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»Vorsichtige Kooperation«

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Für die Ureinwohner Amerikas begannen mit der Ankunft der Europäer Jahrhunderte der Vertreibung, des Niedergangs und der Verweigerung grundlegender Rechte. Schon im 10. Jahrhundert hatte es erste Kontakte zwischen Europäern und Ureinwohnern gegeben, als Wikinger von Island und Grönland kommend an der Nordspitze Neufundlands eine Siedlung gründeten, die jetzt als Weltkulturerbe L’Anse aux Meadows bekannt ist. Kriegerische Auseinandersetzungen, aber auch ein funktionierender friedlicher Austausch von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen zwischen den Wikingern und den von ihnen als »Skraelinger« bezeichneten indigenen Bewohnern dieser Gegend, vermutlich Vorfahren der Innu und Beothuk,2 kennzeichneten diese Phase, die aber mit dem Abzug der Wikinger nach wenigen Jahren endete.

Der nächste Europäer, der diese Region erreichte, war Giovanni Caboto (John Cabot), ein Italiener im Dienste des englischen Königs, dessen Schiff »Matthew« mit 18 Mann Besatzung 1497 an der Küste Neufundlands oder Labradors anlegte. Er wollte eigentlich – wie Kolumbus – einen Seeweg nach Asien finden.3 Der englische Seefahrer Martin Frobisher, der 1576 die heute nach ihm benannte Frobisher Bay im kanadischen Arktisterritorium Nunavut erreichte, dachte, den östlichen Eingang zur Nordwest-Passage gefunden zu haben, musste dann aber enttäuscht feststellen, dass er in einen Meeresarm eingefahren war, eine Sackgasse ohne Öffnung nach Westen.

Engländer und Franzosen etablierten sich an der fischreichen Atlantikküste des heutigen Kanadas, während sich Portugiesen und Spanier auf die Gebiete an der Karibikküste sowie auf Zentral- und Südamerika konzentrierten. 1607 gründeten die Engländer mit Jamestown in Virginia ihre erste Kolonie, und wenige Jahre später, 1620, folgte die berühmte »Mayflower« mit den als »Pilgrim Fathers« bezeichneten Siedlern. Etwa ein Drittel der rund 100 Kolonisten waren Puritaner, die religiöse Freiheit suchten und in ihrer neuen Heimat eine neue Gemeinde aufbauten, Plymouth im heutigen Massachussetts.4

Die eurozentriere frühere Geschichtsschreibung stellt die Phase der ersten Kontakte gern unter den Stichworten Entdeckung und Entwicklung dar. Aber in den ersten 200 Jahren hätten die Neuankömmlinge in dem für sie ungewohnten Klima kaum überleben können. »Vorsichtige Kooperation, nicht Konflikt« war das Leitmotiv dieser Phase, schreibt die kanadische »Royal Commission on Aboriginal Peoples« in ihrem Bericht von 1996.5 Diese Periode reichte bis in das 18. und 19. Jahrhundert hinein, aber mit gravierenden, teils grausamen Unterschieden: Viele indigene Gemeinden mussten von Anfang an die Europäer als gewaltbereite Eindringlinge erleben, die ihnen Land wegnahmen und – vor allem im Süden – vor Plünderungen, Vergewaltigungen und Entführungen nicht zurückschreckten. Eroberer wie Hernando de Soto gingen nicht nur durch ihre »Entdeckungen«, sondern auch durch ihre Brutalität gegenüber den indianischen Völkern in die Geschichte ein.

Mit der Zuwanderung von Europäern trafen völlig unterschiedliche Kulturen und Denkweisen aufeinander. Die Beziehungen der Kolonisten von Jamestown und Plymouth zu den Indianern werden als zunächst friedlich und freundschaftlich beschrieben. Sie brachten den Europäern Überlebenstechniken bei, erlaubten ihnen, ihr Gebiet für Landwirtschaft und Jagd zu nutzen, und erhielten im Gegenzug Werkzeuge und vor allem Gewehre. Die Indianer lieferten den Siedlern in den ersten Jahren Nahrungsmittel, was in dem legendären ersten »Thanksgiving Dinner« zum Ausdruck kommt. Wieweit dies ein amerikanischer Traum und Mythos ist, der nicht ganz der Wirklichkeit entspricht, ist Gegenstand historischer Forschung. Pocahontas, die vermutlich 1596 in der Nähe von Jamestown in einer Siedlung der Powhatan als Tochter von Chief Powhatan geboren wurde und später den Siedler John Rolfe heiratete, steht für diese Phase relativ friedlicher Koexistenz, wobei auch in der Pocahontas-Geschichte Fiktion und Wahrheit verschwimmen. Mit dem Zustrom von Siedlern fand dieses Neben- und Miteinander oft sehr schnell ein Ende. So lieferten sich die Siedler von Virginia an der Chesapeake Bay und die indianischen Völker der Powhatan-Allianz zwischen 1622 und 1644 immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen, die als Powhatan-Krieg in die Geschichte eingingen.

»Kanadier wissen wenig über die friedliche und kooperative Beziehung, die zwischen den Ersten Völkern und den ersten europäischen Besuchern in den frühen Jahren des Kontakts entstanden«, stellt die »Royal Commission on Aboriginal Peoples« fest.6 Noch weniger wüssten sie über Veränderungen, die sich über Jahrhunderte vollzogen, über die »Geister der Vergangenheit«, die bis heute das Zusammenleben belasten: über die Missachtung von Verträgen, die zwischen indianischen Völkern und den Neuankömmlingen geschlossen wurden, den Diebstahl indigenen Landes, die Unterdrückung der Kulturen, Entführung von Kindern, Verarmung und Entmachtung der indigenen Völker.

Indigene Völker in Kanada

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