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Wandel der Aufgabenschwerpunkte

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Neben den in den vorausgegangenen Abschnitten behandelten Veränderungen im Bereich des Planungsverständnisses, des Rechtsinstrumentariums und der Leitvorstellungen städtebaulicher Planung hat sich in den gut sechs Jahrzehnten seit Kriegsende auch das Aufgabenspektrum der Stadtplanung deutlich verändert, wobei sich nicht nur die relative Bewertung der Teilaufgaben verschob, sondern auch ganz neue Aufgaben ins Blickfeld kamen.

Der Wiederaufbau begann naturgemäß unter dem Diktat des Ersatzes von zehn Millionen zerstörten Wohnungen – und das bedeutete die Konzentration der staatlichen und kommunalen Anstrengungen und Förderungsmaßnahmen auf den Wohnungsbau. Mit der deutlichen wirtschaftlichen Belebung nach der Währungsreform ergab sich auch die Rechtfertigung für die Annahme, dass die gewerbliche und geschäftliche Bebauung schon in der Lage sein werde, für sich selbst Sorge zu tragen. So konnte man für die Stadtzentren auf die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung als wesentliche Triebkraft des Wiederaufbaues hoffen, und damals schienen auch die Verkehrsprobleme im Zentrum noch nicht so bedrohlich, da man noch mit einer sehr bescheidenen Entwicklung der privaten Motorisierung rechnete.

Das änderte sich deutlich in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts: Unter dem Andrang des Wirtschaftswachstums waren die Raumreserven der Stadtzentren schon bald verbraucht, und die mit dem Anwachsen des tertiären Sektors immer raumhungriger werdenden zentralen Funktionen begannen in die den Stadtkern umgebenden Wohngebiete einzudringen. Zugleich führte das rapide Anwachsen der Arbeitsstätten im tertiären Sektor – und damit im Wesentlichen im Stadtkern – zu einer starken verkehrlichen Überlastung der Stadtzentren und damit zu einer Verlagerung des planerischen Interesses von den nunmehr weitgehend wieder aufgebauten oder neu entwickelten Wohngebieten zur Beschäftigung mit dem Verkehrsproblem im Stadtgefüge, vor allem aber in Bezug auf das Stadtzentrum. Bald gelangte man zu der Einsicht, dass es unmöglich sein werde, dem Privatauto als Fahrzeug für den Berufsverkehr unbegrenzten Zugang zum Stadtzentrum zu gewähren; die Hoffnungen und Anstrengungen richteten sich vielmehr auf den öffentlichen Nahverkehr als einziges Mittel, die Vielzahl der Arbeitsplätze im Kern angemessen zu bedienen.


Abb. 2.32a: Die wachsende Motorisierung und die Intensivierung von Nutzungen in der Innenstadt führten zu einem Verkehrsanstieg, zu dessen Bewältigung in den 1950er- und 1960er-Jahren neue Straßen angelegt oder bestehende verbreitert wurden. Hier die »Neue Straße« in Ulm (siehe auch ">Abb. 5.48 zum heutigen Rückbau). Quelle: Stadt Ulm


Abb. 2.32b: Auch in den Großstädten der DDR wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren im Hinblick auf den wachsenden Autoverkehr Stadtstraßen großzügig ausgebaut, vielfach ohne Rücksicht auf historische Stadtstrukturen. Auch der Wunsch nach internationaler städtebaulicher Repräsentanz dürfte dabei eine Rolle gespielt haben. Foto: G. Stappenbeck

So wurden die sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts zur Dekade der Stadtzentren, der Generalverkehrspläne mit Stadtautobahnen und öffentlichen Nahverkehrsprogrammen, die sich in den Großstädten ab einer Größenordnung von einer halben Million Einwohner durchweg auf eine unterirdische Führung des Schienenverkehrs – zumindest im Stadtkern – richtete. Die sechziger Jahre waren aber auch die Zeit der sogenannten städtebaulichen oder besser stadtbautechnischen Utopien, der Träume von städtebaulichen Großstrukturen und von neuen Verkehrseinrichtungen wie dem computergesteuerten Kabinentaxi, die Zeit auch der nicht immer problemlosen Verwirklichung von großmaßstäblichen »integrierten Zentren«, also Gebäudekomplexen, in denen sich über mehrgeschossigen Garagen umfangreiche Geschäftsbereiche in mehreren Ebenen erstreckten, die ihrerseits wiederum von Wohnhochhäusern überragt wurden.

