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Der dunkle Wagen rollte gemächlich durch Hinterstoder. Heiner hatte seinen Mercedes nicht allzu zügig über die Autobahn gelenkt, beim Autobahnknoten Voralpenkreuz hatten sie in der Raststation einen kleinen Mittagsimbiss zu sich genommen. Jeder zurückgelegte Kilometer entfernte ihn von einem Glück, das in seinem Leben zu erringen er nicht mehr erhofft hatte. Heiner krallte förmlich seine Fingerspitzen in das Lenkrad. Er verehrte Gottfried als Künstler, schätzte sich überglücklich, der Freund eines so bedeutenden Mannes zu sein, genoss es, bei einer Flasche Wein den Abend über mit Gottfried in dessen Atelier zu sitzen und über Kunst und Kultur zu philosophieren, mit ihm im Jagdhaus in den Bergen Brot und Speck zu essen. Seit er Gottfried kannte, hatte sich Heiners Leben verändert, ja geradezu umgekrempelt. Er hatte sich in Österreich dauerhaft angesiedelt, die Wohnung in Salzburg und das Jagdhaus im Stodertal gekauft, hatte die Alpen, die er immer schon gerne bereist hatte, zu seiner Wahlheimat gemacht.

Sieglinde und er hatten sich nicht scheiden lassen. Warum hätten sie es tun sollen? Sie liebten sich zwar nicht mehr, aber sie respektierten einander. In seiner Familie war es nicht üblich, sich scheiden zu lassen, nicht so sehr aus Gründen der Religion oder Familientradition, sondern eher aus ökonomischer Klugheit. Scheidungen verursachten Streit und kosteten viel Geld. So hatten Sieglinde und Heiner beschlossen, ihre ehelichen Dinge neu zu regeln und sich weite Freiräume zu eröffnen. Sie lebte ihr komfortables Leben im Familiensitz in Hannover, er hatte sich in den Alpen angesiedelt. Und zu Weihnachten, zu Hochzeiten und Begräbnissen traten sie gemeinsam auf, ohne Hass zwischen ihnen, ohne Missgunst oder Streit, sondern wie zwei reife Menschen, die ihre Ehe im Griff hatten und allen gesellschaftlichen Verpflichtungen entsprechen konnten. Die Stärke, diesen Lebensweg zu gehen, hatte Heiner gefunden, als er vor ein paar Jahren Gottfrieds persönlicher Freund geworden war. Und Heiner wusste, als Gottfried Moorhammers Freund und Gönner würde auch er in die Kunstgeschichte eingehen.

Gestern aber war etwas Unvorhergesehenes passiert. Er hatte den Himmel auf Erden erfahren, er hatte mit Adna geschlafen, mit Gottfrieds Geliebter, er war von ihrer Schönheit und Jugend in eine andere, in eine wunderbare Welt entführt worden. Wie konnte er nun Gottfried unter die Augen treten? Dabei hatte alles so unverfänglich begonnen. Eines Abends, es war kaum eine Woche her, hatte Heiner von den Aufführungen der letztjährigen Salzburger Festspiele erzählt, als Adna festgestellt hatte, diese Stadt, von der man so viel hörte, nicht zu kennen. Gottfried selbst hatte vorgeschlagen, dass Heiner Adna bei seiner nächsten Fahrt nach Salzburg mitnehmen sollte. Und Heiner hatte ihr dann unter vier Augen angeboten, noch vor Gottfrieds Geburtstag loszufahren, damit sie ein Geschenk kaufen konnte. So hatte das eine das andere ergeben.

„Diese schönen Berge.“

Heiner schreckte aus seiner Grübelei hoch und schaute zu Adna hinüber, die ihren Kopf fast gefährlich weit aus dem geöffneten Fenster hielt.

„Eine Tante von mir hat im Leinebergland gelebt, ich habe dort die Sommer meiner Kindheit verbracht. Schöne Gegend, wirklich, aber wenn man einmal die Alpen gesehen hat, würde man niedersächsische Erhebungen nicht Berge nennen.“

„Ich war einmal mit meinen Eltern in den Bergen des Tellatlas. Man kann den Atlas nicht mit den Alpen vergleichen. So viel Wasser hier, so viele Bäume. Ich liebe dieses Land. Ich möchte hier nie wieder fort!“

Heiner bog auf die Straße, die zu seinem Jagdhaus den Berg emporführte und tauchte in den üppigen Waldgürtel entlang der Steyr, die hier noch ein Bächlein war. Adna und er hatten noch einige Vorbereitungen zu erledigen, im Laufe des späten Nachmittags würden sie beim Jubilar auftauchen. Was sollte er Gottfried sagen, wenn dieser fragte, wie der Aufenthalt in Salzburg gewesen war? Was?

Moorhammers Fest

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