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ОглавлениеElvira parkte ihren Wagen in der Wiese vor dem Haus. Eine ganze Reihe von Autos war dort schon abgestellt, durchwegs große, teure Autos mit bunt gemischten Nummernschilder, München, Stuttgart, Zürich, Wien. Und ein paar Einheimische waren ebenfalls schon vorgefahren. Elvira musterte Jasmina. Ihre Tochter hatte sich für den Anlass richtig herausgeputzt, sie hatte überraschend in geradezu klassischem Stil Schminke aufgelegt, denn wenn sie am Samstagabend mit ihren Freunden ausging, trug sie in der Regel den Grufti-Look ganz in schwarz. Auch Clemens hatte sichtbar seine Schuhe poliert, seinen Milchbart rasiert und sein schulterlanges Haar in einem Zopf gezähmt. Gottfried würde sich für seine Tochter und deren Freund nicht vor seinen Millionärsfreunden schämen müssen, sofern natürlich Gottfried sich überhaupt für irgendetwas schämte. Elvira warf ihre leichte Weste über, der anbrechende Abend versprach klar und trocken, aber kühl zu werden. Zwei weitere Fahrzeuge rollten heran. Elvira schaute auf ihre Armbanduhr. Es war zehn Minuten nach sechs Uhr, sie hatten sich innerhalb des akademischen Viertelstündchens eingefunden, waren also trotz der schieren Ewigkeit, die Jasmina vor dem Spiegel gebraucht hatte, pünktlich erschienen. Nun, ihre Anreise vom Hotel in Hinterstoder hierher war ja nicht sehr weit gewesen.
„Also, meine Lieben, immer hinein in die Höhle des Löwen.“
Die Haustür stand offen. Im Vorhaus war ein Tisch bereitgestellt, auf dem Teller, Gläser und Besteck gestapelt waren, auch mehrere Karaffen mit Wasser und eine Schüssel mit Obst der Saison standen parat.
Barbara Satzberger trat auf die drei Wiener Gäste zu und offerierte ihnen auf einem Tablett Sektflöten.
„Guten Abend, liebe Gäste. Bitte zugreifen.“
„Vielen Dank. Wo ist denn Gottfried?“
Barbara deutete zur Hintertür des Vorhauses.
„Im Garten. Geht gleich durch. Wir haben das Buffet draußen aufgebaut. Das Wetter hält, heute kommt kein Regen.“
Barbara wieselte geschäftig gleich den nächsten durch die Haustür eintretenden Gästen entgegen und hieß sie willkommen. Elvira nickte einigen ihr bekannt vorkommenden Gesichtern zu und schritt schließlich durch das Vorhaus in den hinteren Garten, gefolgt von Jasmina und Clemens.
Als Elvira am frühen Nachmittag ihre Arbeit im Atelier beendet hatte, mehr als eine erste Sichtung des Materials war in der kurzen Zeit nicht möglich gewesen, hatte sie noch die Vorbereitungen im Garten mitbekommen. Drei Handwerker hatten einen Holzboden verlegt, auf dem ein Jazztrio die Instrumente aufgebaut hatte und nun in dezenter Lautstärke Standards spielte, weiters hatten sie Tische und bequeme Korbstühle aufgestellt und Lichtgirlanden in die alten Obstbäume gehängt. Das Ambiente wirkte gediegen, elegant und dann doch wieder rustikal. Eine geschmackvolle Mischung, wie Elvira fand.
Gottfrieds Gelächter wischte über die Geräuschkulisse. Elvira schaute zu der größeren Gruppe beim Nussbaum. Sie erkannte einige der Personen, trat näher und kniff unwillkürlich die Augen zusammen. Was für eine schöne junge Frau! Schlagartig war Elvira beeindruckt. Dunkle Augen, größer noch als der Vollmond in klaren Frühlingsnächten, ein sinnlicher Mund, dunkles langes Haar, eine grazile Halslinie über zwei makellos geformten Schultern. Elvira trat in die Gruppe. Und was für ein geschmackvolles Frühsommerkleid, figurbetont, freizügig, aber in keiner Weise aufdringlich. Das also war Adna. Kein Wort, das sie über die Schönheit der jungen Frau bislang gehört hatte, war überzogen gewesen.
