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Die Wanderung in die Arktis

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Aber was geschah im Norden, in der Arktis, die auch heute noch oft gedankenlos als menschenleer beschrieben wird? Während der Süden des Kontinents von Beringia/Alaska aus sehr schnell besiedelt wurde, vollzog sich die Wanderung Richtung Osten in die nördlichen arktischen Regionen des Kontinents erst später. Eine erste Wanderungswelle fand vor 4000 bis 5000 Jahren statt. Besiedelt wurde die Arktis bis nach Grönland. Zu diesen frühen Kulturen, die in bisherigen wissenschaftlichen Abhandlungen unter dem Begriff Paläo-Eskimo zusammengefasst werden,18 gehören die Prä-Dorset- und die Dorset-Kultur, die Saqqaq- und Independence-I- und -II-Kulturen und die Groswater-Kultur.

Die Dorset-Kultur war die zuletzt am weitesten verbreitete und diejenige, die sich am längsten hielt – bis etwa zum Jahr 1000. Dann erreichte eine weitere Einwanderungswelle von Alaska kommend den gesamten Norden bis nach Grönland – eine Kultur, die nach der gleichnamigen grönländischen Siedlung Thule benannt wurde und in wissenschaftlichen Schriften als Neo-Eskimo bezeichnet wird. Innerhalb von zwei oder drei Generationen kamen sie bis nach Grönland und verdrängten die Dorset-Kultur.


Thule-Kultur: Rekonstruiertes Dach aus Walknochen bei Resolute auf der Cornwallis-Insel, Foto von 2008.

Am Sylvia-Grinnell-Fluss, etwa einen Kilometer außerhalb von Iqaluit, der Hauptstadt des kanadischen Arktisterritoriums Nunavut, wurden Überreste von Siedlungen beider Kulturen, der Dorset und der Thule, entdeckt. An dem als Crystal II bezeichneten Ort stießen Archäologen auf deutlich sichtbare Steinringe, mit denen Zelte mit dem Boden verankert wurden, und Ruinen von Häusern, die in den Boden hineingebaut wurden, um Schutz vor dem arktischen Wind zu bieten. Diese Häuser wurden der Thule-Kultur zugeordnet. Bei Grabungen fanden die Forscher aber auch Gegenstände, die als Artefakte der Dorset-Kultur identifiziert wurden. Erst siedelten hier Dorset-Leute, und als sie den Ort verließen, breitete sich darüber Vegetation aus. Dann kamen Thule-Leute an denselben Ort und bauten ihre Häuser. Crystal II war die erste Stelle, die empirische Beweise lieferte, dass Dorset und Thule zwei verschiedene Kulturen aus zwei verschiedenen Phasen der Geschichte waren und dass sich Dorset in Kanada lange vor dem Eintreffen der Thule-Leute entwickelt hatte. Die von einigen Forschern vertretene Theorie, dass Dorset und Thule lediglich Varianten einer Kultur seien, wurde widerlegt. Einige Kilometer weiter wurde zudem auf einer kleinen Insel, die jetzt als Qaummaarviit Territorial Park ausgewiesen ist, eine Thule-Siedlung aus der Zeit mindestens 250 Jahre vor Christoph Kolumbus entdeckt.

Auch bei der heutigen Gemeinde Resolute auf der Cornwallis-Insel siedelten Thule und bauten aus den Knochen großer Wale ihre Häuser. Während die Dorset-Menschen vom Eis aus jagten, entwickelten die Thule die »umiak«, große Boote, mit denen sie auf Jagd nach Walrossen und Walen gehen konnten. Mit diesen Booten, ihren Hundeschlitten und Jagdwaffen waren die Thule den Dorset überlegen. Bis heute besteht keine Klarheit darüber, ob Dorset- und Thule-Leute Kontakt zueinander hatten, ob sie etwa um das Jahr 1000 vorübergehend parallel existierten oder sogar zusammenlebten und die Thule die Dorset assimilierten, oder ob die Dorset untergingen, kurz bevor die Thule eintrafen. In einem aber sind sich Forscher sicher: Die Thule sind die direkten Vorfahren der heutigen Inuit. Zwischen ihnen und den Thule gibt es eine direkte Abstammungslinie, während Dorset und Thule genetisch deutliche Unterschiede aufwiesen.19

Indigene Völker in Kanada

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