Zu Beginn der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts verschob sich der Schwerpunkt ein weiteres Mal: Der sogenannte Ölschock, die Einsicht in die »Grenzen des Wachstums« (Club of Rome 1972), die Unzufriedenheit mit dem, was nun als Monotonie und Ideenlosigkeit der modernen Architektur erschien – das alles wirkte hin auf einen tief greifenden Wandel im Planungsklima, der nunmehr der Erhaltung von alten Gebäuden – keineswegs allein von Baudenkmalen – einen hohen Rang einräumte. Das »Denkmalschutzjahr« von 1975 hätte kaum so starken Widerhall finden können, hätte es nicht bereits eine weit verbreitete Bereitschaft gegeben, sich von der Faszination durch den Wandel abzuwenden und der Bewahrung, der Kontinuität höheres Gewicht beizumessen. So ist es kein Wunder, dass um die gleiche Zeit Großprojekte aufgegeben oder umgeformt wurden: Kleine Schritte, Umkehrbarkeit, Flexibilität wurden zu Schlagworten der späten siebziger Jahre. Um die gleiche Zeit trat die schwere Beeinträchtigung der Umwelt durch die Abfallprodukte der hoch entwickelten Industriegesellschaft, auf die schon früher immer wieder hingewiesen worden war, endlich mit Nachdruck ins öffentliche Bewusstsein; die Aufgabe einer ökologisch orientierten, einer umweltverträglichen Stadtplanung rückte in den Vordergrund. Was heute Umweltschutz heißt, gehörte zwar auch schon früher zu den Anliegen der Stadtplanung, nun aber erhielt dieser einen besonders hohen Stellenwert. Das beängstigende Ausmaß, in dem Landschaft für die Siedlung »verbraucht« wurde und wird – schon die Wortwahl kennzeichnet die neue Bewusstseinslage –, führte zur Betonung von Flächen sparendem Bauen, von »Innenentwicklung«, die als Gegenkonzept zur Stadterweiterung gemeint ist.


Abb. 2.33: Durch Neuordnung der ursprünglich 1800 qm großen Verkehrsfläche ist eine 900 qm große Freifläche entstanden, die als »Rudolphsplatz« Auftakt einer neuen Promenade ist und in Sichtachse auf das Herkules-Denkmal liegt. Durch die Aufnahme des Straßenumbaus in das Städtebauförderprogramm »Aktive Kernbereiche« wurde ein deutlich breiterer Beteiligung- und Kommunikationsrahmen eröffnet, als dies bei einer reinen Straßenbaumaßnahme möglich gewesen wäre.

In den letzten beiden Jahrzehnten hat in vielen Städten die regionale Schrumpfung der Bevölkerung – die sich schon lange abzeichnete – in der Planung wie in der Öffentlichkeit zunehmend Beachtung gefunden. Es ist deutlich geworden, dass die Leerstände von Wohnungen und Betriebsgebäuden zuerst ein Phänomen in den östlichen Bundesländern kein vorübergehendes Phänomen, sondern die Vorboten einer generellen Entwicklung waren; auch in anderen Bundesländern – wie etwa im Ruhrgebiet – zeichnen sich vergleichbare Probleme ab. Gewiss gibt es große örtliche und regionale Unterschiede, so wachsen nunmehr wieder generell fast alle größeren Städte und in Besonderheit die ökonomisch starken Regionen und Verdichtungsräume. Aber selbst in den weiterhin wachsenden Regionen und an Zentralität im suburbanen Umfeld zunehmenden Kernstädten wird man sich auf den Umgang mit dem umfassenden demographischen Wandel wachsender stadtgesellschaftlicher Polarisierung einzurichten haben. Die Stadtplanung ist damit in nicht geringerem Maße gefordert als durch die Steuerung des seinerzeit nahezu ubiquitären Wachstums, die im vergangenen Jahrhundert ihre zentrale Aufgabe war. Welche Konzepte in Theorie und Praxis der Stadtplanung heute im Vordergrund stehen und wie sich die zukünftigen Probleme darstellen, soll in den folgenden Kapiteln erörtert werden.


Abb. 2.34: Das Planwerk Innenstadt Berlin: Es weist unter anderem zusätzliche Bauflächen auf bisherigen Verkehrsflächen und deren Randbereichen sowie Möglichkeiten von Verdichtungen im baulichen Bestand in der Mitte Berlins nach und bringt damit die Rückorientierung des Städtebaus auf die Potenziale der Innenentwicklung zum Ausdruck. Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin

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