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2.2.2 Zauber lieber ohne Muffen

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Für den Dichter gibt es den Zauber, der jedem Anfang innewohnt. Es gibt aber auch den Satz: "Aller Anfang ist schwer", der gar nicht selten das Gefühl der Beklommenheit, das die Menschen befällt, wenn schwierig erscheinende Aufgaben auf sie zukommen, beschreibt. Es gibt das Lampenfieber, die Muffen, die Angstgefühle, die Verunsicherung. Angst äußerst sich körperlich und psychisch. "Angst fressen Seele auf", so ein Filmtitel. Sie wird als Ur-Instinkt angesehen, dessen positive Funktion aber auch darin bestehen kann, Handlungen zu kontrollieren. Wenn sie überwunden wird, können sich gute Gefühle, positive Lebenserwartung und Hoffnung, einstellen. Sie engt das Bewusstsein ein, das geht bis zur Kopflosigkeit. Die Kreativität geht verloren. Der Mensch will die schnelle, reflexartige Flucht einleiten wie damals vor dem Säbelzahntiger im Gebüsch. In der Entspannung kommen die besten Gedanken, blüht die Kreativität, die Phantasie. Sie ist günstig für das Lernen, für das brain storming. Druck ist da nur kontraproduktiv, der die Assoziationsflüsse hemmen würde. Die Psychologie kennt zwei Verhaltensweisen vor dem anstürmenden, als gefährlich eingestuften Neuen: "Flüchten oder Standhalten", so ein Buch des Psychologen Horst E. Richter. Vor dem Höhlenbär die Flucht, vor dem entlaufenen Stallhasen ist Mut angebracht, wie das Märchen aus Süddeutschland zu berichten weiß. Entweder hält der Student und Akademiker Stand, im Seminar, in der Vorlesung, vor irgendeinem Drachen im Vorzimmer. Oder er flüchtet, verwandelt sich in ein Lurchi, ganz einem wärmenden Biotop hingegeben und die als bedrohlich empfundene Umwelt ignorierend. Es ist leider so etwas wie ein circulus vitiosus, ein fehlerhafter Kreis, Teufelskreis in Richtung Selbstverwöhnung. Ein Student muss ein wenig kampfbereit sein. Verwöhnung wird für später versprochen und kommt immer zu spät. Von der Fremdeinschätzung hängt die Selbststeinschätzung ab und umgekehrt.

In der menschlichen Sphäre kann man die eher biologisch anmutende Dichotomie (Gegensatzpaar, z. Bp. flüchten/standhalten) durchaus erweitern im Sinne eines Zugewinnes durch Kultur. Es gibt auch hier eine Entscheidung zwischen Flüchten und Standhalten, aber doch mit einem hohen Anspruch an die Intelligenz, das aggressive Potential herunter zu verhandeln. Die Kubakrise 1962, von Chrouschtschow und Kennedy zu Ende balanciert, hatte alle Elemente primitiver Aggressionsstrukturen, von Hochalarm bis Schockstarre, von Irrtümern und Nichtbefolgen von Befehlen aus purer Aggressivität eines allentschlossenen U-Boot-Kommandanten. Das Schema aus dem Tierreich wäre fatal gewesen, vielleicht sogar die Katastrophe: Auf Druck folgt Gegendruck, das gilt für die Militärpolitik wie für den Unfrieden am Familientisch, wenn nicht ein übergeordneter Standpunkt verfügbar ist. Hier wurde er gefunden.

Wer zu den dreißig Prozent gehört, die Angst vor der Schule haben und lieber zum Zahnarzt geht, läuft Gefahr, diese negative Einstellung mitzunehmen, wenn er sich an der Universität einschreibt. Viel zu häufig liegt der Beschwichtigung, dass gute Noten viel motivierender sind als schlechte, eine unzureichende Erkenntnis zugrunde. Das muss nicht so sein, wie die Geschichte lehrt. Als der große Chirurg Sauerbruch, der die Operation am offenen Brustkorb in der Unterdruckkabine erfand, seine Memoiren veröffentlichte, war das erste Bild der Abdruck seines Abiturzeugnisses. Fast überall stand "ungenügend"," mangelhaft", selten ein tröstendes "ausreichend", eher wie Ironie und kaum noch zu glauben. Offensichtlich war er stolz darauf, aus einer gewissen Distanz zur Penne eine internationale Berühmtheit gemacht zu haben. Seine Mutti hat offensichtlich an den Elternsprechtagen mit Brillanz und Charme einen guten Eindruck auf empfängliche Lehrer gemacht.

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