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Verbündete und Gegner Die indianischen Völker vor der Staatsgründung Kanadas 1867
ОглавлениеHoch über dem Ottawa-Fluss, dort wo der Rideau-Kanal in den Ottawa mündet, liegt Nepean Point, ein felsiger Hügel. Von hier blickt der Besucher auf das Parlament von Ottawa, die Nationalgalerie und das Canadian Museum of History auf der anderen Flussseite, das von Douglas Cardinal entworfen wurde, einem Künstler mit Métis- und indianischen Wurzeln. Auf diesem markanten Aussichtspunkt in der kanadischen Hauptstadt Ottawa thront die Statue von Samuel de Champlain. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte dieser französische Seefahrer, Kartograf, Geograf und Forscher als Teilnehmer einer französischen Pelzhandelsexpedition erstmals den Sankt-Lorenz-Strom befahren und an der Mündung des Sagenay in der heutigen Provinz Québec Kontakt mit Indianern aufgenommen.1 Vermutlich traf er Vertreter der früher Montagnais genannten Innu, der Maliseet und der Anishnabe.
Vor Champlain war bereits sein Landsmann Jacques Cartier 1535 in diese Gegend vorgestoßen, die die Indianer »Kebec« nannten: »wo sich der Fluss verengt«. Dort wird der Sankt-Lorenz-Strom, der wenige Kilometer unterhalb noch wie ein Meer wirkt, zu einem Fluss. Die Indianer hatten Cartier zu ihrer Siedlung Stadacona geführt, die sie »kanata« nannten, was dem Land seinen Namen geben sollte. Aber erst Samuel de Champlain, der am 3. Juli 1608 im Gebiet der heutigen Stadt Québec Anker warf, gründete eine Gemeinde, die Keimzelle von »Nouvelle France«, Frankreichs Herrschaftsgebiet in Nordamerika, werden sollte. 1615 kam er bei einer weiteren Reise an die Stelle, die heute als Nepean Point im Stadtgebiet Ottawas liegt. Auf dieser Anhöhe soll Champlain mit einem Astrolab, einem Navigationsinstrument, den Himmel vermessen haben.
Anlässlich des 300. Jahrestags der Champlain-Reise schuf der Bildhauer Hamilton MacCarthy 1915 die heute auf Nepean Point weithin sichtbare Statue. Aber erst seit einigen Jahren präsentiert sich das Monument in der heutigen Weise. Lange Zeit befand sich am Fuße des Denkmals eine Indianerskulptur. Sie zeigte einen knienden Indianer und wurde zunächst »Indian Scout«, dann »Anishinabe Scout« genannt. Sie sollte verdeutlichen, dass die Indianer dem Forscher bei seiner Reise halfen. Ursprünglich sollte die Bronzeskulptur einen in einem Kanu knienden Indianer zeigen, aber die Bürgerinitiative, die das Projekt finanzierte, brachte nicht genug Geld zusammen. So wurde auf das Kanu verzichtet. Aber was kann ein zu Füßen des weißen Entdeckers kniender Indianer noch ausdrücken? Für die indigene Gemeinde Ottawas bedeutete diese Pose Gehorsam, Unterwürfigkeit und Kolonialismus. In den 1990er Jahren begannen Diskussionen über einen neuen Standort für die indianische Skulptur. Heute steht sie, getrennt von Samuel de Champlain, im nahe gelegenen Major’s Hill Park – mit Blick auf das Parlament.
So stehen dieses Denkmal in Ottawa und die Diskussionen über den »Anishinabe Scout« auch für die Geschichte der Beziehungen zwischen der indigenen Urbevölkerung und den europäischen »Entdeckern«, Eindringlingen und Siedlern: Indianer hießen Neuankömmlinge willkommen und halfen ihnen. Sie verloren ihr Land, trotz des Widerstands, den sie leisteten. Sie wurden unterworfen. Erst in der jüngsten Vergangenheit erfährt und begreift die kanadische Gesellschaft, welches Unrecht der Urbevölkerung des Kontinents zugefügt wurde.