Читать книгу Stadtplanung - Gerd Albers - Страница 26

Sanierung und Stadterneuerung

Оглавление

Das Thema der Sanierung – im Sinne eines Eingriffs in den Baubestand – musste angesichts der Kriegszerstörungen und der Wohnungsnot zunächst in den Hintergrund treten, doch blieb die Aufgabe im Bewusstsein der Planenden. So begannen schon in den fünfziger Jahren Sanierungsüberlegungen Gestalt anzunehmen; in einzelnen Städten wurden auch solche Maßnahmen mit kommunalen Mitteln durchgeführt.

Die Zielvorstellungen solcher Sanierungsmaßnahmen entsprachen dem zu jener Zeit gültigen Leitbild der gegliederten und aufgelockerten Stadt. Beispiele großflächigen Strukturwandels in kriegszerstörten Gebieten – vom Constructa-Block in Hannover über die Holtenauer Straße in Kiel bis zum Hansaviertel in Berlin – galten als Vorbilder für die künftige Umgestaltung der gründerzeitlich bebauten Gebiete. Die gleiche Tendenz zeigte sich in England, so beim Neuaufbau des Stadtteils Lansbury im Osten Londons, der beim »Festival of Britain« 1951 als Musterbeispiel für britische Stadterneuerung vorgestellt wurde.

Eine spezifische Entwicklung vollzog sich in den Vereinigten Staaten, wo großflächige Slum-Sanierungen weitgehend durch kommunalwirtschaftliche Überlegungen zur Erhöhung der lokalen Steuerkraft ausgelöst wurden. Die dadurch verursachte Verdrängung der Bewohner, für deren Unterbringung kaum Vorsorge getroffen wurde, löste unter sozialen Gesichtspunkten heftige Kritik aus. Jane Jacobs prangerte in ihrem Buch »Tod und Leben großer amerikanischer Städte« das vollständige Abräumen von Sanierungsgebieten als sozial und wirtschaftlich nicht vertretbar an. Sie legte überzeugend dar, welche Rolle alte Gebäude gerade für die Aufrechterhaltung des Wirtschaftsgefüges und der Bewohnerstruktur spielen und welche sozialen Härten ihr Abbruch mit sich bringen kann.

In der Bundesrepublik Deutschland setzten kurz nach der Verabschiedung des Bundesbaugesetzes erste Überlegungen über gesetzliche Regelungen für Sanierungsmaßnahmen ein; sie hatten sich schon insofern angekündigt, als nach dem Bundesbaugesetz im Flächennutzungsplan Gebiete mit städtebaulichen Missständen kenntlich zu machen waren. Ein erster Ansatz zur Gesetzgebung unter Bundesminister Lücke scheiterte am Bundesfinanzminister, der keine Bundesmittel für die Abdeckung der unrentierlichen Kosten bereitstellen zu können meinte; erst im vierten Anlauf wurde das Gesetz 1971 vom Bundestag verabschiedet.

Das Städtebauförderungsgesetz war noch bestimmt vom Grundgedanken der sechziger Jahre, in denen es konzipiert wurde: Nach der Lösung des quantitativen Problems wurde die Verbesserung der Wohnqualität zum neuen Ziel. Die menschenunwürdige Gründerzeitstadt sollte zügig durch Neubauten ersetzt werden, was zugleich dazu beitragen sollte, die Kapazität der Bauindustrie und der Bauträger auszulasten. Zeilenbau anstelle der Blockstruktur, fließende Grünräume anstelle der Korridorstraße, freiplastische Baukörper anstelle geschlossener Räume – so sah das Grundmodell für die Stadterneuerung aus. So wie man das zerstörte Hansaviertel durch eine völlig neue Struktur ersetzt hatte, so sollte es auch künftig bei Sanierungsmaßnahmen gehalten werden. Eine erste abweichende Überlegung finden wir in den frühen sechziger Jahren in Berlin: Werner Marchs und Ilse Balgs Entwürfe zur Sanierung einiger Blöcke in Kreuzberg sahen zwar den Abbruch von Hintergebäuden, aber die weitgehende Erhaltung der Randbebauung wie auch der im Blockinneren ansässigen Betriebe vor.


Abb. 2.28: Im Zuge der Flächensanierung wurden ganze Häuserblocks der Gründerzeit gesprengt.

