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»German Indianthusiasm« oder »Die deutsche Indianertümelei«

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Warum sind Europäer und vor allem die Deutschen so fasziniert von den indigenen Völkern Nordamerikas? Diese Frage hörte ich mehrfach von Kolleginnen und Kollegen und Bekannten, mit denen ich über dieses Buchprojekt sprach. Manchmal sprachen sie von Besessenheit: »Why are you so obsessed?« Einige wussten etwas über die Wurzeln dieser Begeisterung: Gab es nicht einen deutschen Schriftsteller, der über »Indianer« schrieb?

Gemeint war damit natürlich Karl May mitsamt seiner imaginären Figuren Winnetou und Old Shatterhand. Ich erzählte dann über die Bedeutung der Bücher von Karl May und insbesondere der Filme, die in den 1960er Jahren gedreht wurden. Ich erzählte, dass es in Deutschland Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg und Elspe gibt und ich Winnetou, sprich Pierre Brice, in Winnetou III in Bad Segeberg sterben sah. Ich erwähnte auch James Fenimore Cooper und seine Lederstrumpf-Romane, Chingachgook und Uncas, die »letzten Mohikaner«, und die Faszination, die bis zum heutigen Tag die Romane von Jack London ausüben, welche jährlich viele Deutsche in das Yukon-Gebiet führen, wo sie die Atmosphäre der Goldrausch-Zeit und First-Nation-Kultur erleben wollen.

Hartmut Lutz, emeritierter Professor für Nordamerika-Studien und indigene Literatur an der Universität Greifswald, hat diese Faszination vieler Deutscher wissenschaftlich erforscht. Mittlerweile wird sie auch mit »Indianthusiasmus/Indianthusiasm« beschrieben. Der 1945 geborene Forscher stellt sich immer wieder die Frage, wie es möglich sein kann, dass ein Volk, in dem der Rassismus so tief verwurzelt ist, dass es den Holocaust ermöglichte, andererseits eine fremde Ethnie so glorifiziert und romantisiert.

Zusammen mit anderen Autoren hat Lutz den Band Indianthusiasm – Indigenous Responses herausgegeben.11 Die Aufsätze setzen sich kritisch mit den europäischen Fantasien über die indigenen Völker Nordamerikas, den »indianischen« Themenparks und den deutschen Hobby-Indianern auseinander, die sich in Camps zusammenfinden, Powwow12 veranstalten und vorgeblich indianischen Lebensstil imitieren. Die Wurzeln dieser Faszination und der romantisierenden Darstellung der Vergangenheit sehen einige der Autoren im deutschen Kolonialismus des 19. Jahrhunderts.

»Indianerspielen ist Teil der deutschen Kultur«, sagt Lutz in einem Gespräch mit mir. Denn Karl May hat mit seinen Büchern, so unrealistisch sie auch sein mögen, über viele Jahrzehnte das »Indianerbild« in Deutschland geprägt. Er beurteilt das »Indianerspielen« erwachsener Menschen und ihren Indianerhobbyismus kritisch. »Manches ist rassistisch, zumindest infantil. Die Realität wird nicht wahrgenommen, es ist eskapistisch, also eine Flucht in eine Scheinwelt.« Die »Indianertümelei« hat nach seiner Ansicht dazu geführt, den Blick auf »die Indianer« zu verstellen. Sie spiegelt aber auch Hochmut wider: »Ich eigne mir eine andere Kultur an und betreibe sie als Hobby.« Andererseits kann »Indianthusiasmus« auch dazu führen, sich ernsthaft mit der Gegenwart und der Lage der indigenen Völker auseinanderzusetzen und damit Solidarität mit indigenen Völkern schaffen, meint Lutz.

In Kanada wird der deutsche »Indianthusiasm« teils amüsiert, teils äußerst kritisch gesehen. Anders als an Fastnacht und Karneval in Deutschland sieht man an Halloween in Kanada keine Kinder in »Indianerkostüm« herumlaufen. Dies würde als rassistisch und »politically incorrect« verurteilt. Für den kanadischen Rundfunk CBC reiste 2018 der Ojibway-Autor Drew Haydn Taylor für die Dokumentation Searching for Winnetou nach Deutschland, besuchte »Indianercamps« und sprach mit Hobbyindianern, um zu erkunden, was hinter dieser »Besessenheit« steckt. Nach Ausstrahlung der Dokumentation wurde ich sehr oft auf diese deutsche Faszination angesprochen. Sie wird nicht nur als »funny« gesehen. Kanada diskutiert sehr intensiv über »kulturelle Appropriation«, die kulturelle Aneignung, wie das unbefugte und nicht authentische Zueignen anderer Kulturen bezeichnet wird. Wo ist die Grenze zwischen kultureller »Aneignung/Appropriation« und kultureller »Wertschätzung/Appreciation«? In einem Blog zu der CBC-Dokumentation kommt Red Haircrow, ein Schriftsteller und Filmemacher mit Chiricahua-Apache-, Cherokee- und afroamerikanischen Wurzeln, zu dem Urteil, dass »native hobbyism« eine moderne Form des Kolonialismus sei.13

Indigene Völker in Kanada

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