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Die Anerkennung von First Nations, Inuit und Métis als indigene Völker

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In diesem Buch geht es nicht um Winnetou und Indianerromantik. Es geht um die indigenen Völker im heutigen Kanada, die in der Verfassung von 1982 anerkannt sind, die First Nations, Inuit und Métis. Es geht um ihre Geschichte, die Probleme und die Fortschritte und Erfolge bei der Gestaltung der Beziehungen zwischen ihnen, den ursprünglichen »Eigentümern« des Landes, und den Neuankömmlingen: Briten, Franzosen und den späteren Immigranten. Der »British North America Act« von 1867, die Gründungsverfassung Kanadas, unterwirft »Indianer und Land, das Indianern vorbehalten ist«, der Autorität der Bundesregierung, »als seien sie Bergwerke und Straßen«, wie die »Royal Commission on Aboriginal Peoples« 1996 sarkastisch anmerkt. Die Verfassung von 1867 spricht nicht von Rechten dieser Bevölkerungsgruppen. Dagegen gelang es den indigenen, damals als »aboriginal peoples« bezeichneten Völkern und ihren Unterstützern in der »Aboriginal Rights Coalition«, Garantien ihrer Rechte in der 1982 unter Premierminister Pierre Trudeau verabschiedeten Verfassung zu verankern, obwohl dies zu Beginn der Verfassungsberatungen nicht geplant war. In Abschnitt 35 des Verfassungsgesetzes heißt es nun: »Die bestehenden indigenen Rechte und die Vertragsrechte der indigenen Völker Kanadas werden hiermit anerkannt und bekräftigt.« Das Gesetz stellt zugleich fest, dass »aboriginal peoples« die indianischen, Inuit- und Métis-Völker Kanadas umfasst.14 Auch die kanadische »Charta der Rechte und Freiheiten«, die Bestandteil des Verfassungsgesetzes von 1982 ist, erkennt in Abschnitt 25 die Rechte der indigenen Völker an, zu denen auch ihre Rechte aus früheren Verträgen mit der Regierung gehören.15

Die drei indigenen Bevölkerungsgruppen zeichnen sich durch unterschiedliche Geschichte, Sprache, Kultur und Spiritualität aus. In der Volkszählung von 2016 bezeichneten sich mehr als 1,67 Millionen Bewohner Kanadas als »aboriginal«, also als Angehörige eines der drei indigenen Völker.16 Damit stellen sie etwa fünf Prozent der kanadischen Bevölkerung. Gegenüber der Volkszählung von 2006 stieg die Zahl derer, die sich als indigen/aboriginal definieren, um 42 Prozent an. Dieser bemerkenswerte Zuwachs beruht auf zwei Trends: Zum einen steigt auch bei den indigenen Völkern die Lebenserwartung, und die sehr junge indigene Bevölkerung – 44 Prozent sind jünger als fünf Jahre – hat eine Geburtenrate, die deutlich über dem kanadischen Durchschnitt liegt. Zum anderen aber identifizieren sich mehr Menschen denn je zuvor als indigen. Das deutet darauf hin, dass Selbstvertrauen und Stolz wachsen, Angehöriger eines Ureinwohnervolks zu sein.

Die First Nations, die »indianischen« Völker, sind mit rund einer Million Menschen die größte Gruppe der indigenen Völker. Nach den Ergebnissen der Volkszählung von 2016, die nach »indigener Identität« fragte, sind die Cree mit 356 000, die Mi’kmaq mit etwa 168 000 und die Ojibwe mit etwa 125 000 Angehörigen die größten Völker. Etwa 630 First Nations, die früher oft als »Indian Bands«, indianische Gruppen, bezeichnet wurden, leben in diesem Land.17 Noch existieren rund 60 verschiedene First-Nations-Sprachen, die mehreren großen Sprachfamilien angehören. Viele aber sind vom Aussterben bedroht. Von den eine Million Angehörigen der First Nations sind etwas mehr als drei Viertel, annähernd 750 000, »Status Indians«. Das heißt, sie sind entweder unter dem »Indian Act« als »Indianer« registriert oder bezeichnen sich aufgrund der Verträge der First Nations mit der Regierung als »Status Indians«. Die verbleibenden 230 000 sind »Non-Status Indians«, von denen viele aufgrund des umstrittenen »Indian Act« ihren Status verloren haben, obwohl sie natürlich weiterhin »Indianer« sind.18

Die Mehrheit der First-Nations-Bevölkerung lebt nicht in Reservationen, sondern »off reserve« außerhalb von Reservationen und vor allem in Städten. Weniger als die Hälfte, rund 44 Prozent, ist »on reserve« und somit in Reservationen zu Hause. In Metropolen wie Toronto, Vancouver, Edmonton und Winnipeg leben jeweils Zehntausende Angehörige von First Nations. Auch wenn sie »off reserve« leben, unterhalten die meisten von ihnen enge Beziehungen zu ihren Reservationen.


Tag der indigenen Völker Kanadas, 21. Juni 2017. Von links nach rechts: Clément Chartier, Präsident des »Métis National Council«, Natan Obed, Präsident von »Inuit Tapiriit Kanatami«, Premierminister Justin Trudeau, Perry Bellegarde, »Assembly of First Nations National Chief«.

Die wichtigste Organisation der First Nations ist die »Assembly of First Nations« (AFN) als Dachverband der First Nations, die derzeit von Perry Bellegarde als National Chief geleitet wird.19 Daneben existiert der »Congress of Aboriginal Peoples« unter Chief Robert Bertrand, der sich als Stimme der Non-Status-Angehörigen der indianischen Völker versteht.20

Die Inuit sind das Ureinwohnervolk der Arktis.21 Die 65 000 Inuit Kanadas nennen ihre Heimat Inuit Nunangat. Sie erstreckt sich über die gesamte kanadische Arktis. Die Sprache der Inuit ist Inuktut mit den Regionalsprachen Inuktitut, das am häufigsten gesprochen wird, Inuinnaqtun, Inuttut und Inuvialuktun. Die Bezeichnung Inuktut als Oberbegriff wird erst seit wenigen Jahren verwendet. Sprachrohr der Inuit ist die von Natan Obed geleitete »Inuit Tapiriit Kanatami«, was »Inuit sind vereint in Kanada« bedeutet.22

Die Métis-Nation ist mit etwa 600 000 Angehörigen die zweitgrößte indigene Bevölkerungsgruppe. Die Métis sind die Nachfahren von europäischen, überwiegend französischsprachigen Siedlern und Trappern und Frauen aus indianischen Völkern, die eine gemeinsame soziale Identität schufen. Auch eine eigene Sprache entwickelten sie – Michif, eine Kombination aus Französisch und Cree oder Ojibwe.23 Wichtigste Métis-Organisation ist der »Métis National Council«, der von Clément Chartier geführt wird.

Indigene Völker in Kanada

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