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Der Song verklang. Heiner trat auf die Band zu und gab das vereinbarte Zeichen. Die Band schlug einen Tusch und sammelte die Aufmerksamkeit der Festgäste. Heiner nahm das ihm gereichte Mikrofon zur Hand und wartete, bis sich die Menschenschar rund um ihn gruppiert hatte.

„Verehrte Gäste, meine geschätzten Damen und Herren, meine lieben Freundinnen und Freunde, ich freue mich außerordentlich, hier vor Sie treten zu können. Ich erlaube mir die Freiheit, an Gottfrieds Geburtstag das Wort sozusagen in offiziellem Rahmen an Sie zu richten, an Sie alle und natürlich auch an dich, lieber Gottfried. Zu nun schon etwas vorgerückter Stunde möchte ich dir nochmal herzlich zu deinem fünfundfünfzigsten Geburtstag gratulieren, nicht ohne mich auch gleichzeitig für dieses schöne und stimmige Fest hier im Garten deines Hauses zu bedanken. Ich will wirklich keine lange Rede schwingen, wir alle hier sind für dich ja keine Unbekannten, wir alle wissen von deinen immensen Verdiensten in der Bildhauerei, deinem internationalen Ruf, von deinen großartigen künstlerischen Leistungen. Ich kann mich also kurz fassen und zum Kern meiner Rede und meines Anliegens vorstoßen.“

Heiner holte tief Luft und ließ seinen Blick schweifen. Er sah, dass Gottfried ein wenig die Augenbrauen hochzog. Ganz offensichtlich wusste er nicht, was nun kommen würde. Heiner schmunzelte. Er hatte alles im Hintergrund arrangiert, hatte den Familienanwalt in Hannover alles erledigen lassen, niemand hier wusste, welches Geschenk er vorbereitet hatte.

„Liebe Festgäste, lieber Gottfried, wie hier zweifelsfrei bekannt ist, bin ich ja ein notorischer Museumsbesucher, ein Liebhaber aller Künste und begeisterter Sammler. Wie alle Anwesenden wissen, gebe ich für diese meine Leidenschaft im Jahr erhebliche Geldbeträge aus meiner Privatkasse aus, und es ist ja auch kein Geheimnis, sondern vielmehr eine in den Medien mit großer Aufmerksamkeit beachtete Tatsache, dass ich mit der Stiftung Kunstblick ein wohldotiertes Fundament für die Produktion bedeutender künstlerischer Leistungen in Bildhauerei, Malerei, Musik und Literatur geschaffen habe. Ich habe mich bei Gründung der Stiftung selbst als deren Vorsitzenden eingesetzt. Sieben Jahre habe ich den Vorsitz innegehabt und ich bin der Meinung, dass ich dieses Amt nun übergeben sollte. Wie Sie alle wissen, ist es nie gut, wenn ein Mensch ein Amt zu lange ausübt, da schleichen sich mit der Zeit verkrustete Strukturen ein. Diese will ich aufbrechen und trete vom Vorsitz der Stiftung Kunstblick hiermit zurück. Als meinen Nachfolger, immerhin diesen Schritt will ich noch als ehemaliger Vorsitzender und natürlich auch als Stifter setzen, bestimme ich nach reiflicher Überlegung meinen guten Freund, den bedeutendsten Bildhauer der Gegenwart, den großartigsten Menschen, der mir je begegnet ist: Gottfried Moorhammer!“

Applaus und Bravorufe erhoben sich unter den Bäumen des Gartens. Gottfried schüttelte ehrlich überrascht den Kopf. Langsam trat er auf Heiner zu.

„Gottfried, mein Freund, komm zu mir.“

„Ich bin sprachlos“, brummte Gottfried in das Mikrofon.

„Gottfried, natürlich ist die Übergabe des Stiftungsvorsitzes auch ein juristischer Akt, diesen werden wir in den nächsten Tagen noch erledigen können. Jetzt aber, von Mann zu Mann, bitte ich dich, den Vorsitz zu übernehmen. Ich kann mir niemanden vorstellen, der engagierter, sachkundiger und menschlicher über die Millionen verfügen würde.“

Gottfried war sichtlich bewegt.

„Heiner, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“

„Natürlich ist es eine symbolische Geste, denn ich weiß ja ungefähr, was du so im Jahr verdienst, und weiß auch, dass du noch nie einen Cent aus meiner Stiftung erhalten hast, du bist durch deine Arbeit ökonomisch völlig unabhängig, und gerade deswegen, so glaube ich, bist du der ideale Nachfolger als Vorsitzender. Niemand wird dir je die Absicht nachsagen können, dass du dich durch die Stiftung selbst bereicherst, denn du bist ja schon reich. Außerdem gibt es ja wie in jeder Stiftung eine Kontrollinstanz. Dein Kunstverstand und dein großes Herz für junge und unabhängige, für nonkonformistische und innovative Künstlerinnen und Künstler werden dazu beitragen, dass die Stiftung Kunstblick auch in den nächsten Jahren für viele Kunstschaffende eine sichere Basis für Kreativität und Spontanität bietet. Glaubst du, dieser hohen Aufgabe gewachsen zu sein?“

Gottfried wiegte den Kopf.

„Nun, Heiner, ich bin ehrlich überrascht und durch das große Vertrauen in der Seele berührt, wirklich, mein Freund, aber ich erbitte mir drei Tage Bedenkzeit.“

„Selbstverständlich! Du kannst auch eine Woche Bedenkzeit haben.“

„Drei Tage sollten genügen“, sagte Gottfried, umarmte Heiner und drückte ihm links, rechts Küsschen auf die Wange.

Adna stürzte auf Gottfried zu und zog ihn stürmisch an sich, danach umarmte sie Heiner. Die beiden Männer nahmen die junge Frau in die Mitte und tauchten in die Menschenschar. Die Band setzte mit einem flotten Jazzstandard ihr Programm fort. Elvira fiel in den Applaus ein, trat aber ein paar Schritte zurück und wollte das leere Wasserglas abstellen. Sie durfte nicht zu viel Wein trinken, denn sie musste noch mit dem Auto fahren. Weit war der Weg ja nicht, doch selbst auf kurzen Strecken mochte sie nicht mit erhöhtem Alkoholspiegel unterwegs sein. Sie entdeckte, wie ihre Tochter und ihr Freund einander in den Armen lagen. Sie nickte unmerklich. Da kamen wohl keine schlechten Zeiten auf den hoffnungsvollen Jungpoeten zu, die Literaturstipendien der international bekannten Stiftung waren zwar nicht so hoch dotiert wie die Stipendien für bildende Kunst, würden aber einem einundzwanzigjährigen Mann ein komfortables Leben ermöglichen.

Dann entdeckte sie den groß gewachsenen, schlanken Mann, der ihr zuvor schon aufgefallen war. Er stand mit völlig unnahbarer Miene und verkniffenen Augen abseits im Schatten eines Baumes und hielt ein leeres Glas in der Hand. Unmöglich zu ahnen, was in ihm vorging.

Moorhammers Fest

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