Art Schlüsselbegriff, um den sich ihr Engagement formte.

Der dargestellte Wandel im Planungsverständnis konnte nicht ohne Auswirkungen auf die Planungsmethodik bleiben, die im Grunde jetzt erstmals zum Gegenstand eingehender Untersuchungen und wissenschaftlicher Auseinandersetzungen wurde. Eine solche Durchleuchtung der Planung als eines Denkvorgangs, als gedankliche Vorbereitung von Entscheidungen hat bis in die fünfziger Jahre hinein nur wenig Interesse gefunden. Soweit sie in der Literatur behandelt wurde, wurde meist eine Dreigliederung postuliert:


Abb. 2.14: Die unterschiedlichen Planungen und Bauzustände des Tiergartendreiecks in Berlin veranschaulichen, wie weitgehend sich Bebauungskonzepte aufgrund jeweils gewandelter Rahmenbedingungen in Politik und Ökonomie, aber auch in den städtebaulichen Leitbildern verändern. Schließlich entstand im Norden ein plastischer Solitär, genutzt durch die nordischen Botschaften, während im Süden ein gemischter Baublock im Sinne kritischer Rekonstruktion realisiert wurde. Quelle: Machleidt + Partner

Bestandsaufnahme und -analyse,

Planaufstellung,

Verwirklichung des Plans.

In einer amerikanischen Veröffentlichung finden wir diese drei Schritte in Parallele gesetzt mit den Arbeitsbereichen der Wissenschaft, der Kunst und der Politik (vgl. Kap. 1, Zur Klärung der BegriffeTheorie und Praxis); in Deutschland sah man die Verwirklichung eher als ein Bündel von Verwaltungsmaßnahmen. Wie man von der Erfassung und Analyse der gegenwärtigen Situation zum Plan kommt, schien sich der Systematisierung zu entziehen. Man ging davon aus, dass der Planer auf eine eher intuitive Weise seine Kenntnis der realen Gegebenheiten und der wünschenswerten Veränderungen in ein Planungskonzept umsetzt: ein schöpferischer Akt, der einer rationalen Analyse kaum zugänglich schien.

Diese Auffassung wandelte sich in dem Maße, in dem das politische Element in der Planung erkannt wurde: Offenbar ging es nicht mehr darum, den besten Plan zu finden, um erwartete künftige Entwicklungen sinnvoll aufzufangen, sondern es ging um die Auswahl aus möglichen alternativen Entwicklungen für eine Zukunft, von der man erwartete, dass sie zumindest teilweise »machbar« sei – eine Auswahl also aus verschiedenen möglichen »Zukünften«. Die Alternativen, zwischen denen es zu wählen galt, konnten abgeleitet werden aus unterschiedlichen Prioritäten hinsichtlich der Ziele, der Mittel oder der Wege – und all das verlangte offenkundig nach einer rationalen Prüfung der Kriterien und der Werturteile, die in eine solche Planungsentscheidung einfließen. Damit erfuhr der Planungsprozess neben seiner »Demokratisierung« durch Partizipation auch eine »Verwissenschaftlichung« durch die kritische Auseinandersetzung mit der Abfolge seiner Schritte und den hierfür jeweils zur Verfügung stehenden Methoden. Diese Themen beherrschten zeitweise die Diskussion in den Fachzeitschriften, und sie beeinflussten auch die Planungspraxis zumindest in solchen Institutionen, die sich einen Planungsstab mit theoretischen Ambitionen leisten konnten.

Inzwischen ist hier jedoch ein deutlicher Wandel eingetreten. Zwar orientiert sich das Planungsverständnis nach wie vor an der in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gewonnenen Einsicht in die Komplexität der Zusammenhänge und die Verflochtenheit räumlicher, sozialer und wirtschaftlicher Steuerungsansätze. Indessen ist die Zuversicht, die darin liegenden Probleme durch verbesserte Organisation und Koordination lösen zu können, einer skeptischeren Auffassung gewichen. Ihre Wurzeln liegen in der Erkenntnis, dass die »Kurzatmigkeit« vieler politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen wenig Raum lässt für die Rationalität langfristiger Planung, dass aber auch diese Rationalität ihre Grenzen hat. Nicht alle Auswirkungen planerischer Maßnahmen auf die Lebenszusammenhänge lassen sich vorher erkennen, und noch größere Unsicherheit besteht bezüglich künftiger Veränderungen der Problemsicht und der Prioritäten.

So wurde der Ansatz einer integrierten Entwicklungsplanung zwar nicht aufgegeben, aber unter dem Eindruck vieler methodischer und sachlicher Hindernisse deutlich zurückgenommen. Das Gleiche gilt für die Erwartungen, die sich an eine Verwissenschaftlichung der Planungsverfahren und an ihr Gegenstück, die »Demokratisierung« durch Bürgerbeteiligung, geknüpft hatten. »Stadtentwicklung in kleinen Schritten« war eine kennzeichnende Parole der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts und auch die Planungstheorie distanzierte sich mit dem Konzept des »perspektivischen Inkrementalismus« vom Modell einer umfassenden Gesamtplanung (vgl. Kap. 3, Zur Theorie und Methodik der Stadtplanung). Die Matrix in Abb. 2.15 bietet einen – gewiss etwas vereinfachten – Überblick über die Wandlungen in der Interpretation der Stadtplanung seit dem späten neunzehnten Jahrhundert.


Abb. 2.15: Entwicklung des Planungsverständnisses. Quelle: Deutscher Städtetag, Positionspapier: Integrierte Stadtentwicklungsplanung und Stadtentwicklungsmanagement, 2015

Indessen zeichnet sich etwa seit der Jahrtausendwende ein neues Bedürfnis nach integrierten Stadtentwicklungskonzepten ab, ausgelöst durch die Einsicht in die Grenzen einer unkoordinierten »Projektplanung« und durch die spezifischen Anforderungen des Stadtumbaus in schrumpfenden Städten. So hat eine Kommission des Deutschen Städtetages im Jahr 2003 auf die Notwendigkeit hingewiesen, »Potenziale und Akteure der Stadtgesellschaft angesichts künftiger Herausforderungen erfolgreich zu aktivieren und zu bündeln« und eine »langfristig orientierte, integrierende, strategische Stadtentwicklungsplanung [als] das geeignete Instrument hierfür« bezeichnet (Deutscher Städtetag, Positionspapier: Zukunftssicherung durch integrierte Stadtentwicklungsplanung und Stadtentwicklungsmanagement, November 2003).

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