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Theorie und Praxis

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Stadtplanung ist eine handlungsorientierte Disziplin, sie ist also auf die Praxis – das griechische Wort für Handeln – gerichtet. Die Praxis, das sind Lenkungsmaßnahmen für die Stadtentwicklung, deren Erfolg weitgehend davon abhängt, inwieweit ihre Wirkungen zutreffend vorweg abgeschätzt werden können. Erfahrung ist dafür eine unerlässliche Voraussetzung – aber nicht nur im Sinne der Sammlung von Einzelfällen, die untereinander meist große Unterschiede aufweisen, sondern auch als Grundlage für die Gewinnung allgemeiner Einsichten in bestimmte Regelmäßigkeiten des Geschehens. Aus solchen Einsichten lassen sich dann gegebenenfalls generelle Grundsätze des Handelns ableiten, eben weil sie sich auf die Erwartung stützen können, dass solche Regelmäßigkeiten auch künftig gelten.

Eine »Theorie der Stadtplanung« wird also nicht den Präzisionsansprüchen naturwissenschaftlicher Theorien entsprechen können, zumal ihr das jederzeit unter gleichen Verhältnissen wiederholbare Experiment als Beweismittel nicht zur Verfügung steht. Deshalb ist es wohl richtiger, vom Anteil der Theorie an der Stadtplanung zu sprechen, und diese Theorie kann kaum etwas anderes sein als die systematische Aufbereitung von Beobachtungen und Erfahrungen, die sich auf die Entwicklung der Städte, auf Methodik und Inhalte möglicher Steuerungsmaßnahmen und auf deren Auswirkungen beziehen. Zwar liegen zahlreiche wissenschaftliche Aussagen analytischer Art zur historischen Entwicklung und zu den sozioökonomischen Zusammenhängen, also zum allgemeinen Wirkungsgefüge der Stadt vor, die von anderen Disziplinen – etwa den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften wie auch den Geowissenschaften – geliefert werden, aber dies sind Facetten, die sich nur bedingt zu einer Wissenschaft von der Stadt und schwerlich zu einer umfassenden Theorie der Stadt zusammenfassen lassen.

Gleichwohl ist der Handelnde, der Planende darauf angewiesen, zu einer Vorstellung vom Gesamtgefüge der Stadt zu gelangen, an der er die künftigen Wirkungen der von ihm ins Auge gefassten Maßnahmen abschätzen kann. Er wird dabei zwangsläufig zu Vereinfachungen kommen, die Komplexität der ihm begegnenden Wirklichkeit reduzieren müssen. Er geht damit – ob er sich dessen bewusst ist oder nicht – von einer Modellvorstellung der Zusammenhänge in der Stadt aus, also einer theoretischen Konstruktion, und erst die praktische Durchsetzung der Maßnahmen – von der Beschlussfassung durch die Stadtvertretung über die Diskussion mit anderen Behörden und mit den Bürgern bis hin zum etwa notwendigen Grunderwerb und zur technischen Durchführung – kann einen ersten Schluss zulassen, inwieweit das Modell mit der Wirklichkeit übereinstimmt (vgl. Kap. 3, Zu Theorie und Methodik der Stadtplanung).

Doch das ist erst die eine Seite der Planungspraxis; die andere, wichtigere, erschließt sich mit der Klärung, ob denn nun die vollzogene Planungsmaßnahme auch die erwarteten Wirkungen nach sich zieht: etwa die Verlagerung des motorisierten Verkehrs aus besonders empfindlichen Stadtbereichen oder die Ansiedlung von Betrieben in hierfür vorgesehenen Gebieten. Auch eine theoretisch schlüssige und technisch fehlerlos durchgeführte Planungsmaßnahme kann fehlschlagen, wenn sich bestimmte Annahmen über das voraussichtliche Verhalten der Personengruppe, an die sich die Planung wendet – seien dies nun Investoren, Verkehrsteilnehmer oder Wohnungssuchende –, als zum Zeitpunkt der Ausführung nicht mehr zutreffend erweisen.

Solche »Erfolgskontrolle« ist vor allem deshalb problematisch, weil sie im Einzelfall auf den Nachweis gegründet sein muss, dass bestimmte beobachtete Veränderungen ausschließlich auf die vorangegangene Planungsmaßnahme zurückzuführen seien – und das ist wegen der Vielfalt von Einflüssen, die auf einen Planungsraum einwirken können, nicht immer möglich. Mit anderen Worten: Die Auswirkungen einer solchen Maßnahme sind nicht immer zu isolieren von den Einflüssen, die aus anderen – vielleicht sogar unbekannten – Quellen stammen.

Empirisch begründete Theorie setzt naturgemäß voraus, dass die Wirklichkeit genügend Beispiele bietet, um aus ihnen Verallgemeinerungen ableiten zu können, und auch hier gibt es erhebliche Unterschiede. Zwar kann man beispielsweise das Verhalten der Verkehrsteilnehmer bei bestimmten Straßenbaumaßnahmen noch relativ leicht erfassen und sogar quantifizieren, aber die Reaktionen von Bewohnern etwa auf gestalterische Wirkungen bestimmter Gebäudegruppierungen sind schon im Einzelfall schwer zu erfassen und noch schwerer in verallgemeinernder Weise zu systematisieren. Hier zeigen sich also deutlich Grenzen einer theoretischen Durchdringung, die etwa unmittelbar in Entwurfsregeln – also praktische Handlungsanweisungen – umgesetzt werden könnte.

Zudem ist die inhaltliche Seite der Planung nicht von den zugrunde liegenden Wertvorstellungen zu trennen, die – wie uns die letzten Jahrzehnte gelehrt haben – dem Wandel unterworfen sind und den »Erfolg« einer Planung zu verschiedenen Zeiten in ganz unterschiedlichem Lichte erscheinen lassen. Deshalb dürfte Stadtplanung – bei aller Bedeutung der in ihr wirksamen theoretischen Elemente – weiterhin eine »heuristische«, auf die stets von neuem geforderte Suche nach angemessenen praktischen Lösungen angewiesene Disziplin bleiben.

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