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Konföderationen und Koalitionen
ОглавлениеIn Nordamerika existierten in den ersten Jahrhunderten des ständig wachsenden Zustroms europäischer Siedler und ihres teilweise rücksichtslosen, von der Gier nach Land und Reichtümern getriebenen Vordringens gut organisierte indianische Konföderationen, die völlig dem europäischen Klischee von kleinen »nomadisierenden Stämmen« ohne ordnende Strukturen widersprechen. Im Südosten der USA hatte sich eine Konföderation aus fünf Nationen, den Cherokee, Choctaw, Creek, Chickasaw und Seminolen gebildet, die auch als »Fünf Stämme« oder »Fünf Zivilisierte Stämme« in die Geschichte eingingen. »Zivilisiert« sollte mit Vorsicht verwendet werden. Der Begriff suggeriert, dass nur Völker, die Gebräuche der Einwanderer annahmen, »zivilisiert« und die anderen »wild« oder »unzivilisiert« sind. Die fünf Völker hatten ein Regierungssystem nach dem Vorbild der USA aufgebaut, und der Cherokee Sequoyah entwickelte eine Schriftsprache. Das schützte die »Fünf Nationen« aber nicht vor einem schlimmen Schicksal, der tränen- und verlustreichen Zwangsumsiedlung von 60 000 Menschen in das »Indianerterritorium« Oklahama zwischen 1830 und 1850, die als »Trail of Tears« bezeichnet wird – eines der unrühmlichen Kapitel in der jahrhundertelangen Unterdrückung indianischer Völker in den USA und Kanada.9
In den heutigen Neuenglandstaaten der USA und den grenznahen kanadischen Gebieten entlang des Sankt-Lorenz-Stroms hatte sich die »Haudenosaunee Confederacy« gebildet, auch »Iroquois League« oder »League of Five Nations«, in Deutsch meist als Irokesen-Föderation bezeichnet. Ihr Name Haudenosaunee bedeutet »Völker des Langhauses«, was sich von den traditionellen, langgezogenen Holzhäusern der Irokesen-Nationen ableitet, in denen jeweils mehrere matrilinear, also durch die mütterliche Linie verwandte Familien wohnten. Der Konföderation gehörten ursprünglich die Seneca, Cayuga, Onondaga, Oneida und Mohawk an. Anfang des 18. Jahrhunderts schlossen sich die aus dem heutigen North Carolina kommenden Tuscarora als sechste Nation der Liga an, die damit zu den »Six Nations«, den Sechs Nationen wurden.10
Die Ursprünge dieser Konföderation gehen auf die Zeit vor den ersten Kontakten mit Europäern zurück. Wann genau sie gebildet wurde, ist nicht gesichert. Die Wurzeln liegen vermutlich im 15. oder 16. Jahrhundert, möglicherweise aber bereits einige Jahrhunderte früher.11 Auslöser für den Zusammenschluss waren zunächst die vorkolonialen Konflikte zwischen indianischen Völkern, dann die kriegerischen Auseinandersetzungen, die den aufkommenden Pelzhandel und den Kampf der Kolonialmächte um Einflusszonen begleiteten. Der Prophet Deganawida, der von den etwas nördlicher lebenden Wendat-Huronen in das Gebiet der Irokesen kam, soll dort die Botschaft verbreitet haben, Blutfehden und Kriege durch Frieden zu ersetzen. In Hiawatha, einem Onondaga-Krieger, der in den Kriegen seine Frau und seine Töchter verloren haben soll, fand er einen Schüler. Hiawatha reiste zunächst zu den Mohawk, dann zu den anderen Völkern. Die Botschaft von Deganawida, der den Namen »The Great Peacemaker« (Der Große Friedensstifter) erhielt, ging als »Great Law of Peace«, das Große Gesetz des Friedens, in die Geschichte der Fünf, später Sechs Nationen ein. Es ist die Grundlage der Konföderation.12
Die Fünf Nationen entwickelten ein föderales Regierungssystem, dessen kleinste Einheit die Klans waren, etwa Bären-, Bieberoder Schildkrötenklan. Die Klans entsandten jeweils drei Vertreter in die Ratsversammlung ihrer Nation, diese wiederum schickten Vertreter in den Großrat der Konföderation. Dieses ausgefeilte föderale Regierungssystem sollte im 18. Jahrhundert Benjamin Franklin und Thomas Jefferson beeindrucken. Franklin soll im März 1751 erklärt haben: »Es ginge schon mit seltsamen Dingen zu, wenn sechs Nationen unwissender Wilder fähig sein sollten, die richtige Staatsform für eine solche Nation zu finden […] – und eine solche Union nicht auch für zehn oder zwölf englische Kolonien anwendbar wäre.«13 Der US-Kongress erkannte den Einfluss, den die Irokesen-Konföderation auf die Entwicklung der US-amerikanischen Verfassung hatte, in einer am 21. Oktober 1988 verabschiedeten Resolution an.
Die Haudenosaunee-Konföderation musste in den Auseinandersetzungen zwischen den Kolonialmächten und ihren Kämpfen um die Dominanz im Pelzhandel, im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1775 bis 1783 sowie im Britisch-Amerikanischen Krieg 1812 Position beziehen. Die Irokesen standen auf der Seite der Briten gegen die Franzosen, die wiederum von der Wendat-Huronen-Konföderation unterstützt wurden. Aber auch die Sechs Nationen handelten nicht immer geschlossen. Im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg unterstützten sie mit Ausnahme der Oneida die Loyalisten und damit die britische Seite. Nach dem Sieg der Amerikaner siedelten viele Haudenosaunee unter Führung von Joseph Brant in der heutigen kanadischen Provinz Ontario. Im Britisch-Amerikanischen Krieg kämpften indianische Nationen überwiegend auf der Seite der Briten, der Krieg belastete aber auch die Beziehungen innerhalb der Haudenosaunee-Konföderation, weil einige Einheiten die USA unterstützten.14 Die meisten indianischen Völker sahen die Briten als das geringere koloniale Übel, da sie bei den Briten im Vergleich zu den expansionistischen Amerikanern ein stärkeres Interesse vermuteten, die traditionellen Territorien der Indianer und den Handel mit ihnen aufrechtzuerhalten und zu schützen.