„Elvira! Meine Liebe, da bist du ja endlich!“
Gottfried trat ihr entgegen, umarmte und küsste sie theatralisch.
„Endlich treffen wir uns wieder“, sagte Elvira mit einem ironischen Unterton. „Ganze drei Stunden haben wir einander nicht gesehen.“
Gelächter in der Gruppe.
„Elvira schießt gerade Fotos von meinen Zeichnungen für einen Bildband. Sie hat heute Vormittag im Atelier mit der Arbeit begonnen“, erklärte Gottfried der Runde und erntete verstehendes Kopfnicken. „Bist du vorangekommen?“
„Es geht. Die ersten Schritte sind getan.“
„Wunderbar. Aber wo ist unsere Tochter? Jasmina! Komm doch zu mir, mein Herz.“
Jasmina trat verschämt lächelnd in die Runde, gefolgt von Clemens.
„Meine Freunde, ich darf euch meine geliebte, nun erwachsene Tochter Jasmina vorstellen. Sie hat dieser Tage ihre Matura abgelegt. Mit Auszeichnung!“
Jasmina erhielt für ihre Leistung Beifall aus der Runde. Heiner trat vor und ließ es sich nicht nehmen, der jungen Frau mit Wangenküsschen zu gratulieren. Er hatte sie vor drei Jahren kennengelernt, als Jasmina im Winter zum Schiurlaub bei ihrem Vater zu Besuch gewesen war. Heiner konnte sich erinnern, dass der Backfisch damals wenig motiviert auf den Berghängen unterwegs gewesen war und sich eher ins Zimmer mit einen Berg von Büchern zurückgezogen hatte. Aus dem Teenager war eine hübsche junge Frau geworden, wie Heiner nun sah. Und man erkannte den Vater in ihren Gesichtszügen.
Elvira beobachtete genau Jasminas Mienenspiel, als sie der nur um ein paar Jahre älteren Geliebten ihres Vaters die Hand reichte. Irgendeine Reaktion hatte sie erwartet, Wut, Ablehnung, Freude, Belustigung, irgendetwas, aber da war nichts in Jasminas Augen zu erkennen gewesen, gar nichts. Das fand Elvira irritierend.
„Elvira, darf ich vorstellen? Adna, meine punische Prinzessin.“
„Guten Abend.“
„Guten Abend.“
Elviras Miene hingegen war nicht so ungerührt, sie war weit eher kühl und distanziert, zumindest fürchtete Elvira, ihre Miene würde ihre Empfindungen verraten, wo sie doch all ihre Routine im gesellschaftlichen Umgang aufbot, um höflich und unbestimmt zu bleiben.
„Da seid ihr ja! Willkommen in meinem Haus!“, rief Gottfried aus und warf die Arme hoch.
Er eilte dem eben im Garten auftauchenden älteren Ehepaar entgegen. Elvira nippte an ihrem Sektglas. Der Gipfel des Großen Priel schaute auf die Versammlung von Menschen in diesem Garten herab. War es ein gefälliger Blick? Ein trotz des frühlingshaften Lebens düsterer? Welche Schatten flackerten im Schein der Fackeln? Elvira biss sich auf die Lippen und verscheuchte damit die plötzlich aufgetauchte Irritation. Sie wand sich Jasmina und Clemens zu.
„Sagt einmal, habt ihr Hunger?“
„Eigentlich schon“, antwortete Clemens. Jasmina nickte zustimmend.
„Ich auch. Habe zu Mittag nur einen kleinen Happen gegessen. Was haltet ihr von einem Sturm auf das Buffet?“
„Mama, das ist zwar eine von deinen guten Ideen, aber ist das Buffet schon eröffnet?“
Elvira zwinkerte ihrer Tochter zu.
„Gerade, wenn es noch nicht eröffnet ist, schmeckt es am besten.“
„Dann los! Machen wir uns unmöglich.“
Elvira lachte auf.
„Selbst wenn wir es versuchen, werden wir es nicht schaffen. Fürs Unmöglichmachen ist immer noch dein Vater zuständig.“