Quelle: Senatsverwaltung für Bauund Wohnungswesen, www.sanierung-berlin.de/sanberlin/Geschichte


Abb. 2.29: Die Gegenüberstellung der Schwarzpläne verdeutlicht die Situation eines Gebietes in Berlin Kreuzberg vor und nach der flächenhaften Sanierung in den 1970er Jahren – die Veränderung eines Stadtbereiches innerhalb eines Jahrzehnts. Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin


Abb. 2.30: Die zunehmend politisch-kritische Haltung der Bewohnerschaft zur Sanierungspraxis mündete zum Teil in massiven Auseinandersetzungen und schließlich in einer Reihe konkreter Forderungen zur zukünftigen Stadterneuerung. Auf deren Grundlage wurde ein Großteil der Gebäude erhalten, in Stand gesetzt und modernisiert. Oft wurden die Baumaßnahmen von den Bewohnern durchgeführt und die Gebäude danach von ihnen selbst verwaltet.

Quelle: S.T.E.R.N. GmbH

Der Kritik an der Flächensanierung boten sich mehrere Ansatzpunkte, wobei der soziale wohl zunächst im Vordergrund stand. Es wurden billige Wohnungen vernichtet, um teuren Platz zu machen, aber der quantitative Ausgleich kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier der Teilmarkt der preisgünstigsten Wohnungen eingeengt, der der aufwendigen erweitert wurde. Erst später kam ein ästhetisches Argument hinzu: Der Monotonie der Neubebauung wurde die Individualität, der spezifische, wenn auch etwas skurrile Charakter der Gründerzeitbebauung mit Stuck, Putten und Karyatiden gegenübergestellt. Auch die städtebaulichen Ordnungsprinzipien der Gründerzeit wurden wiederentdeckt. Die einst geschmähte Korridorstraße gewann wieder Reputation als eine Art von Raum, den man der mehr oder minder unverbindlichen und zufälligen Anordnung von freiplastischen Baukörpern vorzog.

So war es im Wesentlichen eine Neubewertung des überkommenen Baubestands unter sozialen und ästhetischen Gesichtspunkten, welche die Flächensanierung in den Stadtquartieren des neunzehnten Jahrhunderts als Lösungsweg für die dort sich stellenden Probleme in Frage stellte. Die neue Antwort hieß »erhaltende Erneuerung« – ein Konzept, in dem sich das Bemühen um die Erhaltung, Modernisierung und Verbesserung alter Bauten mit dem Bestreben vereinte, auch das Stadtgefüge, das Straßennetz und die Blockstruktur nicht radikal, sondern allenfalls partiell in besonders problematischen Bereichen zu verändern. Diese Auffassung hat sich seit der Mitte der siebziger Jahre allgemein in der Stadtplanung durchgesetzt, und auch hier haben wir es mit einem Wandel zu tun, der sich in den meisten europäischen Ländern fast gleichzeitig abzeichnete.


Abb. 2.31: Wortlaut der zwölf Grundsätze der Stadterneuerung entsprechend der Leitvorstellung »Behutsame Stadterneuerung«, wesentlich geprägt von Hardt-Waltherr Hämer. Quelle: Hämer, H.-W.: Behutsame Stadterneuerung. In: Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen (Hg.): Stadterneuerung Berlin, 1990, http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/stadterneuerung/de/download/leitsaetze.pdf

Da Sanierungsmaßnahmen unmittelbarer in das Leben der Stadtbewohner eingreifen als Stadterweiterungen, stoßen hier oft gegensätzliche Interessen aufeinander. Vor allem die siebziger Jahre sind durch mancherlei Auseinandersetzungen zwischen Behörden, Bauträgern und betroffenen Bürgern gekennzeichnet. Insbesondere die große Wohnungsbaugesellschaft »Neue Heimat« geriet mehrfach ins Kreuzfeuer der Kritik; spektakulärer noch waren die Auseinandersetzungen in Frankfurt am Main, wo das Vordringen der Bürobauten in traditionelle Wohnbereiche zu Protesten führte.

Einen Markstein in dieser Entwicklung stellt die Berliner Internationale Bauausstellung (IBA) der achtziger Jahre dar, bei der es nicht – wie bei der »Interbau« 1957 – um die Präsentation einer radikal neuen Stadtstruktur ging, sondern um eine Form der Erneuerung, die Josef Paul Kleihues – einer der IBA-Direktoren – als »kritische Rekonstruktion« bezeichnete. Neben die Neubauten trat dabei ein umfassendes Umbau- und Sanierungsprogramm im alten Bestand (»IBA-Alt«) unter Leitung von Hardt-Waltherr Hämer. Hierzu wurden mit der Bevölkerung in den Kreuzberger Sanierungsgebieten Grundsätze erarbeitet, die vor allem auf Bürgerbeteiligung, Vorrang von Instandsetzung und Modernisierung vor Abriss, Sorge für Gemeinschaftseinrichtungen und umweltverträgliche Versorgungssysteme gerichtet waren. Diese Arbeitsweise wurde zum Vorbild für viele weitere Erneuerungsvorhaben.

Stadtplanung

Подняться наверх