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ОглавлениеElvira Altmann zog an der Klingel. Eine altertümliche Konstruktion, man zog am Knauf und über ein Gestänge wurde die Bewegung auf die Glockenaufhängung übertragen, woraufhin drei kleine Glöckchen schellten. Sie wartete und zog erneut. Die Tür wurde geöffnet und eine blonde Frau Mitte dreißig lachte Elvira entgegen.
„Ach, Frau Altmann, da sind Sie ja! Kommen Sie nur herein, wir haben Sie schon erwartet.“
Elvira zog ein wenig die Augenbrauen hoch. Die Haushälterin schien richtig aufgekratzt zu sein. Ein guter Tag für die Frau? Elvira kam nicht mehr dazu, genauer das Thema zu überdenken, denn Gottfried eilte geschäftig durch das Vorhaus auf sie zu. „Elvira, du bist wieder pünktlich wie eine Schweizer Uhr!“
„Manche Dinge ändern sich nicht.“
„Hast du dein Zeug dabei?“
„Allerdings.“
„Ich helfe dir beim Tragen.“
„Das wäre sehr nett.“
„Ich helfe auch“, sagte Barbara.
Gottfried wandte sich ihr zu, lächelte sie gewinnend an und fasste ihr in einer kleinen, sehr vertrauten Geste an den Oberarm.
„Barbara, vielen Dank, aber das schaffen wir schon. Kümmere du dich bitte um das Geschirr und den Schweinebraten.“
Elvira schnupperte nun den sich langsam verbreitenden Duft eines Bratens, der im Backrohr eben auf Temperatur kam.
„Bin schon unterwegs.“
Barbara sauste in die Küche. Und Elvira hatte im Prinzip verstanden, wie es hier im Haus zuging. Hatte sie etwas anderes erwartet? Natürlich nicht. Gottfried und Elvira traten an den Wagen und hoben die Koffer heraus.
„Das Stativ kannst du liegen lassen“, sagte Gottfried. „Ich habe genau das gleiche Modell im Atelier.“
Wenig später hatten sie Elviras Koffer auf dem breiten Arbeitstisch geöffnet. Gottfried musterte ihre Arbeitsgeräte.
„Keine Mittelformatkamera mehr?“
„Nein. Bin schon vor ein paar Jahren vollständig auf Digitalfotografie umgestiegen. Die neuen Geräte sind absolut hervorragend, wirklich, ich bin ein echter Fan der Digitalfotografie. Die Hasselblad verwende ich kaum noch. Gebe sie natürlich nicht her, diese Kamera ist ein Juwel, aber für die alltägliche Arbeit verwende ich meine japanischen Spielzeuge.“
Elvira entnahm dem Koffer eine digitale Spiegelreflexkamera und lugte durch das Okular. Gottfried brachte drei großformatige Mappen, legte sie auf dem Arbeitstisch bereit und klappte die erste Mappe auf.
„Leider bin ich nicht mehr dazu gekommen, die Blätter zu sortieren. Ich hoffe, das ist kein Problem.“
„Aber nein, kein Problem. Vielmehr kribbelt es mir schon in den Fingern, mich in die Mappen zu wühlen.“
Gottfried lächelte sie von der Seite an, verfolgte mit einer eigentümlichen Faszination, wie sie sich geradezu auf die Skizzenmappe stürzte.
Elviras Arbeit bestand darin, Kunstbücher und Ausstellungskataloge zu gestalten, sie arbeitete für mehrere Museen an der Digitalisierung zeitgenössischer bildender Kunst und drei Mal in ihrem Leben hatte sie auch schon hauptverantwortlich Ausstellungen in Wien organisiert.
„Soll das Buch wieder in deinem Salzburger Verlag erscheinen?“ Elvira blickte kurz zu Gottfried.
„Ja, Veronika Michler wartet schon ungeduldig auf das Buch über deine Zeichenarbeit. Die beiden Bände über deine Steinarbeiten waren Bestseller.“
Gottfried kratzte seinen Bart.
„Veronika Michler? Der Name kommt mir bekannt vor.“
„Du bist ihr mindestens einmal über den Weg gelaufen, und zwar bei der Präsentation des ersten Buches in Salzburg. Eine Frau in meinem Alter, brünettes Haar, tiefgründige Augen, sehr gutaussehend und …“
„Ja!“, rief Gottfried aus. „Ich erinnere mich. Wie konnte ich eine so attraktive Frau auch nur für einen Moment vergessen?“
„Allerdings, Veronika fällt auf, obwohl sie das oft gar nicht will.“ Gottfried lachte schallend.
„Und deswegen gibt sie sich mit Langweilern ab. Der Mann, der sie begleitet hat, dieser staubtrockene Spießer, bei dem mir schon nach zwei Worten Small Talk die Füße eingeschlafen sind. Wie heißt denn diese Vogelscheuche noch?“
„Diese Vogelscheuche ist immerhin einer der bedeutendsten Wirtschaftsanwälte unseres Landes. Und er heißt Hansjörg.“
„Und schon habe ich den Namen wieder vergessen. Ein Anwalt also? Sage ich ja, ein spießiger Langweiler. Wann wird das Buch gedruckt?“
„Es soll im Spätherbst gedruckt werden. Es ist für das nächste Frühlingsprogramm angekündigt und angeblich ist die erste Auflage jetzt schon so gut wie ausverkauft.“
Gottfried rieb seine Hände.
„Elvira, darf ich dich allein lassen? Du kannst hier im Atelier schalten und walten, wie es dir beliebt, ich muss mich um die Vorbereitung des Festes kümmern.“
Elvira legte ein ebenso gewinnendes wie spöttisches Lächeln auf, ein Lächeln, das ihren Scharfsinn, ihre Schlagfertigkeit und ihren Charme vorzüglich zur Geltung brachte und welches Gottfried an ihr immer schon hinreißend gefunden hatte.
„Lieber Gottfried, ich habe still gehofft, dass du genau das sagen würdest.“
Er lachte, fasste nach ihrer Hand und küsste sie auf die Wangen. Danach stapfte er eilig aus dem Atelier. Elvira trat an die drei halb fertigen Steinplastiken heran. Sie musste nach Luft schnappen. Unglaublich, was der Mann aus nacktem Stein herausholen konnte. Sie wusste, Gottfried Moorhammers Skulpturen würden den Mann wie sein Name viele Jahre, bestimmt sogar Jahrzehnte überleben.